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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Eilfte Vorlesung.
nachgewiesen werden, indem man etwa alle erdenklichen Werte und
Wertsysteme durchprobirte, dieselben für unsre Buchstabensymbole ein-
setzend und das Einsetzungsergebniss auf seine Richtigkeit als spezielle
Proposition in jedem Falle prüfend. Vielmehr steht uns, wenn wir eine
allgemeine Proposition für eine Formel ausgeben, nur die Berufung auf
das Gefühl der Evidenz zugebote, mit der wir sei es ihr Schema selbst, sei
es dasjenige der Voraussetzungen aus denen sie abgeleitet wurde, sowie
der Schlüsse die von da zu ihr hinführten, als denknotwendige erkennen.

Alle übrigen bisher vorgekommenen Propositionen (zunächst sofern die
in ihnen auftretenden Buchstaben nicht durchweg ganz spezielle Bedeu-
tungen hatten) sind Exempel von "synthetischen" Propositionen. So nament-
lich die in unsern Theoremen angeführten Subsumtionen oder Gleichungen,
welche als Voraussetzungen oder Bedingungen, desgleichen diejenigen welche
dann als Behauptung in dem Theorem hingestellt wurden. Ebenso, wenn
zwei Propositionen als einander äquivalent hingestellt wurden, wo dann die
eine von der andern und diese von jener bedingt wird, waren es allemal
synthetische Propositionen.

Ein einfachstes Beispiel einer synthetischen Proposition ist insbeson-
dere die Subsumtion a b. Diese gilt ja nicht als allgemeine Formel für
beliebige Wertepaare oder Bedeutungen von a und b. Es gibt Fälle (illustrirt
durch Fig. 1) in welchen sie richtig, andere (illustrirt z. B. durch Fig. 7 .. 11)
in welchen sie falsch ist. Ebenso die Gleichung a b = a, etc.

Wenn Prinzip II aussagte, unter den Voraussetzungen a b und
b c gelte die Behauptung a c, oder wenn Th. 37) aussagte, die bei-
den Subsumtionen a b und b1 a1 seien äquivalent, so waren alle diese
Subsumtionen synthetische.

Um eine allgemeine Proposition als eine synthetische nachzuweisen,
genügt es schon, ein einziges Wertsystem ausfindig zu machen, anzu-
geben, welches, für die Buchstaben in sie eingesetzt, eine falsche spe-
zielle Proposition liefert.

So kann a + b a nur eine synthetische Proposition sein, sowol wenn
a und b unbestimmte Gebiete vorstellen, als auch, wenn eines derselben,
z. B. b als ein spezieller Kreis gegeben sein sollte. Man braucht nämlich
dem a nur die Bedeutung eines ausserhalb b liegenden Kreises beizulegen,
um durch die Anschauung zu erkennen, dass alsdann sie falsch wird.

Von den synthetischen Propositionen kann man sagen, dass sie
eine Beziehung zwischen den in sie eingehenden Gebieten ausdrücken
oder etabliren, man kann sie mit einem Wort auch "Relationen" (im
engeren Sinne) nennen.

So drückt die letztbetrachtete a + b a, wie leicht zu sehen, die Be-
ziehung zwischen den Gebieten a und b aus, dass b in a enthalten ist,
was kürzer auch b a sagen würde. Die analytische Proposition oder
Formel a b a dagegen drückt keinc Beziehung zwischen a und b selbst

Eilfte Vorlesung.
nachgewiesen werden, indem man etwa alle erdenklichen Werte und
Wertsysteme durchprobirte, dieselben für unsre Buchstabensymbole ein-
setzend und das Einsetzungsergebniss auf seine Richtigkeit als spezielle
Proposition in jedem Falle prüfend. Vielmehr steht uns, wenn wir eine
allgemeine Proposition für eine Formel ausgeben, nur die Berufung auf
das Gefühl der Evidenz zugebote, mit der wir sei es ihr Schema selbst, sei
es dasjenige der Voraussetzungen aus denen sie abgeleitet wurde, sowie
der Schlüsse die von da zu ihr hinführten, als denknotwendige erkennen.

Alle übrigen bisher vorgekommenen Propositionen (zunächst sofern die
in ihnen auftretenden Buchstaben nicht durchweg ganz spezielle Bedeu-
tungen hatten) sind Exempel von „synthetischen“ Propositionen. So nament-
lich die in unsern Theoremen angeführten Subsumtionen oder Gleichungen,
welche als Voraussetzungen oder Bedingungen, desgleichen diejenigen welche
dann als Behauptung in dem Theorem hingestellt wurden. Ebenso, wenn
zwei Propositionen als einander äquivalent hingestellt wurden, wo dann die
eine von der andern und diese von jener bedingt wird, waren es allemal
synthetische Propositionen.

Ein einfachstes Beispiel einer synthetischen Proposition ist insbeson-
dere die Subsumtion ab. Diese gilt ja nicht als allgemeine Formel für
beliebige Wertepaare oder Bedeutungen von a und b. Es gibt Fälle (illustrirt
durch Fig. 1) in welchen sie richtig, andere (illustrirt z. B. durch Fig. 7 ‥ 11)
in welchen sie falsch ist. Ebenso die Gleichung a b = a, etc.

