Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 30. Gemeinschaftlichkeit unsres Denkbereichs mit dem der Mathematik.
auf welche auch der Begriff der mathematischen Funktionen sich gründet:
die Substitutionen- und die Funktionenlehre werden sich fortan auf den
nämlichen Denkbereich
, den Denkbereich der Zahlen beziehen.

Denn auch der Begriff der Funktion wird in der Mathematik blos inner-
halb des Zahlenreiches erklärt; wir haben es daselbst immer nur zu thun
mit Zahlen in ihrer Abhängigkeit von andern (als veränderlich gedachten)
Zahlen -- den sogenannten "Argumenten" der "Funktion". Und die Anzahl
ihrer Argumente bildet den obersten Einteilungsgrund für die Funktionen
(deren man solche von 1, 2, 3, .. und mehr Argumenten zu unter-
scheiden hat).

Die Zahlen können ja irgendwelche, z. B. die "gemeinen komplexen"
Zahlen sein, und sie brauchen für die Triftigkeit dessen, was wir wesent-
lich zu sagen haben werden, durchaus nicht etwa als "reelle" Zahlen vor-
ausgesetzt zu werden. Blos im Hinblick aber auf die leichtere geometrische
Veranschaulichung und um gewisse Weiterungen, Umständlichkeiten und
Weitläufigkeiten bei den Erörterungen zu sparen resp. zu umgehen, wollen
wir uns hier auf die Besprechung des Falles reeller Funktionen von reellen
Argumenten beschränken.

Unser Denkbereich 11 ist dann also das Gebiet der reellen Zahlen und
kann ein "linearer" genannt werden, insofern sich die reellen Zahlen be-
kanntermassen den Punkten einer Geraden, der "Zahlenlinie", gegenseitig
eindeutig zuordnen lassen, also dass die Punkte dieser Geraden durch jene
Zahlen gleichsam "numerirt" werden und jeder Punkt dieser Linie oder
x-Axe als "Träger" einer ganz bestimmten reellen Zahl erscheint.

Darnach muss denn weiter gesagt werden: dass es nur die mathe-
matischen Funktionen eines Argumentes sind, deren Begriff sich mit
dem Begriffe der hier als binäre Relative erklärten Funktionen deckt.
Mathematische Funktionen von zwei oder mehr Argumenten fallen
ebenso unter die Algebra der ternären oder Relative höherer Ordnung,
werden sich ganz analog als Relative in diesen Disziplinen darstellen
lassen, und wer von jenen Begriffen die Identität einmal richtig erfasst
hat, wird auch die Koinzidenz von diesen sofort intuitiv erkennen.

Es soll also nur mehr von einer mathematischen "Funktion von einem
Argumente": y = f(x), die Rede sein. Dieselbe werde auch sogleich in
einem rechtwinkligen Koordinatensysteme (mit nach rechts gehender posi-
tiver x-Axe und nach unten gehender positiver y-Axe) in bekannter Weise
graphisch dargestellt gedacht durch die (durch "ihre") sogenannte "Funktions-
kurve
".

Diese Figur lässt sich nach S. 53 als die Matrix eines durch sie
völlig bestimmten binären Relativs auffassen, welches a heissen möge.

Das Wort "Funktion" (auch dann, wenn immer nur eine solche von
einem Argumente gemeint ist) wird in der Mathematik doch noch in mehr
oder minder weitem Sinne gebraucht. Dort wird auch von Funktionen ge-
sprochen, die überhaupt nur für ein gewisses Intervall von Werten des
Argumentes x als solche Erklärung gefunden haben oder "explizirt" sind,
von Funktionen, die blos innerhalb gewisser Grenzen den eigentlichen

§ 30. Gemeinschaftlichkeit unsres Denkbereichs mit dem der Mathematik.
auf welche auch der Begriff der mathematischen Funktionen sich gründet:
die Substitutionen- und die Funktionenlehre werden sich fortan auf den
nämlichen Denkbereich
, den Denkbereich der Zahlen beziehen.

