Recht instruktiv und zu richtiger Anwendung vorstehender Unter- scheidungen erziehend ist ein logisches Gesellschaftsspiel: das Ratspiel, bei welchem, unter zeitweiliger Entfernung eines Mitspielenden, sich die übrige Gesellschaft über irgend ein Benennbares, jenem zum Erraten aufzugebendes Objekt des Denkens einigt. Der Ratende hat der Reihe nach an jeden Ein- geweihten eine beliebige Frage in Bezug auf das zu erratende Objekt zu stellen, die aber nur mit "Ja" oder mit "Nein" -- und im Zweifelsfalle mit "Ja-nein" -- beantwortet werden darf und korrekt zu beantworten ist; das Fragen mag so lange im Ring herum fortgesetzt werden, bis die Lösung erfolgt, das aufgegebene Objekt vom Ratenden bei seinem Namen genannt, oder aber der Versuch des Ratens aufgegeben wird. Fragen über die Buchstaben und Silben, die den Namen zusammensetzen, sind ausgeschlossen.
Das Spiel gibt oft die überraschendsten Aufschlüsse über die logische und intellektuelle Verfassung einzelner von den beteiligten Persönlichkeiten, und durch die nach erfolgtem Raten häufig sich anspinnende Diskussion als Erläuterung oder Rechtfertigung für gegebene Antworten, sowie durch die zuweilen schon im Laufe desselben mittelst Protests aus der Gesellschaft erfolgende Remedur für eine unrichtig erfolgende Antwort des Einzelnen gibt es vielfach Anregung zur Klärung der Begriffe.
Es können nicht nur individuelle Gegenstände aus der materiellen Welt aufgegeben werden, bei denen die Kategorieen der Zeit und des Ortes meist rasch auf die Spur zu helfen pflegen, sondern auch allgemein gefasste, mittelst Gemeinnamens dargestellte, Objekte -- wie z. B. "Schwefelhölzer". Bei einiger logischen Schulung der Teilnehmer pflegen selbst Abstrakta als Gemeinnamen, wie z. B. "der Sommer", "Wahrscheinlichkeit", "der Prädesti- nationsglaube", "ein Missverständniss" und dergl. unschwer geraten zu werden. Als überraschend reichhaltig erweisen sich die Kategorieen des Zweckes bei den Erzeugnissen menschlicher Kunst.
Bedingung für die Lösbarkeit der Aufgabe ist die Einsinnigkeit des zum Raten Aufgegebenen: es muss, falls dessen Name ein doppelsinnig ge- bräuchlicher sein sollte, die Gesellschaft sich zuvor über eine bestimmte unter seinen Bedeutungen als die hier dem Namen beizulegende geeinigt haben.
Natürlich wird in praxi auch bei dem Ratenden eine Kenntniss von der Existenz des betreffenden Objektes oder wenigstens von seinesgleichen, vorauszusetzen sein. Wer nie von dem neuentdeckten Metall Germanium, vom Neptunsmond Oberon oder von der dunklen (sehr lichtschwachen) Neben- sonne des Sirius, vom Sehpurpur, von dem kopflosen Wirbeltier des mittel- ländischen Meeres, dem Fisch Amphioxus etc. gehört hat, wird solche nicht wol zu raten im stande sein. Und auch bei denjenigen, welchen es obliegt, die Antworten zu geben, muss eine hinlängliche Bekanntschaft mit den Eigen- schaften und Ingredienzien, mit dem ganzen Wesen des Ratobjektes vorliegen.
Einleitung.
Recht instruktiv und zu richtiger Anwendung vorstehender Unter- scheidungen erziehend ist ein logisches Gesellschaftsspiel: das Ratspiel, bei welchem, unter zeitweiliger Entfernung eines Mitspielenden, sich die übrige Gesellschaft über irgend ein Benennbares, jenem zum Erraten aufzugebendes Objekt des Denkens einigt. Der Ratende hat der Reihe nach an jeden Ein- geweihten eine beliebige Frage in Bezug auf das zu erratende Objekt zu stellen, die aber nur mit „Ja“ oder mit „Nein“ — und im Zweifelsfalle mit „Ja-nein“ — beantwortet werden darf und korrekt zu beantworten ist; das Fragen mag so lange im Ring herum fortgesetzt werden, bis die Lösung erfolgt, das aufgegebene Objekt vom Ratenden bei seinem Namen genannt, oder aber der Versuch des Ratens aufgegeben wird. Fragen über die Buchstaben und Silben, die den Namen zusammensetzen, sind ausgeschlossen.
Das Spiel gibt oft die überraschendsten Aufschlüsse über die logische und intellektuelle Verfassung einzelner von den beteiligten Persönlichkeiten, und durch die nach erfolgtem Raten häufig sich anspinnende Diskussion als Erläuterung oder Rechtfertigung für gegebene Antworten, sowie durch die zuweilen schon im Laufe desselben mittelst Protests aus der Gesellschaft erfolgende Remedur für eine unrichtig erfolgende Antwort des Einzelnen gibt es vielfach Anregung zur Klärung der Begriffe.
