Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

mente von ungleicher Größe sind, das Pistill den auch
zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenigstens durch
allmälige Ausdehnung entgegen.

Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen
selbst noch die Behältnisse der reifen Früchte eine sol-
che thierische Reizbarkeit. So bey der Impatiens,
wo die einzelnen Kapseln bey der leisesten Berührung
die Früchte in weiter Entfernung ausstreuen, bey eini-
gen Geranien, und selbst bey der gemeinen Gerste, de-
ren Bart sich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und so
die Früchte aus dem Boden ihres Behältnisses hervor-
zieht, bey trocknem Wetter sich verkürzt, und sie so
zurückhält. Ueberhaupt finden wir bey allen diesen,
dem Anscheine nach reizbaren Fruchtbehältnissen, jene
hygrometrische Beschaffenheit, vermöge welcher sie,
gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausgesäeten
Früchte allein einen günstigen Boden finden, das
Ausstreuen derselben befördern, bey trocknem sich ver-
schlossen halten.

Es sind diese Erscheinungen, in der Geschichte des
allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge-
rade in dem höchsten Moment des Blühens, welcher
auch zugleich der des Verwelkens und des Todes ist,
zeigt sich im Pflanzengeschlecht eine Vorahndung des
höheren thierischen Daseyns. Es erwacht auf einmal
eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und
Bewegung sich äußernd, welche bisher nie an der

mente von ungleicher Groͤße ſind, das Piſtill den auch
zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenigſtens durch
allmaͤlige Ausdehnung entgegen.

Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen
ſelbſt noch die Behaͤltniſſe der reifen Fruͤchte eine ſol-
che thieriſche Reizbarkeit. So bey der Impatiens,
wo die einzelnen Kapſeln bey der leiſeſten Beruͤhrung
die Fruͤchte in weiter Entfernung ausſtreuen, bey eini-
gen Geranien, und ſelbſt bey der gemeinen Gerſte, de-
ren Bart ſich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und ſo
die Fruͤchte aus dem Boden ihres Behaͤltniſſes hervor-
zieht, bey trocknem Wetter ſich verkuͤrzt, und ſie ſo
zuruͤckhaͤlt. Ueberhaupt finden wir bey allen dieſen,
dem Anſcheine nach reizbaren Fruchtbehaͤltniſſen, jene
hygrometriſche Beſchaffenheit, vermoͤge welcher ſie,
gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausgeſaͤeten
Fruͤchte allein einen guͤnſtigen Boden finden, das
Ausſtreuen derſelben befoͤrdern, bey trocknem ſich ver-
ſchloſſen halten.

Es ſind dieſe Erſcheinungen, in der Geſchichte des
allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge-
rade in dem hoͤchſten Moment des Bluͤhens, welcher
auch zugleich der des Verwelkens und des Todes iſt,
zeigt ſich im Pflanzengeſchlecht eine Vorahndung des
hoͤheren thieriſchen Daſeyns. Es erwacht auf einmal
eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und
Bewegung ſich aͤußernd, welche bisher nie an der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="249"/>
mente von ungleicher Gro&#x0364;ße &#x017F;ind, das Pi&#x017F;till den auch<lb/>
zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenig&#x017F;tens durch<lb/>
allma&#x0364;lige Ausdehnung entgegen.</p><lb/>
        <p>Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t noch die Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der reifen Fru&#x0364;chte eine &#x017F;ol-<lb/>
che thieri&#x017F;che Reizbarkeit. So bey der Impatiens,<lb/>
wo die einzelnen Kap&#x017F;eln bey der lei&#x017F;e&#x017F;ten Beru&#x0364;hrung<lb/>
die Fru&#x0364;chte in weiter Entfernung aus&#x017F;treuen, bey eini-<lb/>
gen Geranien, und &#x017F;elb&#x017F;t bey der gemeinen Ger&#x017F;te, de-<lb/>
ren Bart &#x017F;ich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und &#x017F;o<lb/>
die Fru&#x0364;chte aus dem Boden ihres Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es hervor-<lb/>
zieht, bey trocknem Wetter &#x017F;ich verku&#x0364;rzt, und &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
zuru&#x0364;ckha&#x0364;lt. Ueberhaupt finden wir bey allen die&#x017F;en,<lb/>
dem An&#x017F;cheine nach reizbaren Fruchtbeha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, jene<lb/>
hygrometri&#x017F;che Be&#x017F;chaffenheit, vermo&#x0364;ge welcher &#x017F;ie,<lb/>
gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausge&#x017F;a&#x0364;eten<lb/>
Fru&#x0364;chte allein einen gu&#x0364;n&#x017F;tigen Boden finden, das<lb/>
Aus&#x017F;treuen der&#x017F;elben befo&#x0364;rdern, bey trocknem &#x017F;ich ver-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en halten.</p><lb/>
        <p>Es &#x017F;ind die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen, in der Ge&#x017F;chichte des<lb/>
allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge-<lb/>
rade in dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Moment des Blu&#x0364;hens, welcher<lb/>
auch zugleich der des Verwelkens und des Todes i&#x017F;t,<lb/>
zeigt &#x017F;ich im Pflanzenge&#x017F;chlecht eine Vorahndung des<lb/>
ho&#x0364;heren thieri&#x017F;chen Da&#x017F;eyns. Es erwacht auf einmal<lb/>
eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und<lb/>
Bewegung &#x017F;ich a&#x0364;ußernd, welche bisher nie an der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0263] mente von ungleicher Groͤße ſind, das Piſtill den auch zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenigſtens durch allmaͤlige Ausdehnung entgegen. Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen ſelbſt noch die Behaͤltniſſe der reifen Fruͤchte eine ſol- che thieriſche Reizbarkeit. So bey der Impatiens, wo die einzelnen Kapſeln bey der leiſeſten Beruͤhrung die Fruͤchte in weiter Entfernung ausſtreuen, bey eini- gen Geranien, und ſelbſt bey der gemeinen Gerſte, de- ren Bart ſich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und ſo die Fruͤchte aus dem Boden ihres Behaͤltniſſes hervor- zieht, bey trocknem Wetter ſich verkuͤrzt, und ſie ſo zuruͤckhaͤlt. Ueberhaupt finden wir bey allen dieſen, dem Anſcheine nach reizbaren Fruchtbehaͤltniſſen, jene hygrometriſche Beſchaffenheit, vermoͤge welcher ſie, gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausgeſaͤeten Fruͤchte allein einen guͤnſtigen Boden finden, das Ausſtreuen derſelben befoͤrdern, bey trocknem ſich ver- ſchloſſen halten. Es ſind dieſe Erſcheinungen, in der Geſchichte des allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge- rade in dem hoͤchſten Moment des Bluͤhens, welcher auch zugleich der des Verwelkens und des Todes iſt, zeigt ſich im Pflanzengeſchlecht eine Vorahndung des hoͤheren thieriſchen Daſeyns. Es erwacht auf einmal eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und Bewegung ſich aͤußernd, welche bisher nie an der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/263
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/263>, abgerufen am 25.11.2024.