slimmte" oder "variabele" eventuell als "allgemeine" Symbole hingestellt werden mögen) beigelegt denkt.
Wohl aber tritt auch hier bei einer Umschau ein grosser Gegen- satz zutage:
Wir bemerken -- schon unter den bisherigen -- solche Propo- sitionen, die richtig werden, welche Bedeutungen, Werte oder Wert- systeme man auch den in ihnen vorkommenden variablen Elementen beilegen mag, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.
Erstere nennen wir "analytische" Propositionen, die letzteren "syn- thetische".
Hierbei befinden wir uns in vollkommener Analogie mit dem Verfahren der numerisch rechnenden Mathematik, die ihre Buchstabengleichungen in analytische und synthetische einteilt.
Beispiele von "analytischen" Propositionen sind die Subsumtionen resp. Gleichungen: aa, 0 a, a 1, a ba, aa + b, a + a b = a, a a1 = 0, a + a1 = 1, a (b + c) = a b + a c, etc. Überhaupt jede in den bisherigen Sätzen, d. i. Axiomen ("Prinzipien") und Theoremen, als allgemeingültig hingestellte und eventuell bewiesene Sub- sumtion oder Gleichung wird als eine "analytische" Proposition zu bezeich- nen sein.
Analytische Propositionen, in unsrer Zeichensprache dargestellt, heissen mit einem Worte auch "Formeln" im strengen Sinn dieses Wortes.
Der Sprachgebrauch mit seinen Inkonsequenzen verwendet freilich manch- mal auch das Wort "Formel" als synonym mit (Buchstaben-)Ausdruck (ex- pressio, compound term), doch ist diese Verwendung die weitaus seltenere, hat meist einen rhetorischen Beigeschmack und ist eigentlich als inkorrekt zu qualifiziren -- so wenigstens für die Mathematik; ich habe nichts da- gegen, wenn der Chemiker nicht nur von der Formel für einen chemischen Vorgang, sondern auch von der "Formel" einer Substanz als einer chemi- schen Verbindung spricht.
In der Mathematik ist die Formel jeweils eine Gleichung (eventuell auch Ungleichung) also eine wirkliche Behauptung, nicht aber blos ein Aus- druck, Term oder Name für eine Zahl, und analog soll es auch im iden- tischen Kalkul gehalten werden.
Das charakteristische Merkmal der Formel schlechtweg ist dem- nach in ihrer Allgemeingültigkeit, ist darin zu erblicken, dass sie "er- füllt" ist, gilt, welche Wertsysteme (aus der zugrunde gelegten Man- nigfaltigkeit) man auch den in ihr vorkommenden Buchstabensymbolen unterlegt.
Niemals, freilich, kann hier solche Allgemeingültigkeit empirisch
§ 20. Analytische Propositionen, Formeln.
slimmte“ oder „variabele“ eventuell als „allgemeine“ Symbole hingestellt werden mögen) beigelegt denkt.
Wohl aber tritt auch hier bei einer Umschau ein grosser Gegen- satz zutage:
Wir bemerken — schon unter den bisherigen — solche Propo- sitionen, die richtig werden, welche Bedeutungen, Werte oder Wert- systeme man auch den in ihnen vorkommenden variablen Elementen beilegen mag, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.
Erstere nennen wir „analytische“ Propositionen, die letzteren „syn- thetische“.
Hierbei befinden wir uns in vollkommener Analogie mit dem Verfahren der numerisch rechnenden Mathematik, die ihre Buchstabengleichungen in analytische und synthetische einteilt.
Beispiele von „analytischen“ Propositionen sind die Subsumtionen resp. Gleichungen: a ⋹ a, 0 ⋹ a, a ⋹ 1, a b ⋹ a, a ⋹ a + b, a + a b = a, a a1 = 0, a + a1 = 1, a (b + c) = a b + a c, etc. Überhaupt jede in den bisherigen Sätzen, d. i. Axiomen („Prinzipien“) und Theoremen, als allgemeingültig hingestellte und eventuell bewiesene Sub- sumtion oder Gleichung wird als eine „analytische“ Proposition zu bezeich- nen sein.
Analytische Propositionen, in unsrer Zeichensprache dargestellt, heissen mit einem Worte auch „Formeln“ im strengen Sinn dieses Wortes.
