Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritte Vorlesung.
Wertgemeinschaft) bestehn wird, indem es eine solche Beziehung vielmehr
statuirt zwischen jenem ersten Ausdrucke und diesem: a ; b j c, der sich
durch Unterdrückung der Klammer aus ihm ergibt -- wenn man will auch:
durch Abänderung der Klammerstellung, Verschiebung der Klammer, indem
nach § 5 dieser letztre Ausdruck nichts andres wie (a ; b) j c bedeutet.

Dass in der That zwischen relativer Multiplikation und Addition
ein distributiver Zusammenhang allgemein nicht besteht, würde sich
mittelst Exemplifikation auf das Gegenteil unschwer beweisen lassen.

Wollten wir uns aber damit befassen von allen erdenklichen Sätzen,
denen in unsrer Disziplin allgemeine Geltung nicht zukommt, auch dieses
nachzuweisen, so würden wir allzusehr belastet und unser ohnehin volu-
minöses Buch übermächtig anschwellen. Wir haben schon genug damit
zu thun für alle in unsrer Theorie positiv hingestellten Behauptungen
die erforderlichen Beweise zu erbringen. Und die Pflicht der Beweisfüh-
rung, das onus probandi, bliebe auf seite Desjenigen, der einen hier nicht
aufgenommenen Satz anwenden wollte. Die eingehende Beschäftigung
mit der Disziplin von seiten des Herrn Peirce und von mir gibt
eine gewisse Bürgschaft dafür, dass einfachre Sätze, falls sie allgemein
Geltung hätten, hier schwerlich übersehen sein würden. Wer den auf-
geführten Sätzen neue hinzufügen will, sei hiermit herausgefordert. Ge-
lingt das, so wird eine Bereicherung der Theorie zu verzeichnen sein.
(Bei den Umkehrproblemen liefre ich selbst noch Einiges hinzu).

Verbal interpretirt besagt der erste Satz 7) z. B.: der Liebende eines
"Wohlthäters von allen ausser Dienenden" ist immer "Liebender eines Wohl-
thäters
" von allen ausser Dienenden, d. h. steht zu allen ausser Dienenden
in der Beziehung des Liebenden eines Wohlthäters von ihnen.

Wenn man den Worttext (in seiner ersten Fassung) liest, so möchte
man wohl meinen, dass der Satz auch umgekehrt gelten müsse, dass näm-
lich die durch die Kopula "ist" verbundnen beiden Kategorieen von Per-
sonen in eine Kategorie zusammenfielen. Dieses ist, wie wir noch genauer
sehen werden, nun keineswegs der Fall: unser Satz darf nicht umgekehrt
werden. Und es ist sehr bemerkenswert, dass die "rhetorische Evidenz" --
im Grunde (nur) weil die Wortsprache des Hülfsmittels (oder zur exakten
Behandlung so unentbehrlichen Bezeichnungskapitals) der Klammern ent-
behrt -- hier leichtlich irreführt, wonicht geradezu dazu verleitet einen
Fehlschluss zu begehen.

Ähnlich besagt der zweite Satz 7): Wer zu irgend einem Dienenden
in der Beziehung steht eines Liebenden von allen ausser dessen Wohl-
thätern, der ist ein Liebender von allen ausser Wohlthätern von Dienenden.

Vor Fehlschlüssen gewährt hier jedenfalls der Kalkul Rettung, und so
kann ich nur raten, dass der Leser sich die einfachen Formeln 7) so wie
sie eben sind einpräge.

Was nun die Beweise der Formeln betrifft, so muss ich den Leser
schon darum bitten, sich noch ein wenig zu gedulden bis zur Er-

Dritte Vorlesung.
Wertgemeinschaft) bestehn wird, indem es eine solche Beziehung vielmehr
statuirt zwischen jenem ersten Ausdrucke und diesem: a ; b ɟ c, der sich
durch Unterdrückung der Klammer aus ihm ergibt — wenn man will auch:
durch Abänderung der Klammerstellung, Verschiebung der Klammer, indem
nach § 5 dieser letztre Ausdruck nichts andres wie (a ; b) ɟ c bedeutet.

