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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Siebzehnte Vorlesung.
sehen, wie sie je nur einen Teil ihrer Fläche gemein haben. Das Zeichen
gibt aber nur den wesentlichen Teil der Figur wieder: es drückt die Exi-
stenz des gemeinsamen Gebietes A B dadurch aus, dass es dieses vollstän-
dig in seiner Mitte dem Blick darbietet, zugleich lässt es erkennen, dass
A sowol als B noch über diesen gemeinsamen Teil A B hinausgehen
("overlap") -- wie weit noch? dieses eben lässt unser Zeichen -- als
für die Beziehung nebensächlich -- offen, dies allein verschmäht es, fertig
auszudrücken. Das Zeichen besitzt in der geschilderten Hinsicht sogar
einen Vorzug vor den Über- und Unterordnungszeichen, in Bezug auf
welche wir bereits Bd. 1, S. 131 auseinandergesetzt haben, dass und warum ein
ebenso getreues Nachbilden der Figur hier nicht angängig erscheint*), und
wie man sich dafür zu behelfen hat. Ebenso wie diese ist es eminent
mnemonisch.

Eine Proposition der vierten Art g, = a, das ist eine Aussage
der Form
A B
mögen wir eine "Schnittbeziehung" nennen. Leider fehlt ein international
verwendbar erscheinendes Fremdwort, indem "Sektion" anderweitig ver-

*) Auf diesem Umstand beruht es wol schon vonhause aus, dass schwer-
lich das Ideal eines vollkommen ausdrucksvollen und zugleich konsequenten Be-
zeichnungssystems für alle unsre Beziehungen überhaupt zu verwirklichen sein
möchte. Vielmehr ist mit einem kleinen Kompromisse vorlieb zu nehmen:
Vom Zeichen ist insbesondre zu merken, dass dasselbe als ein einfaches
oder ursprüngliches zu gelten habe. Dasselbe darf nicht etwa als ein aus
und zusammengesetztes angesehen und mit: oder gedeutet werden, so
wie uns z. B. bisher zu gelten hatte:
[Formel 1] Als eine fernere Unvollkommenheit unsres Systems von Beziehungszeichen
verhehle ich mir auch keineswegs, betone ich vielmehr diesen Umstand: dass
wenn wir ein solches als Alternative zusammengesetztes Zeichen mittelst verti-
kaler Durchstreichung negiren, wobei nach Th. 36) gelten muss:
[Formel 2] auch keineswegs die Alternative zwischen den beiden Beziehungen und ,
deren Zeichen sich doch aus dem resultirenden herauslesen lassen, demselben
als Bedeutung wird untergelegt werden dürfen, sondern vielmehr das Bestehen
jener beiden Beziehungen hier als ein gleichzeitiges gefordert wird!
Unschwer könnten unsre Bezeichnungsprinzipien auch als solche formulirt
und durch gewisse Regeln (als Exceptionen) so verklausulirt werden, dass allge-
mein jede missverständliche Deutung der Zeichen ausgeschlossen wäre. Doch
scheint es mir schon ausreichend, jene Prinzipien stillschweigend bei der indivi-
duellen Einführung der einzelnen Zeichen nur einfach zu bethätigen. Die Unver-
meidlichkeit solcher Exceptionen thut dem rationellen und mnemonischen Cha-
rakter unsres Bezeichnungssystems keinen Eintrag, und enthält den Hinweis, dass
man, wie zumeist auch sonst im Leben, so auch auf diesem Felde, eben mit einem
Kompromisse sich zu begnügen habe. Solcher bleibt der baaren Systemlosigkeit
doch bei weitem vorzuziehen.

Siebzehnte Vorlesung.
sehen, wie sie je nur einen Teil ihrer Fläche gemein haben. Das Zeichen
gibt aber nur den wesentlichen Teil der Figur wieder: es drückt die Exi-
stenz des gemeinsamen Gebietes A B dadurch aus, dass es dieses vollstän-
dig in seiner Mitte dem Blick darbietet, zugleich lässt es erkennen, dass
A sowol als B noch über diesen gemeinsamen Teil A B hinausgehen
(„overlap“) — wie weit noch? dieses eben lässt unser Zeichen — als
für die Beziehung nebensächlich — offen, dies allein verschmäht es, fertig
auszudrücken. Das Zeichen besitzt in der geschilderten Hinsicht sogar
einen Vorzug vor den Über- und Unterordnungszeichen, in Bezug auf
welche wir bereits Bd. 1, S. 131 auseinandergesetzt haben, dass und warum ein
ebenso getreues Nachbilden der Figur hier nicht angängig erscheint*), und
wie man sich dafür zu behelfen hat. Ebenso wie diese ist es eminent
mnemonisch.

