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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Tritt nun hier überhaupt einer von diesen beiden letztern Fällen
ein, so muss, meint Frau Franklin, derselbe nach meinem Aussagen-
kalkul ewig als eintretend anerkannt werden. Die Alternative aber,
entweder ewig einen Regenschirm zurhand zu nehmen, oder ewig im
Hause zu bleiben, erscheint ihr so schrecklich, die Beschränktheit
eines Aussagenkalkuls, der nur derartige Alternativen zu berücksichtigen
vermöchte, so kläglich, dass sie diesen, den sie selbst einst so wesent-
lich gefördert, ablehnen zu müssen glaubt.

So schlimm ist es indessen nicht bestellt mit dem Aussagenkalkul!
Das ganze Unglück rührt vielmehr nur daher, dass die Aussagen A, B
und C in der angegebenen Wortfassung noch gar keine echten, voll-
ständigen Urteile im Sinne einer exakten Logik sind, sondern nur
elliptische Redensarten, lückenhafte und darum an sich sinnlose Phrasen,
so lange sie nicht -- mindestens in Gedanken -- bezogen sind auf
eine bestimmte Gelegenheit oder auch Klasse von Gelegenheiten. Was
soll z. B. die Aussage A "ich bediene mich eines Schirmes" bedeuten?
Gewiss nicht, -- wie es wegen des im Präsens stehenden Verbums
scheinen könnte --: ich bediene mich jetzt, soeben, während ich dies
ausspreche, eines Schirmes. Es fehlt die Zeitbestimmung! -- Eine
Ortsbestimmung ist wegen des Subjekts "Ich", welches doch jeder-
zeit an einem bestimmten Ort sich befinden muss, hier zufällig
überflüssig.

Völlig explizirt wird uns deshalb nun bedeuten:

A = "Ich bediene mich eines Schirmes bei der Gelegenheit g",
B = "Ich verweile im Hause bei der Gelegenheit g",
C = "Es regnet (an dem Orte, wo ich mich befinde,) bei der Gelegen-
heit g".

Ergänzt man die Zeitbestimmung blos im Geiste, so kommt man
leicht in die Gefahr, jene Bestimmung wieder aus den Augen zu ver-
lieren, oder unvermerkt für dieselbe eine andere sich einschleichen zu
lassen.

Wenn es nun wirklich einmal zutrifft, dass es bei der bestimmten
gedachten Gelegenheit an dem Orte, wo ich mich befinde, regnet, so
wird dies ewig zutreffen, dass es ebenda und ebendann regnete, aber
es wird nicht ewig da regnen. Allgemein: Die ewige Anerkennung,
dass ein Ereigniss bei bestimmten Gelegenheiten eintritt oder eintrat,
ist zu unterscheiden von der Anerkennung, dass das Ereigniss ewig
eintritt.

Damit ist indessen die Aussagensubsumtion
C A + B

Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Tritt nun hier überhaupt einer von diesen beiden letztern Fällen
ein, so muss, meint Frau Franklin, derselbe nach meinem Aussagen-
kalkul ewig als eintretend anerkannt werden. Die Alternative aber,
entweder ewig einen Regenschirm zurhand zu nehmen, oder ewig im
Hause zu bleiben, erscheint ihr so schrecklich, die Beschränktheit
eines Aussagenkalkuls, der nur derartige Alternativen zu berücksichtigen
vermöchte, so kläglich, dass sie diesen, den sie selbst einst so wesent-
lich gefördert, ablehnen zu müssen glaubt.

So schlimm ist es indessen nicht bestellt mit dem Aussagenkalkul!
Das ganze Unglück rührt vielmehr nur daher, dass die Aussagen A, B
und C in der angegebenen Wortfassung noch gar keine echten, voll-
ständigen Urteile im Sinne einer exakten Logik sind, sondern nur
elliptische Redensarten, lückenhafte und darum an sich sinnlose Phrasen,
so lange sie nicht — mindestens in Gedanken — bezogen sind auf
eine bestimmte Gelegenheit oder auch Klasse von Gelegenheiten. Was
soll z. B. die Aussage A „ich bediene mich eines Schirmes“ bedeuten?
Gewiss nicht, — wie es wegen des im Präsens stehenden Verbums
scheinen könnte —: ich bediene mich jetzt, soeben, während ich dies
ausspreche, eines Schirmes. Es fehlt die Zeitbestimmung! — Eine
Ortsbestimmung ist wegen des Subjekts „Ich“, welches doch jeder-
zeit an einem bestimmten Ort sich befinden muss, hier zufällig
überflüssig.

