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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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gangen, welche in der Einrichtung ihres Gerippes dem
Faulthier gleichen, und deren einige von der Größe des
Nashorns, andre von der Größe des Pferdes, andre
noch kleiner waren. Wir sehen von allen diesen zahl-
reichen, und in Hinsicht ihres Baues einzigen Thier-
gattungen, in der ganzen Natur nichts Aehnliches mehr,
außer in dem Ai und Unau, und ein neuerer Natur-
forscher bemerkt mit Recht, daß diese unglückseelig-
sten und trägesten Thiere unter allen, darum mit dem
Angesicht und der Kraftlosigkeit der Greise gebohren
würden, weil ihr Geschlecht, ein trauriger und veral-
teter Ueberrest einer früheren Zeit, in die Reihe der jetzi-
gen Wesen nicht hineinpasse, und gleichsam unwillig,
wie Greise, denen unter den Zeitgenossen keine Gefähr-
ten und Zeugen ihrer Jugend mehr übrig geblieben, in
diese fremdartige Natur hineinsähe.

Merkwürdig ist es, daß alle, oder doch fast alle
Landthiere, deren Gerippe aus jener Zeit übrig geblie-
ben, Pflanzenfressende sind. Denn jene Gebeine von
Bären, die man in den Kalkhöhlen zu Gäylenreuth,
Scharzfeld und anderwärts gefunden hat, sind offen-
bar aus einer viel jüngeren Zeit, und wenn sie über-
haupt durch eine Fluth umkamen, so war dies eine
viel spätere, blos örtliche. Denn sie liegen weder
versteinert noch selbst zum Theil nur von dem herabsin-
ternden Wasser incrustirt, frey in den Höhlen, wohin
sich die Thiere vielleicht bey einer solchen örtlichen Fluth
wie die Cimbrische, gerettet hatten. Zwar hat man

gangen, welche in der Einrichtung ihres Gerippes dem
Faulthier gleichen, und deren einige von der Groͤße des
Nashorns, andre von der Groͤße des Pferdes, andre
noch kleiner waren. Wir ſehen von allen dieſen zahl-
reichen, und in Hinſicht ihres Baues einzigen Thier-
gattungen, in der ganzen Natur nichts Aehnliches mehr,
außer in dem Ai und Unau, und ein neuerer Natur-
forſcher bemerkt mit Recht, daß dieſe ungluͤckſeelig-
ſten und traͤgeſten Thiere unter allen, darum mit dem
Angeſicht und der Kraftloſigkeit der Greiſe gebohren
wuͤrden, weil ihr Geſchlecht, ein trauriger und veral-
teter Ueberreſt einer fruͤheren Zeit, in die Reihe der jetzi-
gen Weſen nicht hineinpaſſe, und gleichſam unwillig,
wie Greiſe, denen unter den Zeitgenoſſen keine Gefaͤhr-
ten und Zeugen ihrer Jugend mehr uͤbrig geblieben, in
dieſe fremdartige Natur hineinſaͤhe.

Merkwuͤrdig iſt es, daß alle, oder doch faſt alle
Landthiere, deren Gerippe aus jener Zeit uͤbrig geblie-
ben, Pflanzenfreſſende ſind. Denn jene Gebeine von
Baͤren, die man in den Kalkhoͤhlen zu Gaͤylenreuth,
Scharzfeld und anderwaͤrts gefunden hat, ſind offen-
bar aus einer viel juͤngeren Zeit, und wenn ſie uͤber-
haupt durch eine Fluth umkamen, ſo war dies eine
viel ſpaͤtere, blos oͤrtliche. Denn ſie liegen weder
verſteinert noch ſelbſt zum Theil nur von dem herabſin-
ternden Waſſer incruſtirt, frey in den Hoͤhlen, wohin
ſich die Thiere vielleicht bey einer ſolchen oͤrtlichen Fluth
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[218/0232] gangen, welche in der Einrichtung ihres Gerippes dem Faulthier gleichen, und deren einige von der Groͤße des Nashorns, andre von der Groͤße des Pferdes, andre noch kleiner waren. Wir ſehen von allen dieſen zahl- reichen, und in Hinſicht ihres Baues einzigen Thier- gattungen, in der ganzen Natur nichts Aehnliches mehr, außer in dem Ai und Unau, und ein neuerer Natur- forſcher bemerkt mit Recht, daß dieſe ungluͤckſeelig- ſten und traͤgeſten Thiere unter allen, darum mit dem Angeſicht und der Kraftloſigkeit der Greiſe gebohren wuͤrden, weil ihr Geſchlecht, ein trauriger und veral- teter Ueberreſt einer fruͤheren Zeit, in die Reihe der jetzi- gen Weſen nicht hineinpaſſe, und gleichſam unwillig, wie Greiſe, denen unter den Zeitgenoſſen keine Gefaͤhr- ten und Zeugen ihrer Jugend mehr uͤbrig geblieben, in dieſe fremdartige Natur hineinſaͤhe. Merkwuͤrdig iſt es, daß alle, oder doch faſt alle Landthiere, deren Gerippe aus jener Zeit uͤbrig geblie- ben, Pflanzenfreſſende ſind. Denn jene Gebeine von Baͤren, die man in den Kalkhoͤhlen zu Gaͤylenreuth, Scharzfeld und anderwaͤrts gefunden hat, ſind offen- bar aus einer viel juͤngeren Zeit, und wenn ſie uͤber- haupt durch eine Fluth umkamen, ſo war dies eine viel ſpaͤtere, blos oͤrtliche. Denn ſie liegen weder verſteinert noch ſelbſt zum Theil nur von dem herabſin- ternden Waſſer incruſtirt, frey in den Hoͤhlen, wohin ſich die Thiere vielleicht bey einer ſolchen oͤrtlichen Fluth wie die Cimbriſche, gerettet hatten. Zwar hat man

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/232>, abgerufen am 28.04.2024.