diesen bald um jenen Baum geschlungen gesehen, ei- nige schöne Windenarten der südlichen Welt, pflegen sich aber nur an gewisse Bäume zu halten, und wer- den sonst nirgends gefunden. Die hohen einsam stehen- den Palmen, haben fast stets einige Arten von Lilien um ihren Stamm versammlet, welche in der gemein- schaftlichen Zeit der Blüthe an Duft und Farben- pracht, mit dem bunten Blüthenschaft der Palmen wetteifern.
Ja eine solche Sympathie der Blüthen mit der äußern Natur, geht oft noch viel weiter. Die Bewoh- ner von Kamtschatka, ein dürftiges verlassenes Volk, haben fast keine andre Nahrung, als die Fische, die sie an den langen Sommertagen aus den Flüssen nehmen, welche kaum den 4ten Theil des Jahres von Eise frey sind, und außer diesem die Zwiebeln eines purpurro- then Liliengewächses, das unter den wenigen Gräsern und Schneeblumen die einzige Zierde ihrer bemosten Thäler ist. Steller der sich nothgedrungen ziemlich lange dort aufhalten mußte, fand aus eigner Erfah- rung die Naturregel, welche allen Eingebohrnen be- kannt ist, bestätigt, daß nämlich gerade dann, wenn die Jahre dem Fischfang ungünstig sind, und wenn die Flüsse ihrer gewöhnlichen Bewohner entbehren, je- nes Zwiebelgewächs in ganz vorzüglicher Menge wächst, und umgekehrt, wenn die Flüsse reicher als gewöhnlich an Fischen erscheinen, und der Vorrath an diesen häufiger eingesammlet wurde, gedeiht jene Li-
dieſen bald um jenen Baum geſchlungen geſehen, ei- nige ſchoͤne Windenarten der ſuͤdlichen Welt, pflegen ſich aber nur an gewiſſe Baͤume zu halten, und wer- den ſonſt nirgends gefunden. Die hohen einſam ſtehen- den Palmen, haben faſt ſtets einige Arten von Lilien um ihren Stamm verſammlet, welche in der gemein- ſchaftlichen Zeit der Bluͤthe an Duft und Farben- pracht, mit dem bunten Bluͤthenſchaft der Palmen wetteifern.
Ja eine ſolche Sympathie der Bluͤthen mit der aͤußern Natur, geht oft noch viel weiter. Die Bewoh- ner von Kamtſchatka, ein duͤrftiges verlaſſenes Volk, haben faſt keine andre Nahrung, als die Fiſche, die ſie an den langen Sommertagen aus den Fluͤſſen nehmen, welche kaum den 4ten Theil des Jahres von Eiſe frey ſind, und außer dieſem die Zwiebeln eines purpurro- then Liliengewaͤchſes, das unter den wenigen Graͤſern und Schneeblumen die einzige Zierde ihrer bemoſten Thaͤler iſt. Steller der ſich nothgedrungen ziemlich lange dort aufhalten mußte, fand aus eigner Erfah- rung die Naturregel, welche allen Eingebohrnen be- kannt iſt, beſtaͤtigt, daß naͤmlich gerade dann, wenn die Jahre dem Fiſchfang unguͤnſtig ſind, und wenn die Fluͤſſe ihrer gewoͤhnlichen Bewohner entbehren, je- nes Zwiebelgewaͤchs in ganz vorzuͤglicher Menge waͤchſt, und umgekehrt, wenn die Fluͤſſe reicher als gewoͤhnlich an Fiſchen erſcheinen, und der Vorrath an dieſen haͤufiger eingeſammlet wurde, gedeiht jene Li-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0252"n="238"/>
dieſen bald um jenen Baum geſchlungen geſehen, ei-<lb/>
nige ſchoͤne Windenarten der ſuͤdlichen Welt, pflegen<lb/>ſich aber nur an gewiſſe Baͤume zu halten, und wer-<lb/>
