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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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dieses in den spätern Zeiten durchaus gewesen, wenn
auch noch einige Spuren eines edleren Ursprungs und
einer früheren Verwandschaft mit der besseren Vorwelt
in ihnen gefunden werden, wohin vielleicht die An-
fangs unwillkührliche, aus der Natur der Sache selber
hervorgehende metrische Form der Orakel, und die
Einrichtung einiger der ältesten Orakel deutet, obgleich
auch die metrische Form später blos willkührlich, als
eine einmal hergebrachte Gewohnheit beybehalten
scheint.

Aber auch diese Aussprüche der Orakel selber be-
stätigen jene Ansicht, indem in ihnen die Zukunft trü-
be, und in einem zweydeutigen Lichte, gleich den
Phantasien im Traume erscheint. Noch mehr bestä-
tigt sie die Weise wie jener Zustand der Begeistrung
der Priester, in welchem sie das Zukünftige voraussag-
ten, bey den meisten Orakeln hervorgerufen wurde.
Es geschahe dieses nämlich sehr häufig durch gewaltsa-
me Mittel.

Am reinsten, und der Natur der alten Zeit noch
am meisten verwandt, war in dieser Hinsicht noch das
Orakel zu Dodona, in seiner ersten und ursprünglichen
Gestalt, wovon ich schon weiter oben geredet habe.
Bey andren Orakeln wurden die Aussprüche in einem
Zustand des künstlichen Wahnsinns gegeben, der nach
dem Zeugniß der Alten bald durch Dämpfe, welche ge-
wissen Oeffnungen der Erde entstiegen, bald durch be-

dieſes in den ſpaͤtern Zeiten durchaus geweſen, wenn
auch noch einige Spuren eines edleren Urſprungs und
einer fruͤheren Verwandſchaft mit der beſſeren Vorwelt
in ihnen gefunden werden, wohin vielleicht die An-
fangs unwillkuͤhrliche, aus der Natur der Sache ſelber
hervorgehende metriſche Form der Orakel, und die
Einrichtung einiger der aͤlteſten Orakel deutet, obgleich
auch die metriſche Form ſpaͤter blos willkuͤhrlich, als
eine einmal hergebrachte Gewohnheit beybehalten
ſcheint.

Aber auch dieſe Ausſpruͤche der Orakel ſelber be-
ſtaͤtigen jene Anſicht, indem in ihnen die Zukunft truͤ-
be, und in einem zweydeutigen Lichte, gleich den
Phantaſien im Traume erſcheint. Noch mehr beſtaͤ-
tigt ſie die Weiſe wie jener Zuſtand der Begeiſtrung
der Prieſter, in welchem ſie das Zukuͤnftige vorausſag-
ten, bey den meiſten Orakeln hervorgerufen wurde.
Es geſchahe dieſes naͤmlich ſehr haͤufig durch gewaltſa-
me Mittel.

Am reinſten, und der Natur der alten Zeit noch
am meiſten verwandt, war in dieſer Hinſicht noch das
Orakel zu Dodona, in ſeiner erſten und urſpruͤnglichen
Geſtalt, wovon ich ſchon weiter oben geredet habe.
Bey andren Orakeln wurden die Ausſpruͤche in einem
Zuſtand des kuͤnſtlichen Wahnſinns gegeben, der nach
dem Zeugniß der Alten bald durch Daͤmpfe, welche ge-
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[96/0110] dieſes in den ſpaͤtern Zeiten durchaus geweſen, wenn auch noch einige Spuren eines edleren Urſprungs und einer fruͤheren Verwandſchaft mit der beſſeren Vorwelt in ihnen gefunden werden, wohin vielleicht die An- fangs unwillkuͤhrliche, aus der Natur der Sache ſelber hervorgehende metriſche Form der Orakel, und die Einrichtung einiger der aͤlteſten Orakel deutet, obgleich auch die metriſche Form ſpaͤter blos willkuͤhrlich, als eine einmal hergebrachte Gewohnheit beybehalten ſcheint. Aber auch dieſe Ausſpruͤche der Orakel ſelber be- ſtaͤtigen jene Anſicht, indem in ihnen die Zukunft truͤ- be, und in einem zweydeutigen Lichte, gleich den Phantaſien im Traume erſcheint. Noch mehr beſtaͤ- tigt ſie die Weiſe wie jener Zuſtand der Begeiſtrung der Prieſter, in welchem ſie das Zukuͤnftige vorausſag- ten, bey den meiſten Orakeln hervorgerufen wurde. Es geſchahe dieſes naͤmlich ſehr haͤufig durch gewaltſa- me Mittel. Am reinſten, und der Natur der alten Zeit noch am meiſten verwandt, war in dieſer Hinſicht noch das Orakel zu Dodona, in ſeiner erſten und urſpruͤnglichen Geſtalt, wovon ich ſchon weiter oben geredet habe. Bey andren Orakeln wurden die Ausſpruͤche in einem Zuſtand des kuͤnſtlichen Wahnſinns gegeben, der nach dem Zeugniß der Alten bald durch Daͤmpfe, welche ge- wiſſen Oeffnungen der Erde entſtiegen, bald durch be-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/110>, abgerufen am 23.11.2024.