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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Neunzehnte Vorlesung.
liche und sehr bedeutende Einschränkung der Klasse von Problemen,
auf welche unsere Methoden zunächst nur anwendbar sein werden.

Wie bedeutend diese Einschränkung ist wird in § 50 völlig deutlich
werden.

Einstweilen sei blos angeführt, dass wenn wir z. B. auch nur sprechen
wollen von der "Farbe eines (gewissen) Salzes", wir genötigt sind, eine
Beziehung herzustellen und in's Auge zu fassen zwischen dem Begriff der
Farbe und dem des Salzes (überhaupt, oder auch dieses bestimmten, ge-
dachten Salzes insbesondere), welche nicht aufgefasst werden kann als eine
Relation im Sinne der Paragraphen 32 bis 36 zwischen den Umfängen der
genannten Begriffe -- eine Beziehung nämlich, allerdings wie gesagt zwischen
diesen Begriffen, welche eben aber keine Umfangsbeziehung ist, welche
durchaus nicht erscheint als eine Beziehung zwischen der Klasse der Farben
und der Klasse der (eventuell der erwähnten) Salze.

Dergleichen Beziehungen, wie sie namentlich durch den Genitivus, so-
wie auch vermittelst der Kasus überhaupt und der Präpositionen sprach-
lich ausgedrückt zu werden pflegen, fallen nicht ohne weiteres in das
Ressort des bisherigen identischen Kalkuls, und werden wir uns hier
der Notwendigkeit bewusst, auf die Logik der Umfangsbeziehungen (die
"logic of absolute terms" nach De Morgan und Peirce's Ausdrucks-
weise) folgen zu lassen eine Logik der Beziehungen überhaupt ("logic of
relatives").

Es sind in der That nur die alleräusserlichsten, sozusagen rohesten
Beziehungen -- jene Relationen der citirten Paragraphen, die Relationen
zwischen Klassen -- mit denen wir uns hier noch abgeben.

Aber sie erscheinen auch als die elementarsten Beziehungen; sie bilden
wenigstens den äussern Rahmen, in welchen sich das ganze Bild der Denk-
prozesse notwendig einordnet. Denn ist es auch behufs Aufbaues des Sub-
jekt- und Prädikatbegriffes selbst aus andern gegebenen Begriffen zumeist
erforderlich noch ganz andre Beziehungen, als wie blosse Umfangsbeziehungen,
zwischen den letzteren beizuziehen -- wie beispielsweise die Beziehung
zwischen einem handelnden "Subjekte", seiner Handlung, Thätigkeit, und
dem "Objekte" dieser letztern -- so läuft doch das primäre Urteilen selbst
(wie in § 1 und 2 schon erläutert) logisch immer auf die Konstatirung
einer Umfangsbeziehung zwischen dem (wie gesagt irgendwie zustande ge-
kommnen, konstruirten) Subjekt- und Prädikatbegriffe unfehlbar hinaus.
Und wie die Geometrie voraufgehen muss der Kinematik und Mechanik,
diese wieder der Elasticitätslehre, so muss auch unser elementarer Teil
der Logik erst gründlich abgehandelt und wissenschaftlich ausgestaltet sein,
bevor man hoffen kann, eine exakte Behandlung auch der feineren und
feinsten Untersuchungen auf logischem Gebiete zu verwirklichen, bevor
man überhaupt erfolgreich an diese wird herantreten können. (Bd. 1.)

In der zeitweiligen Beschränkung auf scharf umgrenzte Klassen von
Aufgaben liegt die einzige Möglichkeit des Fortschritts in den Wissen-
schaften, und kann man den Himmel der Erkenntniss nicht auf einmal
herunterholen -- vergleiche Goethe's "In der Beschränkung zeigt sich
der Meister", auf das wir schon einmal (Bd. 1, S. 521) anspielten.

Neunzehnte Vorlesung.
liche und sehr bedeutende Einschränkung der Klasse von Problemen,
auf welche unsere Methoden zunächst nur anwendbar sein werden.

Wie bedeutend diese Einschränkung ist wird in § 50 völlig deutlich
werden.

Einstweilen sei blos angeführt, dass wenn wir z. B. auch nur sprechen
wollen von der „Farbe eines (gewissen) Salzes“, wir genötigt sind, eine
Beziehung herzustellen und in’s Auge zu fassen zwischen dem Begriff der
Farbe und dem des Salzes (überhaupt, oder auch dieses bestimmten, ge-
dachten Salzes insbesondere), welche nicht aufgefasst werden kann als eine
Relation im Sinne der Paragraphen 32 bis 36 zwischen den Umfängen der
genannten Begriffe — eine Beziehung nämlich, allerdings wie gesagt zwischen
diesen Begriffen, welche eben aber keine Umfangsbeziehung ist, welche
durchaus nicht erscheint als eine Beziehung zwischen der Klasse der Farben
und der Klasse der (eventuell der erwähnten) Salze.

Dergleichen Beziehungen, wie sie namentlich durch den Genitivus, so-
wie auch vermittelst der Kasus überhaupt und der Präpositionen sprach-
lich ausgedrückt zu werden pflegen, fallen nicht ohne weiteres in das
Ressort des bisherigen identischen Kalkuls, und werden wir uns hier
der Notwendigkeit bewusst, auf die Logik der Umfangsbeziehungen (die
„logic of absolute terms“ nach De Morgan und Peirce’s Ausdrucks-
weise) folgen zu lassen eine Logik der Beziehungen überhaupt („logic of
relatives“).

Es sind in der That nur die alleräusserlichsten, sozusagen rohesten
Beziehungen — jene Relationen der citirten Paragraphen, die Relationen
zwischen Klassen — mit denen wir uns hier noch abgeben.