Eine Proposition der vierten Art g, = α, das ist eine Aussage
der Form
A B
mögen wir eine „Schnittbeziehung“ nennen. Leider fehlt ein international
verwendbar erscheinendes Fremdwort, indem „Sektion“ anderweitig ver-

*) Auf diesem Umstand beruht es wol schon vonhause aus, dass schwer-
lich das Ideal eines vollkommen ausdrucksvollen und zugleich konsequenten Be-
zeichnungssystems für alle unsre Beziehungen überhaupt zu verwirklichen sein
möchte. Vielmehr ist mit einem kleinen Kompromisse vorlieb zu nehmen:
Vom Zeichen ist insbesondre zu merken, dass dasselbe als ein einfaches
oder ursprüngliches zu gelten habe. Dasselbe darf nicht etwa als ein aus ⊃
und ⊂ zusammengesetztes angesehen und mit: ⊂ oder ⊃ gedeutet werden, so
wie uns z. B. bisher zu gelten hatte:
[Formel 1] Als eine fernere Unvollkommenheit unsres Systems von Beziehungszeichen
verhehle ich mir auch keineswegs, betone ich vielmehr diesen Umstand: dass
wenn wir ein solches als Alternative zusammengesetztes Zeichen mittelst verti-
kaler Durchstreichung negiren, wobei nach Th. 36) gelten muss:
[Formel 2] auch keineswegs die Alternative zwischen den beiden Beziehungen ⊄ und ≠,
deren Zeichen sich doch aus dem resultirenden herauslesen lassen, demselben
als Bedeutung wird untergelegt werden dürfen, sondern vielmehr das Bestehen
jener beiden Beziehungen hier als ein gleichzeitiges gefordert wird!
Unschwer könnten unsre Bezeichnungsprinzipien auch als solche formulirt
und durch gewisse Regeln (als Exceptionen) so verklausulirt werden, dass allge-
mein jede missverständliche Deutung der Zeichen ausgeschlossen wäre. Doch
scheint es mir schon ausreichend, jene Prinzipien stillschweigend bei der indivi-
duellen Einführung der einzelnen Zeichen nur einfach zu bethätigen. Die Unver-
meidlichkeit solcher Exceptionen thut dem rationellen und mnemonischen Cha-
rakter unsres Bezeichnungssystems keinen Eintrag, und enthält den Hinweis, dass
man, wie zumeist auch sonst im Leben, so auch auf diesem Felde, eben mit einem
Kompromisse sich zu begnügen habe. Solcher bleibt der baaren Systemlosigkeit
doch bei weitem vorzuziehen.
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[98/0122] Siebzehnte Vorlesung. sehen, wie sie je nur einen Teil ihrer Fläche gemein haben. Das Zeichen gibt aber nur den wesentlichen Teil der Figur wieder: es drückt die Exi- stenz des gemeinsamen Gebietes A B dadurch aus, dass es dieses vollstän- dig in seiner Mitte dem Blick darbietet, zugleich lässt es erkennen, dass A sowol als B noch über diesen gemeinsamen Teil A B hinausgehen („overlap“) — wie weit noch? dieses eben lässt unser Zeichen — als für die Beziehung nebensächlich — offen, dies allein verschmäht es, fertig auszudrücken. Das Zeichen besitzt in der geschilderten Hinsicht sogar einen Vorzug vor den Über- und Unterordnungszeichen, in Bezug auf welche wir bereits Bd. 1, S. 131 auseinandergesetzt haben, dass und warum ein ebenso getreues Nachbilden der Figur hier nicht angängig erscheint *), und wie man sich dafür zu behelfen hat. Ebenso wie diese ist es eminent mnemonisch. Eine Proposition der vierten Art g, = α, das ist eine Aussage der Form A  B mögen wir eine „Schnittbeziehung“ nennen. Leider fehlt ein international verwendbar erscheinendes Fremdwort, indem „Sektion“ anderweitig ver- *) Auf diesem Umstand beruht es wol schon vonhause aus, dass schwer- lich das Ideal eines vollkommen ausdrucksvollen und zugleich konsequenten Be- zeichnungssystems für alle unsre Beziehungen überhaupt zu verwirklichen sein möchte. Vielmehr ist mit einem kleinen Kompromisse vorlieb zu nehmen: Vom Zeichen  ist insbesondre zu merken, dass dasselbe als ein einfaches oder ursprüngliches zu gelten habe. Dasselbe darf nicht etwa als ein aus ⊃ und ⊂ zusammengesetztes angesehen und mit: ⊂ oder ⊃ gedeutet werden, so wie uns z. B. bisher zu gelten hatte: [FORMEL] Als eine fernere Unvollkommenheit unsres Systems von Beziehungszeichen verhehle ich mir auch keineswegs, betone ich vielmehr diesen Umstand: dass wenn wir ein solches als Alternative zusammengesetztes Zeichen mittelst verti- kaler Durchstreichung negiren, wobei nach Th. 36) gelten muss: [FORMEL] auch keineswegs die Alternative zwischen den beiden Beziehungen ⊄ und ≠, deren Zeichen sich doch aus dem resultirenden  herauslesen lassen, demselben als Bedeutung wird untergelegt werden dürfen, sondern vielmehr das Bestehen jener beiden Beziehungen hier als ein gleichzeitiges gefordert wird! Unschwer könnten unsre Bezeichnungsprinzipien auch als solche formulirt und durch gewisse Regeln (als Exceptionen) so verklausulirt werden, dass allge- mein jede missverständliche Deutung der Zeichen ausgeschlossen wäre. Doch scheint es mir schon ausreichend, jene Prinzipien stillschweigend bei der indivi- duellen Einführung der einzelnen Zeichen nur einfach zu bethätigen. Die Unver- meidlichkeit solcher Exceptionen thut dem rationellen und mnemonischen Cha- rakter unsres Bezeichnungssystems keinen Eintrag, und enthält den Hinweis, dass man, wie zumeist auch sonst im Leben, so auch auf diesem Felde, eben mit einem Kompromisse sich zu begnügen habe. Solcher bleibt der baaren Systemlosigkeit doch bei weitem vorzuziehen.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/122>, abgerufen am 27.04.2024.