Denn auch der Begriff der Funktion wird in der Mathematik blos inner-
halb des Zahlenreiches erklärt; wir haben es daselbst immer nur zu thun
mit Zahlen in ihrer Abhängigkeit von andern (als veränderlich gedachten)
Zahlen — den sogenannten „Argumenten“ der „Funktion“. Und die Anzahl
ihrer Argumente bildet den obersten Einteilungsgrund für die Funktionen
(deren man solche von 1, 2, 3, ‥ und mehr Argumenten zu unter-
scheiden hat).

Die Zahlen können ja irgendwelche, z. B. die „gemeinen komplexen“
Zahlen sein, und sie brauchen für die Triftigkeit dessen, was wir wesent-
lich zu sagen haben werden, durchaus nicht etwa als „reelle“ Zahlen vor-
ausgesetzt zu werden. Blos im Hinblick aber auf die leichtere geometrische
Veranschaulichung und um gewisse Weiterungen, Umständlichkeiten und
Weitläufigkeiten bei den Erörterungen zu sparen resp. zu umgehen, wollen
wir uns hier auf die Besprechung des Falles reeller Funktionen von reellen
Argumenten beschränken.

Unser Denkbereich 11 ist dann also das Gebiet der reellen Zahlen und
kann ein „linearer“ genannt werden, insofern sich die reellen Zahlen be-
kanntermassen den Punkten einer Geraden, der „Zahlenlinie“, gegenseitig
eindeutig zuordnen lassen, also dass die Punkte dieser Geraden durch jene
Zahlen gleichsam „numerirt“ werden und jeder Punkt dieser Linie oder
x-Axe als „Träger“ einer ganz bestimmten reellen Zahl erscheint.

Darnach muss denn weiter gesagt werden: dass es nur die mathe-
matischen Funktionen eines Argumentes sind, deren Begriff sich mit
dem Begriffe der hier als binäre Relative erklärten Funktionen deckt.
Mathematische Funktionen von zwei oder mehr Argumenten fallen
ebenso unter die Algebra der ternären oder Relative höherer Ordnung,
werden sich ganz analog als Relative in diesen Disziplinen darstellen
lassen, und wer von jenen Begriffen die Identität einmal richtig erfasst
hat, wird auch die Koinzidenz von diesen sofort intuitiv erkennen.

Es soll also nur mehr von einer mathematischen „Funktion von einem
Argumente“: y = f(x), die Rede sein. Dieselbe werde auch sogleich in
einem rechtwinkligen Koordinatensysteme (mit nach rechts gehender posi-
tiver x-Axe und nach unten gehender positiver y-Axe) in bekannter Weise
graphisch dargestellt gedacht durch die (durch „ihre“) sogenannte „Funktions-
kurve
“.

Diese Figur lässt sich nach S. 53 als die Matrix eines durch sie
völlig bestimmten binären Relativs auffassen, welches a heissen möge.