Dass in der That zwischen relativer Multiplikation und Addition
ein distributiver Zusammenhang allgemein nicht besteht, würde sich
mittelst Exemplifikation auf das Gegenteil unschwer beweisen lassen.

Wollten wir uns aber damit befassen von allen erdenklichen Sätzen,
denen in unsrer Disziplin allgemeine Geltung nicht zukommt, auch dieses
nachzuweisen, so würden wir allzusehr belastet und unser ohnehin volu-
minöses Buch übermächtig anschwellen. Wir haben schon genug damit
zu thun für alle in unsrer Theorie positiv hingestellten Behauptungen
die erforderlichen Beweise zu erbringen. Und die Pflicht der Beweisfüh-
rung, das onus probandi, bliebe auf seite Desjenigen, der einen hier nicht
aufgenommenen Satz anwenden wollte. Die eingehende Beschäftigung
mit der Disziplin von seiten des Herrn Peirce und von mir gibt
eine gewisse Bürgschaft dafür, dass einfachre Sätze, falls sie allgemein
Geltung hätten, hier schwerlich übersehen sein würden. Wer den auf-
geführten Sätzen neue hinzufügen will, sei hiermit herausgefordert. Ge-
lingt das, so wird eine Bereicherung der Theorie zu verzeichnen sein.
(Bei den Umkehrproblemen liefre ich selbst noch Einiges hinzu).

Verbal interpretirt besagt der erste Satz 7) z. B.: der Liebende eines
Wohlthäters von allen ausser Dienenden“ ist immer „Liebender eines Wohl-
thäters
“ von allen ausser Dienenden, d. h. steht zu allen ausser Dienenden
in der Beziehung des Liebenden eines Wohlthäters von ihnen.

Wenn man den Worttext (in seiner ersten Fassung) liest, so möchte
man wohl meinen, dass der Satz auch umgekehrt gelten müsse, dass näm-
lich die durch die Kopula „ist“ verbundnen beiden Kategorieen von Per-
sonen in eine Kategorie zusammenfielen. Dieses ist, wie wir noch genauer
sehen werden, nun keineswegs der Fall: unser Satz darf nicht umgekehrt
werden. Und es ist sehr bemerkenswert, dass die „rhetorische Evidenz“ —
im Grunde (nur) weil die Wortsprache des Hülfsmittels (oder zur exakten
Behandlung so unentbehrlichen Bezeichnungskapitals) der Klammern ent-
behrt — hier leichtlich irreführt, wonicht geradezu dazu verleitet einen
Fehlschluss zu begehen.

Ähnlich besagt der zweite Satz 7): Wer zu irgend einem Dienenden
in der Beziehung steht eines Liebenden von allen ausser dessen Wohl-
thätern, der ist ein Liebender von allen ausser Wohlthätern von Dienenden.

Vor Fehlschlüssen gewährt hier jedenfalls der Kalkul Rettung, und so
kann ich nur raten, dass der Leser sich die einfachen Formeln 7) so wie
sie eben sind einpräge.

