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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Sechsundzwanzigste Vorlesung.
gibt zwar die Unzerstörbarkeit des Stoffes zu, ist aber der Überzeugung,
dass die sogenannte Seele als blosser Merkmalkomplex ihres Körpers
mit diesem zugleich der Zerstörung anheimfalle. Für ihn wird also
A = 1, B = 0 und A B sein; zugleich wird derselbe aber damit
auch die beiden Aussagen anerkennen:
A1 = B und A = B1,
deren erste mit 0 = 0, deren letzte mit 1 = 1 übereinstimmt; in
Worten: Ausschliesslich dann, wenn die Materie zerstörbar ist, wird
die Seele unsterblich sein, (beides nämlich gilt nie,) resp.: Ausschliesslich
dann, wenn die Materie unzerstörbar ist, ist die Seele sterblich, (nämlich
immer.)

Ich habe hierbei als Negation des Satzes: "Die Seele ist unsterblich"
der gewöhnlichen Gepflogenheit und der Bequemlichkeit des Ausdrucks
zuliebe den Satz gelten lassen: "Die Seele ist sterblich", und bin ähn-
lich auch bei der Verneinung des andern der beiden Teilsätze vor-
gegangen, -- was aber, wie anderwärts schon von mir ausgeführt,
keineswegs korrekt ist. Es könnten ja auch einige Seelen -- die "der
Gerechten" z. B. "in den Himmel kommen", dagegen andere, die der
unbekehrten Sünder, dem Nirwana anheimfallen, -- nebenbei gesagt
Möglichkeiten, dergleichen die "Logik des Inhaltes" begreiflicherweise
regelmässig zu übersehen pflegt!

d) Ein vorzüglicher Vorhalt der Frau Franklin-Ladd ist
dieser:

Ein schlechter Mathematiker sagte eines Tages: Die Thatsache (A),
dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen von
ihnen bezüglich gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung
dafür, dass (B) die Dreiecke kongruent sind. (Bekanntlich ist sie nicht
hinreichend, sondern es ist dazu, nach dem sog. vierten Kongruenzsatze
noch ausserdem erforderlich, dass es die grössere von den beiden als
gleich bekannten Seiten sei, deren Gegenwinkel in beiden Dreiecken
übereinstimmen). Professor Schröder wünschte die Behauptung A = B
jenes Mathematikers zu bestreiten; er sah sich aber nach seinem
Satze 2) genötigt, dies in der Gestalt der Gegenbehauptung
sei es A1 = B, sei es A = B1
zu thun; das heisst:

Dass zwei Dreiecke nicht zwei Seiten und den Gegenwinkel der
einen gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung dafür,
dass die Dreiecke kongruent sind, resp. gar:

Dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen

Sechsundzwanzigste Vorlesung.
gibt zwar die Unzerstörbarkeit des Stoffes zu, ist aber der Überzeugung,
dass die sogenannte Seele als blosser Merkmalkomplex ihres Körpers
mit diesem zugleich der Zerstörung anheimfalle. Für ihn wird also
A = 1̇, B = 0 und AB sein; zugleich wird derselbe aber damit
auch die beiden Aussagen anerkennen:
A1 = B und A = B1,
deren erste mit 0 = 0, deren letzte mit 1̇ = 1̇ übereinstimmt; in
Worten: Ausschliesslich dann, wenn die Materie zerstörbar ist, wird
die Seele unsterblich sein, (beides nämlich gilt nie,) resp.: Ausschliesslich
dann, wenn die Materie unzerstörbar ist, ist die Seele sterblich, (nämlich
immer.)

Ich habe hierbei als Negation des Satzes: „Die Seele ist unsterblich“
der gewöhnlichen Gepflogenheit und der Bequemlichkeit des Ausdrucks
zuliebe den Satz gelten lassen: „Die Seele ist sterblich“, und bin ähn-
lich auch bei der Verneinung des andern der beiden Teilsätze vor-
gegangen, — was aber, wie anderwärts schon von mir ausgeführt,
keineswegs korrekt ist. Es könnten ja auch einige Seelen — die „der
Gerechten“ z. B. „in den Himmel kommen“, dagegen andere, die der
unbekehrten Sünder, dem Nirwana anheimfallen, — nebenbei gesagt
Möglichkeiten, dergleichen die „Logik des Inhaltes“ begreiflicherweise
regelmässig zu übersehen pflegt!