Das Wort „Funktion“ (auch dann, wenn immer nur eine solche von
einem Argumente gemeint ist) wird in der Mathematik doch noch in mehr
oder minder weitem Sinne gebraucht. Dort wird auch von Funktionen ge-
sprochen, die überhaupt nur für ein gewisses Intervall von Werten des
Argumentes x als solche Erklärung gefunden haben oder „explizirt“ sind,
von Funktionen, die blos innerhalb gewisser Grenzen den eigentlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0585" n="571"/><fw place="top" type="header">§ 30. Gemeinschaftlichkeit unsres Denkbereichs mit dem der Mathematik.</fw><lb/>
auf welche auch der Begriff der mathematischen Funktionen sich gründet:<lb/>
die Substitutionen- und die Funktionenlehre werden sich fortan <hi rendition="#i">auf den<lb/>
nämlichen Denkbereich</hi>, den Denkbereich der <hi rendition="#i">Zahlen</hi> beziehen.</p><lb/>
          <p>Denn auch der Begriff der <hi rendition="#i">Funktion</hi> wird <hi rendition="#i">in der Mathematik</hi> blos inner-<lb/>
halb des Zahlenreiches erklärt; wir haben es daselbst immer nur zu thun<lb/>
mit Zahlen in ihrer Abhängigkeit von andern (als veränderlich gedachten)<lb/>
Zahlen &#x2014; den sogenannten &#x201E;Argumenten&#x201C; der &#x201E;Funktion&#x201C;. Und die Anzahl<lb/>
ihrer Argumente bildet den obersten Einteilungsgrund für die Funktionen<lb/>
(deren man solche von 1, 2, 3, &#x2025; und mehr Argumenten zu unter-<lb/>
scheiden hat).</p><lb/>
          <p>Die Zahlen können ja irgendwelche, z. B. die &#x201E;gemeinen komplexen&#x201C;<lb/>
Zahlen sein, und sie brauchen für die Triftigkeit dessen, was wir wesent-<lb/>
lich zu sagen haben werden, durchaus nicht etwa als &#x201E;reelle&#x201C; Zahlen vor-<lb/>
ausgesetzt zu werden. Blos im Hinblick aber auf die leichtere geometrische<lb/>
Veranschaulichung und um gewisse Weiterungen, Umständlichkeiten und<lb/>
Weitläufigkeiten bei den Erörterungen zu sparen resp. zu umgehen, wollen<lb/>
wir uns hier auf die Besprechung des Falles reeller Funktionen von reellen<lb/>
Argumenten beschränken.</p><lb/>
          <p>Unser Denkbereich 1<hi rendition="#sup">1</hi> ist dann also das Gebiet der <hi rendition="#i">reellen</hi> Zahlen und<lb/>
kann ein &#x201E;<hi rendition="#i">linearer</hi>&#x201C; genannt werden, insofern sich die reellen Zahlen be-<lb/>
kanntermassen den Punkten einer Geraden, der &#x201E;Zahlenlinie&#x201C;, gegenseitig<lb/>
eindeutig zuordnen lassen, also dass die Punkte dieser Geraden durch jene<lb/>
Zahlen gleichsam &#x201E;numerirt&#x201C; werden und jeder Punkt dieser Linie oder<lb/><hi rendition="#i">x</hi>-Axe als &#x201E;Träger&#x201C; einer ganz bestimmten reellen Zahl erscheint.</p><lb/>
          <p>Darnach muss denn weiter gesagt werden: dass es nur die mathe-<lb/>
matischen Funktionen <hi rendition="#i">eines</hi> Argumentes sind, deren Begriff sich mit<lb/>
dem Begriffe der hier als <hi rendition="#i">binäre</hi> Relative erklärten Funktionen deckt.<lb/>
Mathematische Funktionen von <hi rendition="#i">zwei</hi> oder <hi rendition="#i">mehr</hi> Argumenten fallen<lb/>
ebenso unter die Algebra der <hi rendition="#i">ternären</hi> oder Relative <hi rendition="#i">höherer Ordnung</hi>,<lb/>
werden sich ganz analog <hi rendition="#i">als Relative</hi> in diesen Disziplinen darstellen<lb/>
lassen, und wer von <hi rendition="#i">jenen</hi> Begriffen die Identität einmal richtig erfasst<lb/>
hat, wird auch die Koinzidenz von <hi rendition="#i">diesen</hi> sofort intuitiv erkennen.</p><lb/>
          <p>Es soll also nur mehr von einer mathematischen &#x201E;Funktion <hi rendition="#i">von einem</hi><lb/>
Argumente&#x201C;: <hi rendition="#i">y</hi> = <hi rendition="#i">f</hi>(<hi rendition="#i">x</hi>), die Rede sein. Dieselbe werde auch sogleich in<lb/>
einem rechtwinkligen Koordinatensysteme (mit nach rechts gehender posi-<lb/>
tiver <hi rendition="#i">x</hi>-Axe und <hi rendition="#i">nach unten</hi> gehender positiver <hi rendition="#i">y</hi>-Axe) in bekannter Weise<lb/>
graphisch dargestellt gedacht durch die (durch &#x201E;ihre&#x201C;) sogenannte &#x201E;<hi rendition="#i">Funktions-<lb/>
