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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Fünfte Vorlesung.

Handelt es sich z. B. um die Auflösung der Gleichung x ; b = a, so
wird (siehe übernächste Vorlesung) die Resultante fordern, dass a selber
von der Form c ; b sei und damit wird von vornherein eine Partikular-
lösung x = c(= a j bn) bekannt sein. Und dergleichen mehr.

So sehr wir demnach über unsre Errungenschaft der so allgemein
ermittelten allgemeinen Lösung 12) erfreut sein könnten, so wird doch
die Freude sehr herabgestimmt, ja wir werden kleinlaut, wenn wir uns
diese Errungenschaft näher ansehen, indem wir uns über die Natur
solch "rigoroser" Lösung genauer unterrichten.

Dieselbe gewährt nicht etwa für eine Reihe von auf's Gerathewohl
angenommenen Werten ihres unbestimmten Argumentes u uns alsbald
eine Fülle von erwünschten Partikularlösungen oder Wurzeln, sondern,
sofern wir nicht geradezu das Glück haben, als angenommenen Wert
von u eine Wurzel der Gleichung 1) selbst zu treffen, verweist sie
uns nur immer wieder auf die schon längst bekannte und darum un-
interessante -- um nicht zu sagen "langweilige" -- Wurzel a. Mit
Hülfe des Ausdruckes 11) der rigorosen Lösung die sämtlichen Wur-
zeln der Gleichung 1) entdecken zu wollen das liefe geradezu darauf
hinaus, bei allen erdenklichen Relativen u durchzuprobiren, ob sie diese
Gleichung wol erfüllen!

Die "rigorose Lösung" ist demnach noch keine befriedigende Form
der allgemeinen Lösung; sie löst die Aufgabe nur zur Not -- a la
rigueur -- und ist dies der Grund, weshalb ich ihr den angeführten
Namen beigelegt habe, in Anbetracht, dass es nötig fiel, sie von andern
vorteilhafteren Formen der allgemeinen Lösung unterscheidend zu
benennen.

Immerhin gab ihre Aufstellung einen Fingerzeig, in welcher Form
überhaupt wir auf die allgemeine Lösung einer Gleichung zu fahnden
haben werden, lehrte sie uns vor allem, dass die vollständige Lösung
der Gleichung 1) F(x) = 0 existirt in der Form 2) x = f(u). Und
sie bleibt eine letzte Zuflucht auf die man zurückgreifen kann so oft
es nicht gelingt, eine "bessere" Form der allgemeinen Wurzel für eine
gegebene Gleichung zu finden, in allen den Fällen, wo man dennoch
eines Ausdruckes für diese Wurzel zur Fortsetzung der Untersuchungen
benötigt.

Der Begriff dessen, was nun aber "eine befriedigende" und was
eventuell "die beste" Form der allgemeinen Lösung zu nennen wäre,
dürfte nicht leicht festzustellen sein und wird sich voraussichtlich erst
allmälig aus der Praxis unsrer Wissenschaft selbst heraus entwickeln.

Immerhin können wir wenigstens die stets an die allgemeine

Fünfte Vorlesung.

Handelt es sich z. B. um die Auflösung der Gleichung x ; b = a, so
wird (siehe übernächste Vorlesung) die Resultante fordern, dass a selber
von der Form c ; b sei und damit wird von vornherein eine Partikular-
lösung x = c(= a ɟ b̄̆) bekannt sein. Und dergleichen mehr.

So sehr wir demnach über unsre Errungenschaft der so allgemein
ermittelten allgemeinen Lösung 12) erfreut sein könnten, so wird doch
die Freude sehr herabgestimmt, ja wir werden kleinlaut, wenn wir uns
diese Errungenschaft näher ansehen, indem wir uns über die Natur
solch „rigoroser“ Lösung genauer unterrichten.

Dieselbe gewährt nicht etwa für eine Reihe von auf’s Gerathewohl
angenommenen Werten ihres unbestimmten Argumentes u uns alsbald
eine Fülle von erwünschten Partikularlösungen oder Wurzeln, sondern,
sofern wir nicht geradezu das Glück haben, als angenommenen Wert
von u eine Wurzel der Gleichung 1) selbst zu treffen, verweist sie
uns nur immer wieder auf die schon längst bekannte und darum un-
interessante — um nicht zu sagen „langweilige“ — Wurzel a. Mit
Hülfe des Ausdruckes 11) der rigorosen Lösung die sämtlichen Wur-
zeln der Gleichung 1) entdecken zu wollen das liefe geradezu darauf
hinaus, bei allen erdenklichen Relativen u durchzuprobiren, ob sie diese
Gleichung wol erfüllen!