Was nun die Beweise der Formeln betrifft, so muss ich den Leser
schon darum bitten, sich noch ein wenig zu gedulden bis zur Er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="82"/><fw place="top" type="header">Dritte Vorlesung.</fw><lb/>
Wertgemeinschaft) bestehn wird, indem es eine solche Beziehung vielmehr<lb/>
statuirt zwischen jenem ersten Ausdrucke und diesem: <hi rendition="#i">a</hi> ; <hi rendition="#i">b</hi> &#x025F; <hi rendition="#i">c</hi>, der sich<lb/>
durch Unterdrückung der Klammer aus ihm ergibt &#x2014; wenn man will auch:<lb/>
durch Abänderung der Klammerstellung, <hi rendition="#i">Verschiebung</hi> der Klammer, indem<lb/>
nach § 5 dieser letztre Ausdruck nichts andres wie (<hi rendition="#i">a</hi> ; <hi rendition="#i">b</hi>) &#x025F; <hi rendition="#i">c</hi> bedeutet.</p><lb/>
          <p>Dass in der That zwischen relativer Multiplikation und Addition<lb/>
ein distributiver Zusammenhang allgemein <hi rendition="#i">nicht</hi> besteht, würde sich<lb/>
mittelst Exemplifikation auf das Gegenteil unschwer beweisen lassen.</p><lb/>
          <p>Wollten wir uns aber damit befassen von allen erdenklichen Sätzen,<lb/>
denen in unsrer Disziplin allgemeine Geltung <hi rendition="#i">nicht</hi> zukommt, auch dieses<lb/>
nachzuweisen, so würden wir allzusehr belastet und unser ohnehin volu-<lb/>
minöses Buch übermächtig anschwellen. Wir haben schon genug damit<lb/>
zu thun für alle in unsrer Theorie positiv hingestellten Behauptungen<lb/>
die erforderlichen Beweise zu erbringen. Und die Pflicht der Beweisfüh-<lb/>
rung, das onus probandi, bliebe auf seite Desjenigen, der einen hier nicht<lb/>
aufgenommenen Satz anwenden wollte. Die eingehende Beschäftigung<lb/>
mit der Disziplin von seiten des Herrn <hi rendition="#g">Peirce</hi> und von mir gibt<lb/>
eine gewisse Bürgschaft dafür, dass einfachre Sätze, falls sie allgemein<lb/>
Geltung hätten, hier schwerlich übersehen sein würden. Wer den auf-<lb/>
geführten Sätzen neue hinzufügen will, sei hiermit herausgefordert. Ge-<lb/>
lingt das, so wird eine Bereicherung der Theorie zu verzeichnen sein.<lb/>
(Bei den Umkehrproblemen liefre ich selbst noch Einiges hinzu).</p><lb/>
          <p>Verbal interpretirt besagt der erste Satz 7) z. B.: der Liebende eines<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i">Wohlthäters von allen ausser Dienenden</hi>&#x201C; ist immer &#x201E;<hi rendition="#i">Liebender eines Wohl-<lb/>
thäters</hi>&#x201C; von allen ausser Dienenden, d. h. steht zu allen ausser Dienenden<lb/>
in der Beziehung des Liebenden eines Wohlthäters von ihnen.</p><lb/>
          <p>Wenn man den Worttext (in seiner ersten Fassung) liest, so möchte<lb/>
man wohl meinen, dass der Satz auch umgekehrt gelten müsse, dass näm-<lb/>
lich die durch die Kopula &#x201E;ist&#x201C; verbundnen beiden Kategorieen von Per-<lb/>
sonen in <hi rendition="#i">eine</hi> Kategorie zusammenfielen. Dieses ist, wie wir noch genauer<lb/>
sehen werden, nun keineswegs der Fall: unser Satz darf <hi rendition="#i">nicht</hi> umgekehrt<lb/>
werden. Und es ist sehr bemerkenswert, dass die &#x201E;rhetorische Evidenz&#x201C; &#x2014;<lb/>
im Grunde (nur) weil die Wortsprache des Hülfsmittels (oder zur exakten<lb/>
Behandlung so unentbehrlichen Bezeichnungskapitals) der Klammern ent-<lb/>
behrt &#x2014; hier leichtlich irreführt, wonicht geradezu dazu verleitet einen<lb/>
Fehlschluss zu begehen.</p><lb/>
          <p>Ähnlich besagt der zweite Satz 7): Wer zu irgend einem Dienenden<lb/>
in der Beziehung steht eines Liebenden von allen ausser dessen Wohl-<lb/>
thätern, der ist ein Liebender von allen ausser Wohlthätern von Dienenden.</p><lb/>