Wenn Prinzip II aussagte, unter den Voraussetzungen ab und
bc gelte die Behauptung ac, oder wenn Th. 37) aussagte, die bei-
den Subsumtionen ab und b1a1 seien äquivalent, so waren alle diese
Subsumtionen synthetische.

Um eine allgemeine Proposition als eine synthetische nachzuweisen,
genügt es schon, ein einziges Wertsystem ausfindig zu machen, anzu-
geben, welches, für die Buchstaben in sie eingesetzt, eine falsche spe-
zielle Proposition liefert.

So kann a + ba nur eine synthetische Proposition sein, sowol wenn
a und b unbestimmte Gebiete vorstellen, als auch, wenn eines derselben,
z. B. b als ein spezieller Kreis gegeben sein sollte. Man braucht nämlich
dem a nur die Bedeutung eines ausserhalb b liegenden Kreises beizulegen,
um durch die Anschauung zu erkennen, dass alsdann sie falsch wird.

Von den synthetischen Propositionen kann man sagen, dass sie
eine Beziehung zwischen den in sie eingehenden Gebieten ausdrücken
oder etabliren, man kann sie mit einem Wort auch „Relationen“ (im
engeren Sinne) nennen.

So drückt die letztbetrachtete a + ba, wie leicht zu sehen, die Be-
ziehung zwischen den Gebieten a und b aus, dass b in a enthalten ist,
was kürzer auch ba sagen würde. Die analytische Proposition oder
Formel a ba dagegen drückt keinc Beziehung zwischen a und b selbst

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[438/0458] Eilfte Vorlesung. nachgewiesen werden, indem man etwa alle erdenklichen Werte und Wertsysteme durchprobirte, dieselben für unsre Buchstabensymbole ein- setzend und das Einsetzungsergebniss auf seine Richtigkeit als spezielle Proposition in jedem Falle prüfend. Vielmehr steht uns, wenn wir eine allgemeine Proposition für eine Formel ausgeben, nur die Berufung auf das Gefühl der Evidenz zugebote, mit der wir sei es ihr Schema selbst, sei es dasjenige der Voraussetzungen aus denen sie abgeleitet wurde, sowie der Schlüsse die von da zu ihr hinführten, als denknotwendige erkennen. Alle übrigen bisher vorgekommenen Propositionen (zunächst sofern die in ihnen auftretenden Buchstaben nicht durchweg ganz spezielle Bedeu- tungen hatten) sind Exempel von „synthetischen“ Propositionen. So nament- lich die in unsern Theoremen angeführten Subsumtionen oder Gleichungen, welche als Voraussetzungen oder Bedingungen, desgleichen diejenigen welche dann als Behauptung in dem Theorem hingestellt wurden. Ebenso, wenn zwei Propositionen als einander äquivalent hingestellt wurden, wo dann die eine von der andern und diese von jener bedingt wird, waren es allemal synthetische Propositionen. Ein einfachstes Beispiel einer synthetischen Proposition ist insbeson- dere die Subsumtion a ⋹ b. Diese gilt ja nicht als allgemeine Formel für beliebige Wertepaare oder Bedeutungen von a und b. Es gibt Fälle (illustrirt durch Fig. 1) in welchen sie richtig, andere (illustrirt z. B. durch Fig. 7 ‥ 11) in welchen sie falsch ist. Ebenso die Gleichung a b = a, etc. Wenn Prinzip II aussagte, unter den Voraussetzungen a ⋹ b und b ⋹ c gelte die Behauptung a ⋹ c, oder wenn Th. 37) aussagte, die bei- den Subsumtionen a ⋹ b und b1 ⋹ a1 seien äquivalent, so waren alle diese Subsumtionen synthetische. Um eine allgemeine Proposition als eine synthetische nachzuweisen, genügt es schon, ein einziges Wertsystem ausfindig zu machen, anzu- geben, welches, für die Buchstaben in sie eingesetzt, eine falsche spe- zielle Proposition liefert. So kann a + b ⋹ a nur eine synthetische Proposition sein, sowol wenn a und b unbestimmte Gebiete vorstellen, als auch, wenn eines derselben, z. B. b als ein spezieller Kreis gegeben sein sollte. Man braucht nämlich dem a nur die Bedeutung eines ausserhalb b liegenden Kreises beizulegen, um durch die Anschauung zu erkennen, dass alsdann sie falsch wird. Von den synthetischen Propositionen kann man sagen, dass sie eine Beziehung zwischen den in sie eingehenden Gebieten ausdrücken oder etabliren, man kann sie mit einem Wort auch „Relationen“ (im engeren Sinne) nennen. So drückt die letztbetrachtete a + b ⋹ a, wie leicht zu sehen, die Be- ziehung zwischen den Gebieten a und b aus, dass b in a enthalten ist, was kürzer auch b ⋹ a sagen würde. Die analytische Proposition oder Formel a b ⋹ a dagegen drückt keinc Beziehung zwischen a und b selbst

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/458>, abgerufen am 22.11.2024.