den ſonſt nirgends gefunden. Die hohen einſam ſtehen-<lb/>
den Palmen, haben faſt ſtets einige Arten von Lilien<lb/>
um ihren Stamm verſammlet, welche in der gemein-<lb/>ſchaftlichen Zeit der Bluͤthe an Duft und Farben-<lb/>
pracht, mit dem bunten Bluͤthenſchaft der Palmen<lb/>
wetteifern.</p><lb/><p>Ja eine ſolche Sympathie der Bluͤthen mit der<lb/>
aͤußern Natur, geht oft noch viel weiter. Die Bewoh-<lb/>
ner von Kamtſchatka, ein duͤrftiges verlaſſenes Volk,<lb/>
haben faſt keine andre Nahrung, als die Fiſche, die ſie<lb/>
an den langen Sommertagen aus den Fluͤſſen nehmen,<lb/>
welche kaum den 4ten Theil des Jahres von Eiſe frey<lb/>ſind, und außer dieſem die Zwiebeln eines purpurro-<lb/>
then Liliengewaͤchſes, das unter den wenigen Graͤſern<lb/>
und Schneeblumen die einzige Zierde ihrer bemoſten<lb/>
Thaͤler iſt. <hirendition="#g">Steller</hi> der ſich nothgedrungen ziemlich<lb/>
lange dort aufhalten mußte, fand aus eigner Erfah-<lb/>
rung die Naturregel, welche allen Eingebohrnen be-<lb/>
kannt iſt, beſtaͤtigt, daß naͤmlich gerade dann, wenn<lb/>
die Jahre dem Fiſchfang unguͤnſtig ſind, und wenn<lb/>
die Fluͤſſe ihrer gewoͤhnlichen Bewohner entbehren, je-<lb/>
nes Zwiebelgewaͤchs in ganz vorzuͤglicher Menge<lb/>
waͤchſt, und umgekehrt, wenn die Fluͤſſe reicher als<lb/>
gewoͤhnlich an Fiſchen erſcheinen, und der Vorrath an<lb/>
dieſen haͤufiger eingeſammlet wurde, gedeiht jene Li-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[238/0252]
dieſen bald um jenen Baum geſchlungen geſehen, ei-
nige ſchoͤne Windenarten der ſuͤdlichen Welt, pflegen
ſich aber nur an gewiſſe Baͤume zu halten, und wer-
den ſonſt nirgends gefunden. Die hohen einſam ſtehen-
den Palmen, haben faſt ſtets einige Arten von Lilien
um ihren Stamm verſammlet, welche in der gemein-
ſchaftlichen Zeit der Bluͤthe an Duft und Farben-
pracht, mit dem bunten Bluͤthenſchaft der Palmen
wetteifern.
Ja eine ſolche Sympathie der Bluͤthen mit der
aͤußern Natur, geht oft noch viel weiter. Die Bewoh-
ner von Kamtſchatka, ein duͤrftiges verlaſſenes Volk,
haben faſt keine andre Nahrung, als die Fiſche, die ſie
an den langen Sommertagen aus den Fluͤſſen nehmen,
welche kaum den 4ten Theil des Jahres von Eiſe frey
ſind, und außer dieſem die Zwiebeln eines purpurro-
then Liliengewaͤchſes, das unter den wenigen Graͤſern
und Schneeblumen die einzige Zierde ihrer bemoſten
Thaͤler iſt. Steller der ſich nothgedrungen ziemlich
lange dort aufhalten mußte, fand aus eigner Erfah-
rung die Naturregel, welche allen Eingebohrnen be-
kannt iſt, beſtaͤtigt, daß naͤmlich gerade dann, wenn
die Jahre dem Fiſchfang unguͤnſtig ſind, und wenn
die Fluͤſſe ihrer gewoͤhnlichen Bewohner entbehren, je-
nes Zwiebelgewaͤchs in ganz vorzuͤglicher Menge
waͤchſt, und umgekehrt, wenn die Fluͤſſe reicher als
gewoͤhnlich an Fiſchen erſcheinen, und der Vorrath an
dieſen haͤufiger eingeſammlet wurde, gedeiht jene Li-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/252>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.