Die „rigorose Lösung“ ist demnach noch keine befriedigende Form
der allgemeinen Lösung; sie löst die Aufgabe nur zur Not — à la
rigueur — und ist dies der Grund, weshalb ich ihr den angeführten
Namen beigelegt habe, in Anbetracht, dass es nötig fiel, sie von andern
vorteilhafteren Formen der allgemeinen Lösung unterscheidend zu
benennen.

Immerhin gab ihre Aufstellung einen Fingerzeig, in welcher Form
überhaupt wir auf die allgemeine Lösung einer Gleichung zu fahnden
haben werden, lehrte sie uns vor allem, dass die vollständige Lösung
der Gleichung 1) F(x) = 0 existirt in der Form 2) x = f(u). Und
sie bleibt eine letzte Zuflucht auf die man zurückgreifen kann so oft
es nicht gelingt, eine „bessere“ Form der allgemeinen Wurzel für eine
gegebene Gleichung zu finden, in allen den Fällen, wo man dennoch
eines Ausdruckes für diese Wurzel zur Fortsetzung der Untersuchungen
benötigt.

Der Begriff dessen, was nun aber „eine befriedigende“ und was
eventuell „die beste“ Form der allgemeinen Lösung zu nennen wäre,
dürfte nicht leicht festzustellen sein und wird sich voraussichtlich erst
allmälig aus der Praxis unsrer Wissenschaft selbst heraus entwickeln.

Immerhin können wir wenigstens die stets an die allgemeine

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[168/0182] Fünfte Vorlesung. Handelt es sich z. B. um die Auflösung der Gleichung x ; b = a, so wird (siehe übernächste Vorlesung) die Resultante fordern, dass a selber von der Form c ; b sei und damit wird von vornherein eine Partikular- lösung x = c(= a ɟ b̄̆) bekannt sein. Und dergleichen mehr. So sehr wir demnach über unsre Errungenschaft der so allgemein ermittelten allgemeinen Lösung 12) erfreut sein könnten, so wird doch die Freude sehr herabgestimmt, ja wir werden kleinlaut, wenn wir uns diese Errungenschaft näher ansehen, indem wir uns über die Natur solch „rigoroser“ Lösung genauer unterrichten. Dieselbe gewährt nicht etwa für eine Reihe von auf’s Gerathewohl angenommenen Werten ihres unbestimmten Argumentes u uns alsbald eine Fülle von erwünschten Partikularlösungen oder Wurzeln, sondern, sofern wir nicht geradezu das Glück haben, als angenommenen Wert von u eine Wurzel der Gleichung 1) selbst zu treffen, verweist sie uns nur immer wieder auf die schon längst bekannte und darum un- interessante — um nicht zu sagen „langweilige“ — Wurzel a. Mit Hülfe des Ausdruckes 11) der rigorosen Lösung die sämtlichen Wur- zeln der Gleichung 1) entdecken zu wollen das liefe geradezu darauf hinaus, bei allen erdenklichen Relativen u durchzuprobiren, ob sie diese Gleichung wol erfüllen! Die „rigorose Lösung“ ist demnach noch keine befriedigende Form der allgemeinen Lösung; sie löst die Aufgabe nur zur Not — à la rigueur — und ist dies der Grund, weshalb ich ihr den angeführten Namen beigelegt habe, in Anbetracht, dass es nötig fiel, sie von andern vorteilhafteren Formen der allgemeinen Lösung unterscheidend zu benennen. Immerhin gab ihre Aufstellung einen Fingerzeig, in welcher Form überhaupt wir auf die allgemeine Lösung einer Gleichung zu fahnden haben werden, lehrte sie uns vor allem, dass die vollständige Lösung der Gleichung 1) F(x) = 0 existirt in der Form 2) x = f(u). Und sie bleibt eine letzte Zuflucht auf die man zurückgreifen kann so oft es nicht gelingt, eine „bessere“ Form der allgemeinen Wurzel für eine gegebene Gleichung zu finden, in allen den Fällen, wo man dennoch eines Ausdruckes für diese Wurzel zur Fortsetzung der Untersuchungen benötigt. Der Begriff dessen, was nun aber „eine befriedigende“ und was eventuell „die beste“ Form der allgemeinen Lösung zu nennen wäre, dürfte nicht leicht festzustellen sein und wird sich voraussichtlich erst allmälig aus der Praxis unsrer Wissenschaft selbst heraus entwickeln. Immerhin können wir wenigstens die stets an die allgemeine

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/182>, abgerufen am 28.04.2024.