Der Sprachgebrauch mit seinen Inkonsequenzen verwendet freilich manch- mal auch das Wort „Formel“ als synonym mit (Buchstaben-)Ausdruck (ex- pressio, compound term), doch ist diese Verwendung die weitaus seltenere, hat meist einen rhetorischen Beigeschmack und ist eigentlich als inkorrekt zu qualifiziren — so wenigstens für die Mathematik; ich habe nichts da- gegen, wenn der Chemiker nicht nur von der Formel für einen chemischen Vorgang, sondern auch von der „Formel“ einer Substanz als einer chemi- schen Verbindung spricht.
In der Mathematik ist die Formel jeweils eine Gleichung (eventuell auch Ungleichung) also eine wirkliche Behauptung, nicht aber blos ein Aus- druck, Term oder Name für eine Zahl, und analog soll es auch im iden- tischen Kalkul gehalten werden.
Das charakteristische Merkmal der Formel schlechtweg ist dem- nach in ihrer Allgemeingültigkeit, ist darin zu erblicken, dass sie „er- füllt“ ist, gilt, welche Wertsysteme (aus der zugrunde gelegten Man- nigfaltigkeit) man auch den in ihr vorkommenden Buchstabensymbolen unterlegt.
Niemals, freilich, kann hier solche Allgemeingültigkeit empirisch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0457"n="437"/><fwplace="top"type="header">§ 20. Analytische Propositionen, Formeln.</fw><lb/><hirendition="#i">slimmte</hi>“ oder „<hirendition="#i">variabele</hi>“ eventuell als „<hirendition="#i">allgemeine</hi>“ Symbole hingestellt<lb/>
werden mögen) beigelegt denkt.</p><lb/><p>Wohl aber tritt auch hier bei einer Umschau ein grosser Gegen-<lb/>
satz zutage:</p><lb/><p>Wir bemerken — schon unter den bisherigen — solche Propo-<lb/>
sitionen, die richtig werden, <hirendition="#i">welche</hi> Bedeutungen, Werte oder Wert-<lb/>
systeme man auch den in ihnen vorkommenden variablen Elementen<lb/>
beilegen mag, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.</p><lb/><p>Erstere nennen wir „<hirendition="#i">analytische</hi>“ Propositionen, die letzteren „<hirendition="#i">syn-<lb/>
thetische</hi>“.</p><lb/><p>Hierbei befinden wir uns in vollkommener Analogie mit dem Verfahren<lb/>
der numerisch rechnenden Mathematik, die ihre Buchstabengleichungen in<lb/>
analytische und synthetische einteilt.</p><lb/><p>Beispiele von „analytischen“ Propositionen sind die Subsumtionen resp.<lb/>
Gleichungen:<lb/><hirendition="#c"><hirendition="#i">a</hi>⋹<hirendition="#i">a</hi>, 0 ⋹<hirendition="#i">a</hi>, <hirendition="#i">a</hi>⋹ 1, <hirendition="#i">a b</hi>⋹<hirendition="#i">a</hi>, <hirendition="#i">a</hi>⋹<hirendition="#i">a</hi> + <hirendition="#i">b</hi>, <hirendition="#i">a</hi> + <hirendition="#i">a b</hi> = <hirendition="#i">a</hi>,<lb/><hirendition="#i">a a</hi><hirendition="#sub">1</hi> = 0, <hirendition="#i">a</hi> + <hirendition="#i">a</hi><hirendition="#sub">1</hi> = 1, <hirendition="#i">a</hi> (<hirendition="#i">b</hi> + <hirendition="#i">c</hi>) = <hirendition="#i">a b</hi> + <hirendition="#i">a c</hi>, etc.</hi><lb/>
Überhaupt jede in den bisherigen Sätzen, d. i. Axiomen („Prinzipien“) und<lb/>
Theoremen, als allgemeingültig hingestellte und eventuell bewiesene Sub-<lb/>
sumtion oder Gleichung wird als eine „analytische“ Proposition zu bezeich-<lb/>
nen sein.</p><lb/><p>Analytische Propositionen, in unsrer Zeichensprache dargestellt,<lb/>
heissen mit einem Worte auch „<hirendition="#i">Formeln</hi>“ im strengen Sinn dieses<lb/>
Wortes.</p><lb/><p>Der Sprachgebrauch mit seinen Inkonsequenzen verwendet freilich manch-<lb/>
mal auch das Wort „Formel“ als synonym mit (Buchstaben-)<hirendition="#i">Ausdruck</hi> (ex-<lb/>
pressio, compound term), doch ist diese Verwendung die weitaus seltenere,<lb/>
