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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
noch nicht die für alle Fälle zulängliche Bezeichnung dessen geworden,
was die Wortführerin mit ihrem Ausspruch sagen wollte. Dieselbe wollte
ihre Aussage aufstellen nicht blos für eine bestimmte, sondern für jede
Gelegenheit g. Mit Rücksicht hierauf hat man ausdrucksvoller
[Formel 1] (C A + B)
zu setzen, sobald etwa z. B. die Negation einer solchen Formel in Be-
tracht kommen sollte, -- während man freilich sonst zumeist, wie oben
bemerkt, auch im Kalkul sich begnügt, die Allgemeinheit der Aussage
blos im Geiste zu unterstellen.

o) Ein von mir selbst begangener Fehler.

Nachdem ich andern und den verdientesten Mitarbeitern schon so
vieles "am Zeuge zu flicken gehabt", ist es nicht mehr als billig, auch ein-
mal "vor der eigenen Thür zu fegen". Mit in den Kontroversen geschärftem
Blick wurde ich zuletzt dessen gewahr, dass ich auch selbst an einer Stelle
dieses Buches in einen "Fehlschluss aus unzulänglicher Bezeichnung" ver-
fallen bin, -- zum Glück ohne weitergehende unzutreffende Folgerungen
daran zu knüpfen.

Seite 312 dieses Bandes stellte ich die Behauptung auf, dass der
"reine" Aussagenkalkul schlechterdings unfähig sei und es definitiv bleiben
müsse, auch partikulare Urteile einzukleiden
.

Wenn er aber zugestandenermassen fähig ist, die universalen Ur-
teile auszudrücken (S. 311), wenn die partikularen Urteile blos die
Negation von universalen sind, und wenn endlich der Aussagenkalkul
den Prozess der Verneinung an einer jeden Aussage zu vollziehen ver-
mag, -- wie könnte er dann unfähig bleiben, ein partikulares Urteil
darzustellen?

Um dieses Paradoxon aufzulösen, ist nur nötig, die McColl'sche
aussagenrechnerische Darstellung der Klassensubsumtion a b auf
ihren zulänglichen Ausdruck zu bringen; durch Negation muss sich
dann freilich eine ebensolche -- aussagentheoretische -- Darstellung
des partikularen Klassenurteils a b oder a b1 0 ergeben.

Nach McColl soll (S. 311) die Subsumtion a b statt "alle a
sind b" gedeutet werden, -- indem man von irgend einem beliebigen
unter den Individuen der Mannigfaltigkeit 1, doch durchweg von dem-
selben, spricht: -- "wenn es ein a ist, so ist es ein b". Trifft diese
Aussagensubsumtion in der That zu für jedes "es", jedes Individuum,
so sagt dieselbe das gleiche wie die Klassensubsumtion a b. Um
nun erstere zulänglich darzustellen, ist jedenfalls auch die Allgemeinheit,
die notwendig, wenn auch stillschweigend unterstellte Anwendbarkeit

§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
noch nicht die für alle Fälle zulängliche Bezeichnung dessen geworden,
was die Wortführerin mit ihrem Ausspruch sagen wollte. Dieselbe wollte
ihre Aussage aufstellen nicht blos für eine bestimmte, sondern für jede
Gelegenheit g. Mit Rücksicht hierauf hat man ausdrucksvoller
[Formel 1] (C A + B)
zu setzen, sobald etwa z. B. die Negation einer solchen Formel in Be-
tracht kommen sollte, — während man freilich sonst zumeist, wie oben
bemerkt, auch im Kalkul sich begnügt, die Allgemeinheit der Aussage
blos im Geiste zu unterstellen.

ο) Ein von mir selbst begangener Fehler.

Nachdem ich andern und den verdientesten Mitarbeitern schon so
vieles „am Zeuge zu flicken gehabt“, ist es nicht mehr als billig, auch ein-
mal „vor der eigenen Thür zu fegen“. Mit in den Kontroversen geschärftem
Blick wurde ich zuletzt dessen gewahr, dass ich auch selbst an einer Stelle
dieses Buches in einen „Fehlschluss aus unzulänglicher Bezeichnung“ ver-
fallen bin, — zum Glück ohne weitergehende unzutreffende Folgerungen
daran zu knüpfen.

Seite 312 dieses Bandes stellte ich die Behauptung auf, dass der
reineAussagenkalkul schlechterdings unfähig sei und es definitiv bleiben
müsse, auch partikulare Urteile einzukleiden
.