Völlig explizirt wird uns deshalb nun bedeuten:

A = „Ich bediene mich eines Schirmes bei der Gelegenheit g“,
B = „Ich verweile im Hause bei der Gelegenheit g“,
C = „Es regnet (an dem Orte, wo ich mich befinde,) bei der Gelegen-
heit g“.

Ergänzt man die Zeitbestimmung blos im Geiste, so kommt man
leicht in die Gefahr, jene Bestimmung wieder aus den Augen zu ver-
lieren, oder unvermerkt für dieselbe eine andere sich einschleichen zu
lassen.

Wenn es nun wirklich einmal zutrifft, dass es bei der bestimmten
gedachten Gelegenheit an dem Orte, wo ich mich befinde, regnet, so
wird dies ewig zutreffen, dass es ebenda und ebendann regnete, aber
es wird nicht ewig da regnen. Allgemein: Die ewige Anerkennung,
dass ein Ereigniss bei bestimmten Gelegenheiten eintritt oder eintrat,
ist zu unterscheiden von der Anerkennung, dass das Ereigniss ewig
eintritt.

Damit ist indessen die Aussagensubsumtion
C A + B

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[486/0130] Sechsundzwanzigste Vorlesung. Tritt nun hier überhaupt einer von diesen beiden letztern Fällen ein, so muss, meint Frau Franklin, derselbe nach meinem Aussagen- kalkul ewig als eintretend anerkannt werden. Die Alternative aber, entweder ewig einen Regenschirm zurhand zu nehmen, oder ewig im Hause zu bleiben, erscheint ihr so schrecklich, die Beschränktheit eines Aussagenkalkuls, der nur derartige Alternativen zu berücksichtigen vermöchte, so kläglich, dass sie diesen, den sie selbst einst so wesent- lich gefördert, ablehnen zu müssen glaubt. So schlimm ist es indessen nicht bestellt mit dem Aussagenkalkul! Das ganze Unglück rührt vielmehr nur daher, dass die Aussagen A, B und C in der angegebenen Wortfassung noch gar keine echten, voll- ständigen Urteile im Sinne einer exakten Logik sind, sondern nur elliptische Redensarten, lückenhafte und darum an sich sinnlose Phrasen, so lange sie nicht — mindestens in Gedanken — bezogen sind auf eine bestimmte Gelegenheit oder auch Klasse von Gelegenheiten. Was soll z. B. die Aussage A „ich bediene mich eines Schirmes“ bedeuten? Gewiss nicht, — wie es wegen des im Präsens stehenden Verbums scheinen könnte —: ich bediene mich jetzt, soeben, während ich dies ausspreche, eines Schirmes. Es fehlt die Zeitbestimmung! — Eine Ortsbestimmung ist wegen des Subjekts „Ich“, welches doch jeder- zeit an einem bestimmten Ort sich befinden muss, hier zufällig überflüssig. Völlig explizirt wird uns deshalb nun bedeuten: A = „Ich bediene mich eines Schirmes bei der Gelegenheit g“, B = „Ich verweile im Hause bei der Gelegenheit g“, C = „Es regnet (an dem Orte, wo ich mich befinde,) bei der Gelegen- heit g“. Ergänzt man die Zeitbestimmung blos im Geiste, so kommt man leicht in die Gefahr, jene Bestimmung wieder aus den Augen zu ver- lieren, oder unvermerkt für dieselbe eine andere sich einschleichen zu lassen. Wenn es nun wirklich einmal zutrifft, dass es bei der bestimmten gedachten Gelegenheit an dem Orte, wo ich mich befinde, regnet, so wird dies ewig zutreffen, dass es ebenda und ebendann regnete, aber es wird nicht ewig da regnen. Allgemein: Die ewige Anerkennung, dass ein Ereigniss bei bestimmten Gelegenheiten eintritt oder eintrat, ist zu unterscheiden von der Anerkennung, dass das Ereigniss ewig eintritt. Damit ist indessen die Aussagensubsumtion C A + B

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/130>, abgerufen am 28.04.2024.