kurve</hi>&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Diese Figur lässt sich nach S. 53 als die <hi rendition="#i">Matrix</hi> eines durch sie<lb/>
völlig bestimmten <hi rendition="#i">binären Relativs</hi> auffassen, welches <hi rendition="#i">a</hi> heissen möge.</p><lb/>
          <p>Das Wort &#x201E;Funktion&#x201C; (auch dann, wenn immer nur eine solche von<lb/><hi rendition="#i">einem</hi> Argumente gemeint ist) wird in der Mathematik doch noch in mehr<lb/>
oder minder weitem Sinne gebraucht. Dort wird auch von Funktionen ge-<lb/>
sprochen, die überhaupt nur für ein gewisses Intervall von Werten des<lb/>
Argumentes <hi rendition="#i">x</hi> als solche Erklärung gefunden haben oder &#x201E;explizirt&#x201C; sind,<lb/>
von Funktionen, die blos innerhalb gewisser Grenzen den eigentlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[571/0585] § 30. Gemeinschaftlichkeit unsres Denkbereichs mit dem der Mathematik. auf welche auch der Begriff der mathematischen Funktionen sich gründet: die Substitutionen- und die Funktionenlehre werden sich fortan auf den nämlichen Denkbereich, den Denkbereich der Zahlen beziehen. Denn auch der Begriff der Funktion wird in der Mathematik blos inner- halb des Zahlenreiches erklärt; wir haben es daselbst immer nur zu thun mit Zahlen in ihrer Abhängigkeit von andern (als veränderlich gedachten) Zahlen — den sogenannten „Argumenten“ der „Funktion“. Und die Anzahl ihrer Argumente bildet den obersten Einteilungsgrund für die Funktionen (deren man solche von 1, 2, 3, ‥ und mehr Argumenten zu unter- scheiden hat). Die Zahlen können ja irgendwelche, z. B. die „gemeinen komplexen“ Zahlen sein, und sie brauchen für die Triftigkeit dessen, was wir wesent- lich zu sagen haben werden, durchaus nicht etwa als „reelle“ Zahlen vor- ausgesetzt zu werden. Blos im Hinblick aber auf die leichtere geometrische Veranschaulichung und um gewisse Weiterungen, Umständlichkeiten und Weitläufigkeiten bei den Erörterungen zu sparen resp. zu umgehen, wollen wir uns hier auf die Besprechung des Falles reeller Funktionen von reellen Argumenten beschränken. Unser Denkbereich 11 ist dann also das Gebiet der reellen Zahlen und kann ein „linearer“ genannt werden, insofern sich die reellen Zahlen be- kanntermassen den Punkten einer Geraden, der „Zahlenlinie“, gegenseitig eindeutig zuordnen lassen, also dass die Punkte dieser Geraden durch jene Zahlen gleichsam „numerirt“ werden und jeder Punkt dieser Linie oder x-Axe als „Träger“ einer ganz bestimmten reellen Zahl erscheint. Darnach muss denn weiter gesagt werden: dass es nur die mathe- matischen Funktionen eines Argumentes sind, deren Begriff sich mit dem Begriffe der hier als binäre Relative erklärten Funktionen deckt. Mathematische Funktionen von zwei oder mehr Argumenten fallen ebenso unter die Algebra der ternären oder Relative höherer Ordnung, werden sich ganz analog als Relative in diesen Disziplinen darstellen lassen, und wer von jenen Begriffen die Identität einmal richtig erfasst hat, wird auch die Koinzidenz von diesen sofort intuitiv erkennen. Es soll also nur mehr von einer mathematischen „Funktion von einem Argumente“: y = f(x), die Rede sein. Dieselbe werde auch sogleich in einem rechtwinkligen Koordinatensysteme (mit nach rechts gehender posi- tiver x-Axe und nach unten gehender positiver y-Axe) in bekannter Weise graphisch dargestellt gedacht durch die (durch „ihre“) sogenannte „Funktions- kurve“. Diese Figur lässt sich nach S. 53 als die Matrix eines durch sie völlig bestimmten binären Relativs auffassen, welches a heissen möge. Das Wort „Funktion“ (auch dann, wenn immer nur eine solche von einem Argumente gemeint ist) wird in der Mathematik doch noch in mehr oder minder weitem Sinne gebraucht. Dort wird auch von Funktionen ge- sprochen, die überhaupt nur für ein gewisses Intervall von Werten des Argumentes x als solche Erklärung gefunden haben oder „explizirt“ sind, von Funktionen, die blos innerhalb gewisser Grenzen den eigentlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/585
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/585>, abgerufen am 17.05.2024.