Aber sie erscheinen auch als die elementarsten Beziehungen; sie bilden
wenigstens den äussern Rahmen, in welchen sich das ganze Bild der Denk-
prozesse notwendig einordnet. Denn ist es auch behufs Aufbaues des Sub-
jekt- und Prädikatbegriffes selbst aus andern gegebenen Begriffen zumeist
erforderlich noch ganz andre Beziehungen, als wie blosse Umfangsbeziehungen,
zwischen den letzteren beizuziehen — wie beispielsweise die Beziehung
zwischen einem handelnden „Subjekte“, seiner Handlung, Thätigkeit, und
dem „Objekte“ dieser letztern — so läuft doch das primäre Urteilen selbst
(wie in § 1 und 2 schon erläutert) logisch immer auf die Konstatirung
einer Umfangsbeziehung zwischen dem (wie gesagt irgendwie zustande ge-
kommnen, konstruirten) Subjekt- und Prädikatbegriffe unfehlbar hinaus.
Und wie die Geometrie voraufgehen muss der Kinematik und Mechanik,
diese wieder der Elasticitätslehre, so muss auch unser elementarer Teil
der Logik erst gründlich abgehandelt und wissenschaftlich ausgestaltet sein,
bevor man hoffen kann, eine exakte Behandlung auch der feineren und
feinsten Untersuchungen auf logischem Gebiete zu verwirklichen, bevor
man überhaupt erfolgreich an diese wird herantreten können. (Bd. 1.)

In der zeitweiligen Beschränkung auf scharf umgrenzte Klassen von
Aufgaben liegt die einzige Möglichkeit des Fortschritts in den Wissen-
schaften, und kann man den Himmel der Erkenntniss nicht auf einmal
herunterholen — vergleiche Goethe’s „In der Beschränkung zeigt sich
der Meister“, auf das wir schon einmal (Bd. 1, S. 521) anspielten.

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[182/0206] Neunzehnte Vorlesung. liche und sehr bedeutende Einschränkung der Klasse von Problemen, auf welche unsere Methoden zunächst nur anwendbar sein werden. Wie bedeutend diese Einschränkung ist wird in § 50 völlig deutlich werden. Einstweilen sei blos angeführt, dass wenn wir z. B. auch nur sprechen wollen von der „Farbe eines (gewissen) Salzes“, wir genötigt sind, eine Beziehung herzustellen und in’s Auge zu fassen zwischen dem Begriff der Farbe und dem des Salzes (überhaupt, oder auch dieses bestimmten, ge- dachten Salzes insbesondere), welche nicht aufgefasst werden kann als eine Relation im Sinne der Paragraphen 32 bis 36 zwischen den Umfängen der genannten Begriffe — eine Beziehung nämlich, allerdings wie gesagt zwischen diesen Begriffen, welche eben aber keine Umfangsbeziehung ist, welche durchaus nicht erscheint als eine Beziehung zwischen der Klasse der Farben und der Klasse der (eventuell der erwähnten) Salze. Dergleichen Beziehungen, wie sie namentlich durch den Genitivus, so- wie auch vermittelst der Kasus überhaupt und der Präpositionen sprach- lich ausgedrückt zu werden pflegen, fallen nicht ohne weiteres in das Ressort des bisherigen identischen Kalkuls, und werden wir uns hier der Notwendigkeit bewusst, auf die Logik der Umfangsbeziehungen (die „logic of absolute terms“ nach De Morgan und Peirce’s Ausdrucks- weise) folgen zu lassen eine Logik der Beziehungen überhaupt („logic of relatives“). Es sind in der That nur die alleräusserlichsten, sozusagen rohesten Beziehungen — jene Relationen der citirten Paragraphen, die Relationen zwischen Klassen — mit denen wir uns hier noch abgeben. Aber sie erscheinen auch als die elementarsten Beziehungen; sie bilden wenigstens den äussern Rahmen, in welchen sich das ganze Bild der Denk- prozesse notwendig einordnet. Denn ist es auch behufs Aufbaues des Sub- jekt- und Prädikatbegriffes selbst aus andern gegebenen Begriffen zumeist erforderlich noch ganz andre Beziehungen, als wie blosse Umfangsbeziehungen, zwischen den letzteren beizuziehen — wie beispielsweise die Beziehung zwischen einem handelnden „Subjekte“, seiner Handlung, Thätigkeit, und dem „Objekte“ dieser letztern — so läuft doch das primäre Urteilen selbst (wie in § 1 und 2 schon erläutert) logisch immer auf die Konstatirung einer Umfangsbeziehung zwischen dem (wie gesagt irgendwie zustande ge- kommnen, konstruirten) Subjekt- und Prädikatbegriffe unfehlbar hinaus. Und wie die Geometrie voraufgehen muss der Kinematik und Mechanik, diese wieder der Elasticitätslehre, so muss auch unser elementarer Teil der Logik erst gründlich abgehandelt und wissenschaftlich ausgestaltet sein, bevor man hoffen kann, eine exakte Behandlung auch der feineren und feinsten Untersuchungen auf logischem Gebiete zu verwirklichen, bevor man überhaupt erfolgreich an diese wird herantreten können. (Bd. 1.) In der zeitweiligen Beschränkung auf scharf umgrenzte Klassen von Aufgaben liegt die einzige Möglichkeit des Fortschritts in den Wissen- schaften, und kann man den Himmel der Erkenntniss nicht auf einmal herunterholen — vergleiche Goethe’s „In der Beschränkung zeigt sich der Meister“, auf das wir schon einmal (Bd. 1, S. 521) anspielten.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/206>, abgerufen am 05.05.2024.