Wenn er aber zugestandenermassen fähig ist, die universalen Ur-
teile auszudrücken (S. 311), wenn die partikularen Urteile blos die
Negation von universalen sind, und wenn endlich der Aussagenkalkul
den Prozess der Verneinung an einer jeden Aussage zu vollziehen ver-
mag, — wie könnte er dann unfähig bleiben, ein partikulares Urteil
darzustellen?

Um dieses Paradoxon aufzulösen, ist nur nötig, die McColl’sche
aussagenrechnerische Darstellung der Klassensubsumtion a b auf
ihren zulänglichen Ausdruck zu bringen; durch Negation muss sich
dann freilich eine ebensolche — aussagentheoretische — Darstellung
des partikularen Klassenurteils a b oder a b1 ≠ 0 ergeben.

Nach McColl soll (S. 311) die Subsumtion a b statt „alle a
sind b“ gedeutet werden, — indem man von irgend einem beliebigen
unter den Individuen der Mannigfaltigkeit 1, doch durchweg von dem-
selben, spricht: — „wenn es ein a ist, so ist es ein b“. Trifft diese
Aussagensubsumtion in der That zu für jedeses“, jedes Individuum,
so sagt dieselbe das gleiche wie die Klassensubsumtion a b. Um
nun erstere zulänglich darzustellen, ist jedenfalls auch die Allgemeinheit,
die notwendig, wenn auch stillschweigend unterstellte Anwendbarkeit

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[487/0131] § 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. noch nicht die für alle Fälle zulängliche Bezeichnung dessen geworden, was die Wortführerin mit ihrem Ausspruch sagen wollte. Dieselbe wollte ihre Aussage aufstellen nicht blos für eine bestimmte, sondern für jede Gelegenheit g. Mit Rücksicht hierauf hat man ausdrucksvoller [FORMEL] (C A + B) zu setzen, sobald etwa z. B. die Negation einer solchen Formel in Be- tracht kommen sollte, — während man freilich sonst zumeist, wie oben bemerkt, auch im Kalkul sich begnügt, die Allgemeinheit der Aussage blos im Geiste zu unterstellen. ο) Ein von mir selbst begangener Fehler. Nachdem ich andern und den verdientesten Mitarbeitern schon so vieles „am Zeuge zu flicken gehabt“, ist es nicht mehr als billig, auch ein- mal „vor der eigenen Thür zu fegen“. Mit in den Kontroversen geschärftem Blick wurde ich zuletzt dessen gewahr, dass ich auch selbst an einer Stelle dieses Buches in einen „Fehlschluss aus unzulänglicher Bezeichnung“ ver- fallen bin, — zum Glück ohne weitergehende unzutreffende Folgerungen daran zu knüpfen. Seite 312 dieses Bandes stellte ich die Behauptung auf, dass der „reine“ Aussagenkalkul schlechterdings unfähig sei und es definitiv bleiben müsse, auch partikulare Urteile einzukleiden. Wenn er aber zugestandenermassen fähig ist, die universalen Ur- teile auszudrücken (S. 311), wenn die partikularen Urteile blos die Negation von universalen sind, und wenn endlich der Aussagenkalkul den Prozess der Verneinung an einer jeden Aussage zu vollziehen ver- mag, — wie könnte er dann unfähig bleiben, ein partikulares Urteil darzustellen? Um dieses Paradoxon aufzulösen, ist nur nötig, die McColl’sche aussagenrechnerische Darstellung der Klassensubsumtion a b auf ihren zulänglichen Ausdruck zu bringen; durch Negation muss sich dann freilich eine ebensolche — aussagentheoretische — Darstellung des partikularen Klassenurteils a b oder a b1 ≠ 0 ergeben. Nach McColl soll (S. 311) die Subsumtion a b statt „alle a sind b“ gedeutet werden, — indem man von irgend einem beliebigen unter den Individuen der Mannigfaltigkeit 1, doch durchweg von dem- selben, spricht: — „wenn es ein a ist, so ist es ein b“. Trifft diese Aussagensubsumtion in der That zu für jedes „es“, jedes Individuum, so sagt dieselbe das gleiche wie die Klassensubsumtion a b. Um nun erstere zulänglich darzustellen, ist jedenfalls auch die Allgemeinheit, die notwendig, wenn auch stillschweigend unterstellte Anwendbarkeit

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/131>, abgerufen am 28.04.2024.