Es können nicht nur individuelle Gegenstände aus der materiellen Welt aufgegeben werden, bei denen die Kategorieen der Zeit und des Ortes meist rasch auf die Spur zu helfen pflegen, sondern auch allgemein gefasste, mittelst Gemeinnamens dargestellte, Objekte — wie z. B. „Schwefelhölzer“. Bei einiger logischen Schulung der Teilnehmer pflegen selbst Abstrakta als Gemeinnamen, wie z. B. „der Sommer“, „Wahrscheinlichkeit“, „der Prädesti- nationsglaube“, „ein Missverständniss“ und dergl. unschwer geraten zu werden. Als überraschend reichhaltig erweisen sich die Kategorieen des Zweckes bei den Erzeugnissen menschlicher Kunst.
Bedingung für die Lösbarkeit der Aufgabe ist die Einsinnigkeit des zum Raten Aufgegebenen: es muss, falls dessen Name ein doppelsinnig ge- bräuchlicher sein sollte, die Gesellschaft sich zuvor über eine bestimmte unter seinen Bedeutungen als die hier dem Namen beizulegende geeinigt haben.
Natürlich wird in praxi auch bei dem Ratenden eine Kenntniss von der Existenz des betreffenden Objektes oder wenigstens von seinesgleichen, vorauszusetzen sein. Wer nie von dem neuentdeckten Metall Germanium, vom Neptunsmond Oberon oder von der dunklen (sehr lichtschwachen) Neben- sonne des Sirius, vom Sehpurpur, von dem kopflosen Wirbeltier des mittel- ländischen Meeres, dem Fisch Amphioxus etc. gehört hat, wird solche nicht wol zu raten im stande sein. Und auch bei denjenigen, welchen es obliegt, die Antworten zu geben, muss eine hinlängliche Bekanntschaft mit den Eigen- schaften und Ingredienzien, mit dem ganzen Wesen des Ratobjektes vorliegen.
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Einleitung.
Recht instruktiv und zu richtiger Anwendung vorstehender Unter-
scheidungen erziehend ist ein logisches Gesellschaftsspiel: das Ratspiel, bei
welchem, unter zeitweiliger Entfernung eines Mitspielenden, sich die übrige
Gesellschaft über irgend ein Benennbares, jenem zum Erraten aufzugebendes
Objekt des Denkens einigt. Der Ratende hat der Reihe nach an jeden Ein-
geweihten eine beliebige Frage in Bezug auf das zu erratende Objekt zu
stellen, die aber nur mit „Ja“ oder mit „Nein“ — und im Zweifelsfalle
mit „Ja-nein“ — beantwortet werden darf und korrekt zu beantworten ist;
das Fragen mag so lange im Ring herum fortgesetzt werden, bis die Lösung
erfolgt, das aufgegebene Objekt vom Ratenden bei seinem Namen genannt,
oder aber der Versuch des Ratens aufgegeben wird. Fragen über die
Buchstaben und Silben, die den Namen zusammensetzen, sind ausgeschlossen.
Das Spiel gibt oft die überraschendsten Aufschlüsse über die logische
und intellektuelle Verfassung einzelner von den beteiligten Persönlichkeiten,
und durch die nach erfolgtem Raten häufig sich anspinnende Diskussion
als Erläuterung oder Rechtfertigung für gegebene Antworten, sowie durch
die zuweilen schon im Laufe desselben mittelst Protests aus der Gesellschaft
erfolgende Remedur für eine unrichtig erfolgende Antwort des Einzelnen
gibt es vielfach Anregung zur Klärung der Begriffe.
Es können nicht nur individuelle Gegenstände aus der materiellen Welt
aufgegeben werden, bei denen die Kategorieen der Zeit und des Ortes meist
rasch auf die Spur zu helfen pflegen, sondern auch allgemein gefasste,
mittelst Gemeinnamens dargestellte, Objekte — wie z. B. „Schwefelhölzer“.
Bei einiger logischen Schulung der Teilnehmer pflegen selbst Abstrakta als
Gemeinnamen, wie z. B. „der Sommer“, „Wahrscheinlichkeit“, „der Prädesti-
nationsglaube“, „ein Missverständniss“ und dergl. unschwer geraten zu werden.
Als überraschend reichhaltig erweisen sich die Kategorieen des Zweckes bei
den Erzeugnissen menschlicher Kunst.
Bedingung für die Lösbarkeit der Aufgabe ist die Einsinnigkeit des
zum Raten Aufgegebenen: es muss, falls dessen Name ein doppelsinnig ge-
bräuchlicher sein sollte, die Gesellschaft sich zuvor über eine bestimmte
unter seinen Bedeutungen als die hier dem Namen beizulegende geeinigt haben.
Natürlich wird in praxi auch bei dem Ratenden eine Kenntniss von
der Existenz des betreffenden Objektes oder wenigstens von seinesgleichen,
vorauszusetzen sein. Wer nie von dem neuentdeckten Metall Germanium,
vom Neptunsmond Oberon oder von der dunklen (sehr lichtschwachen) Neben-
sonne des Sirius, vom Sehpurpur, von dem kopflosen Wirbeltier des mittel-
ländischen Meeres, dem Fisch Amphioxus etc. gehört hat, wird solche nicht
wol zu raten im stande sein. Und auch bei denjenigen, welchen es obliegt,
die Antworten zu geben, muss eine hinlängliche Bekanntschaft mit den Eigen-
schaften und Ingredienzien, mit dem ganzen Wesen des Ratobjektes vorliegen.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/99>, abgerufen am 29.11.2024.
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