          <p>Vor Fehlschlüssen gewährt hier jedenfalls der <hi rendition="#i">Kalkul</hi> Rettung, und so<lb/>
kann ich nur raten, dass der Leser sich die einfachen Formeln 7) so wie<lb/>
sie eben sind einpräge.</p><lb/>
          <p>Was nun die <hi rendition="#i">Beweise</hi> der Formeln betrifft, so muss ich den Leser<lb/>
schon darum bitten, sich noch ein wenig zu gedulden bis zur Er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0096] Dritte Vorlesung. Wertgemeinschaft) bestehn wird, indem es eine solche Beziehung vielmehr statuirt zwischen jenem ersten Ausdrucke und diesem: a ; b ɟ c, der sich durch Unterdrückung der Klammer aus ihm ergibt — wenn man will auch: durch Abänderung der Klammerstellung, Verschiebung der Klammer, indem nach § 5 dieser letztre Ausdruck nichts andres wie (a ; b) ɟ c bedeutet. Dass in der That zwischen relativer Multiplikation und Addition ein distributiver Zusammenhang allgemein nicht besteht, würde sich mittelst Exemplifikation auf das Gegenteil unschwer beweisen lassen. Wollten wir uns aber damit befassen von allen erdenklichen Sätzen, denen in unsrer Disziplin allgemeine Geltung nicht zukommt, auch dieses nachzuweisen, so würden wir allzusehr belastet und unser ohnehin volu- minöses Buch übermächtig anschwellen. Wir haben schon genug damit zu thun für alle in unsrer Theorie positiv hingestellten Behauptungen die erforderlichen Beweise zu erbringen. Und die Pflicht der Beweisfüh- rung, das onus probandi, bliebe auf seite Desjenigen, der einen hier nicht aufgenommenen Satz anwenden wollte. Die eingehende Beschäftigung mit der Disziplin von seiten des Herrn Peirce und von mir gibt eine gewisse Bürgschaft dafür, dass einfachre Sätze, falls sie allgemein Geltung hätten, hier schwerlich übersehen sein würden. Wer den auf- geführten Sätzen neue hinzufügen will, sei hiermit herausgefordert. Ge- lingt das, so wird eine Bereicherung der Theorie zu verzeichnen sein. (Bei den Umkehrproblemen liefre ich selbst noch Einiges hinzu). Verbal interpretirt besagt der erste Satz 7) z. B.: der Liebende eines „Wohlthäters von allen ausser Dienenden“ ist immer „Liebender eines Wohl- thäters“ von allen ausser Dienenden, d. h. steht zu allen ausser Dienenden in der Beziehung des Liebenden eines Wohlthäters von ihnen. Wenn man den Worttext (in seiner ersten Fassung) liest, so möchte man wohl meinen, dass der Satz auch umgekehrt gelten müsse, dass näm- lich die durch die Kopula „ist“ verbundnen beiden Kategorieen von Per- sonen in eine Kategorie zusammenfielen. Dieses ist, wie wir noch genauer sehen werden, nun keineswegs der Fall: unser Satz darf nicht umgekehrt werden. Und es ist sehr bemerkenswert, dass die „rhetorische Evidenz“ — im Grunde (nur) weil die Wortsprache des Hülfsmittels (oder zur exakten Behandlung so unentbehrlichen Bezeichnungskapitals) der Klammern ent- behrt — hier leichtlich irreführt, wonicht geradezu dazu verleitet einen Fehlschluss zu begehen. Ähnlich besagt der zweite Satz 7): Wer zu irgend einem Dienenden in der Beziehung steht eines Liebenden von allen ausser dessen Wohl- thätern, der ist ein Liebender von allen ausser Wohlthätern von Dienenden. Vor Fehlschlüssen gewährt hier jedenfalls der Kalkul Rettung, und so kann ich nur raten, dass der Leser sich die einfachen Formeln 7) so wie sie eben sind einpräge. Was nun die Beweise der Formeln betrifft, so muss ich den Leser schon darum bitten, sich noch ein wenig zu gedulden bis zur Er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/96
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/96>, abgerufen am 26.11.2024.