chen Blüthentheile eine zarte Wolle, die sich, in der Zeit wo der Bluthenstaub ausgestreut wird, unaufhörlich und willkührlich bewegt.
Bey vielen Blumen, wie bey der Gloriosa, bey der persischen Kaiserkrone, dem Steinbrech, der Kal- mia und andren, gelangen die Antheren nicht alle zu gleicher Zeit zur Reife. Man sieht diese hier einzeln, so bald sie den höchsten Augenblick des Blühens erreich- ten, durch eine eigenthümliche und freywillige Bewe- gung dem Pistill sich nähern, von welchem sie nach verlohrenem Blüthenstaub wieder zurücksinken, und während sie schon verwelken, wird ihre Stelle von jüngeren Antheren ersetzt. Bey dem großen gelbblü- henden Cactus aus Jamaica, dessen schöne Blüthen, welche einen Fuß im Durchmesser halten, sich erst ge- gen Abend aufschließen, und schon vor Sonnenauf- gang verblühen, bey den lieblichen aber eben so schnell vergänglichen Cistusblüthen, sieht man, so lange die kurze Zeit der Liebe dauert, unaufhörlich einige Anthe- ren in Berührung mit dem Pistill.
Doch sind es nicht allein die männlichen Blumen- theile, welche in der höchsten Zeit des Blühens eine solche thierische Beweglichkeit zeigen; bey einigen Blu- menarten wird diese auch an dem Pistill bemerkt. Das der Collinsonia bewegt sich erst nach dem einen, dann nach einiger Zeit nach dem andern Staubfaden hin. So kömmt auch in allen jenen Blumen, deren Fila-
chen Bluͤthentheile eine zarte Wolle, die ſich, in der Zeit wo der Bluthenſtaub ausgeſtreut wird, unaufhoͤrlich und willkuͤhrlich bewegt.
Bey vielen Blumen, wie bey der Glorioſa, bey der perſiſchen Kaiſerkrone, dem Steinbrech, der Kal- mia und andren, gelangen die Antheren nicht alle zu gleicher Zeit zur Reife. Man ſieht dieſe hier einzeln, ſo bald ſie den hoͤchſten Augenblick des Bluͤhens erreich- ten, durch eine eigenthuͤmliche und freywillige Bewe- gung dem Piſtill ſich naͤhern, von welchem ſie nach verlohrenem Bluͤthenſtaub wieder zuruͤckſinken, und waͤhrend ſie ſchon verwelken, wird ihre Stelle von juͤngeren Antheren erſetzt. Bey dem großen gelbbluͤ- henden Cactus aus Jamaica, deſſen ſchoͤne Bluͤthen, welche einen Fuß im Durchmeſſer halten, ſich erſt ge- gen Abend aufſchließen, und ſchon vor Sonnenauf- gang verbluͤhen, bey den lieblichen aber eben ſo ſchnell vergaͤnglichen Ciſtusbluͤthen, ſieht man, ſo lange die kurze Zeit der Liebe dauert, unaufhoͤrlich einige Anthe- ren in Beruͤhrung mit dem Piſtill.
Doch ſind es nicht allein die maͤnnlichen Blumen- theile, welche in der hoͤchſten Zeit des Bluͤhens eine ſolche thieriſche Beweglichkeit zeigen; bey einigen Blu- menarten wird dieſe auch an dem Piſtill bemerkt. Das der Collinſonia bewegt ſich erſt nach dem einen, dann nach einiger Zeit nach dem andern Staubfaden hin. So koͤmmt auch in allen jenen Blumen, deren Fila-
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chen Bluͤthentheile eine zarte Wolle, die ſich, in der Zeit
wo der Bluthenſtaub ausgeſtreut wird, unaufhoͤrlich
und willkuͤhrlich bewegt.
Bey vielen Blumen, wie bey der Glorioſa, bey
der perſiſchen Kaiſerkrone, dem Steinbrech, der Kal-
mia und andren, gelangen die Antheren nicht alle zu
gleicher Zeit zur Reife. Man ſieht dieſe hier einzeln,
ſo bald ſie den hoͤchſten Augenblick des Bluͤhens erreich-
ten, durch eine eigenthuͤmliche und freywillige Bewe-
gung dem Piſtill ſich naͤhern, von welchem ſie nach
verlohrenem Bluͤthenſtaub wieder zuruͤckſinken, und
waͤhrend ſie ſchon verwelken, wird ihre Stelle von
juͤngeren Antheren erſetzt. Bey dem großen gelbbluͤ-
henden Cactus aus Jamaica, deſſen ſchoͤne Bluͤthen,
welche einen Fuß im Durchmeſſer halten, ſich erſt ge-
gen Abend aufſchließen, und ſchon vor Sonnenauf-
gang verbluͤhen, bey den lieblichen aber eben ſo ſchnell
vergaͤnglichen Ciſtusbluͤthen, ſieht man, ſo lange die
kurze Zeit der Liebe dauert, unaufhoͤrlich einige Anthe-
ren in Beruͤhrung mit dem Piſtill.
Doch ſind es nicht allein die maͤnnlichen Blumen-
theile, welche in der hoͤchſten Zeit des Bluͤhens eine
ſolche thieriſche Beweglichkeit zeigen; bey einigen Blu-
menarten wird dieſe auch an dem Piſtill bemerkt. Das
der Collinſonia bewegt ſich erſt nach dem einen, dann
nach einiger Zeit nach dem andern Staubfaden hin.
So koͤmmt auch in allen jenen Blumen, deren Fila-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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