δ) Ein vorzüglicher Vorhalt der Frau Franklin-Ladd ist
dieser:

Ein schlechter Mathematiker sagte eines Tages: Die Thatsache (A),
dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen von
ihnen bezüglich gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung
dafür, dass (B) die Dreiecke kongruent sind. (Bekanntlich ist sie nicht
hinreichend, sondern es ist dazu, nach dem sog. vierten Kongruenzsatze
noch ausserdem erforderlich, dass es die grössere von den beiden als
gleich bekannten Seiten sei, deren Gegenwinkel in beiden Dreiecken
übereinstimmen). Professor Schröder wünschte die Behauptung A = B
jenes Mathematikers zu bestreiten; er sah sich aber nach seinem
Satze 2) genötigt, dies in der Gestalt der Gegenbehauptung
sei es A1 = B, sei es A = B1
zu thun; das heisst:

Dass zwei Dreiecke nicht zwei Seiten und den Gegenwinkel der
einen gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung dafür,
dass die Dreiecke kongruent sind, resp. gar:

Dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen

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[468/0112] Sechsundzwanzigste Vorlesung. gibt zwar die Unzerstörbarkeit des Stoffes zu, ist aber der Überzeugung, dass die sogenannte Seele als blosser Merkmalkomplex ihres Körpers mit diesem zugleich der Zerstörung anheimfalle. Für ihn wird also A = 1̇, B = 0 und A ≠ B sein; zugleich wird derselbe aber damit auch die beiden Aussagen anerkennen: A1 = B und A = B1, deren erste mit 0 = 0, deren letzte mit 1̇ = 1̇ übereinstimmt; in Worten: Ausschliesslich dann, wenn die Materie zerstörbar ist, wird die Seele unsterblich sein, (beides nämlich gilt nie,) resp.: Ausschliesslich dann, wenn die Materie unzerstörbar ist, ist die Seele sterblich, (nämlich immer.) Ich habe hierbei als Negation des Satzes: „Die Seele ist unsterblich“ der gewöhnlichen Gepflogenheit und der Bequemlichkeit des Ausdrucks zuliebe den Satz gelten lassen: „Die Seele ist sterblich“, und bin ähn- lich auch bei der Verneinung des andern der beiden Teilsätze vor- gegangen, — was aber, wie anderwärts schon von mir ausgeführt, keineswegs korrekt ist. Es könnten ja auch einige Seelen — die „der Gerechten“ z. B. „in den Himmel kommen“, dagegen andere, die der unbekehrten Sünder, dem Nirwana anheimfallen, — nebenbei gesagt Möglichkeiten, dergleichen die „Logik des Inhaltes“ begreiflicherweise regelmässig zu übersehen pflegt! δ) Ein vorzüglicher Vorhalt der Frau Franklin-Ladd ist dieser: Ein schlechter Mathematiker sagte eines Tages: Die Thatsache (A), dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen von ihnen bezüglich gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass (B) die Dreiecke kongruent sind. (Bekanntlich ist sie nicht hinreichend, sondern es ist dazu, nach dem sog. vierten Kongruenzsatze noch ausserdem erforderlich, dass es die grössere von den beiden als gleich bekannten Seiten sei, deren Gegenwinkel in beiden Dreiecken übereinstimmen). Professor Schröder wünschte die Behauptung A = B jenes Mathematikers zu bestreiten; er sah sich aber nach seinem Satze 2) genötigt, dies in der Gestalt der Gegenbehauptung sei es A1 = B, sei es A = B1 zu thun; das heisst: Dass zwei Dreiecke nicht zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass die Dreiecke kongruent sind, resp. gar: Dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/112>, abgerufen am 27.04.2024.