hat meist einen rhetorischen Beigeschmack und ist eigentlich als inkorrekt<lb/>
zu qualifiziren — so wenigstens für die Mathematik; ich habe nichts da-<lb/>
gegen, wenn der Chemiker nicht nur von der Formel für einen chemischen<lb/>
Vorgang, sondern auch von der „Formel“ einer Substanz als einer chemi-<lb/>
schen Verbindung spricht.</p><lb/><p>In der Mathematik ist die Formel jeweils eine Gleichung (eventuell<lb/>
auch Ungleichung) also eine wirkliche <hirendition="#i">Behauptung</hi>, nicht aber blos ein Aus-<lb/>
druck, Term oder <hirendition="#i">Name</hi> für eine Zahl, und analog soll es auch im iden-<lb/>
tischen Kalkul gehalten werden.</p><lb/><p>Das charakteristische Merkmal der Formel schlechtweg ist dem-<lb/>
nach in ihrer Allgemeingültigkeit, ist darin zu erblicken, dass sie „er-<lb/>
füllt“ ist, gilt, welche Wertsysteme (aus der zugrunde gelegten Man-<lb/>
nigfaltigkeit) man auch den in ihr vorkommenden Buchstabensymbolen<lb/>
unterlegt.</p><lb/><p>Niemals, freilich, kann <hirendition="#i">hier</hi> solche Allgemeingültigkeit empirisch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[437/0457]
§ 20. Analytische Propositionen, Formeln.
slimmte“ oder „variabele“ eventuell als „allgemeine“ Symbole hingestellt
werden mögen) beigelegt denkt.
Wohl aber tritt auch hier bei einer Umschau ein grosser Gegen-
satz zutage:
Wir bemerken — schon unter den bisherigen — solche Propo-
sitionen, die richtig werden, welche Bedeutungen, Werte oder Wert-
systeme man auch den in ihnen vorkommenden variablen Elementen
beilegen mag, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.
Erstere nennen wir „analytische“ Propositionen, die letzteren „syn-
thetische“.
Hierbei befinden wir uns in vollkommener Analogie mit dem Verfahren
der numerisch rechnenden Mathematik, die ihre Buchstabengleichungen in
analytische und synthetische einteilt.
Beispiele von „analytischen“ Propositionen sind die Subsumtionen resp.
Gleichungen:
a ⋹ a, 0 ⋹ a, a ⋹ 1, a b ⋹ a, a ⋹ a + b, a + a b = a,
a a1 = 0, a + a1 = 1, a (b + c) = a b + a c, etc.
Überhaupt jede in den bisherigen Sätzen, d. i. Axiomen („Prinzipien“) und
Theoremen, als allgemeingültig hingestellte und eventuell bewiesene Sub-
sumtion oder Gleichung wird als eine „analytische“ Proposition zu bezeich-
nen sein.
Analytische Propositionen, in unsrer Zeichensprache dargestellt,
heissen mit einem Worte auch „Formeln“ im strengen Sinn dieses
Wortes.
Der Sprachgebrauch mit seinen Inkonsequenzen verwendet freilich manch-
mal auch das Wort „Formel“ als synonym mit (Buchstaben-)Ausdruck (ex-
pressio, compound term), doch ist diese Verwendung die weitaus seltenere,
hat meist einen rhetorischen Beigeschmack und ist eigentlich als inkorrekt
zu qualifiziren — so wenigstens für die Mathematik; ich habe nichts da-
gegen, wenn der Chemiker nicht nur von der Formel für einen chemischen
Vorgang, sondern auch von der „Formel“ einer Substanz als einer chemi-
schen Verbindung spricht.
In der Mathematik ist die Formel jeweils eine Gleichung (eventuell
auch Ungleichung) also eine wirkliche Behauptung, nicht aber blos ein Aus-
druck, Term oder Name für eine Zahl, und analog soll es auch im iden-
tischen Kalkul gehalten werden.
Das charakteristische Merkmal der Formel schlechtweg ist dem-
nach in ihrer Allgemeingültigkeit, ist darin zu erblicken, dass sie „er-
füllt“ ist, gilt, welche Wertsysteme (aus der zugrunde gelegten Man-
nigfaltigkeit) man auch den in ihr vorkommenden Buchstabensymbolen
unterlegt.
Niemals, freilich, kann hier solche Allgemeingültigkeit empirisch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/457>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.