genommen, reflektirt. Die Frage, ob Geister durchsichtig seien (Drobisch) wird allgemein zu verneinen sein; aus dem genannten Grunde dürfen sie aber doch nicht "undurchsichtig" genannt werden. Logisch korrekt bleibt die Antwort: "Geister sind nicht-durchsichtig", wo dann mit der Negation Bezug genommen ist auf eine hinreichend umfassende Mannigfaltigkeit, welche neben dem Sichtbaren, der Körperwelt auch mindestens die Geister, und (nach Belieben) anderes mehr, umfasst.
Mit Denknotwendigkeit gelten nun die Gleichungen: 30x) a an = 0, 30+) a + an = 1, 31) ann = a, sowie 0n = 1 und 1n = 0.
Zunächst die beiden letzteren geben uns (für Klassen gedeutet) die Sätze: Nicht-nichts ist etwas -- eine Klasse, die, wie wir gesehen haben, Alles überhaupt (innerhalb der Mn.) Denkbare umfasst. Und Nicht- etwas ist nichts.
So unumschränkt diese Sätze auch zu gelten scheinen (zufolge unsrer Gewöhnung, mit unsern Überlegungen uns immer nur innerhalb einer "ge- wöhnlichen" Mn. zu bewegen), dürfen wir doch schon bei ihnen nicht ausser Acht lassen, dass für eine völlig offene Mn., für die "absolute" Mannig- faltigkeit des überhaupt zu denken Möglichen, dieselben keine Geltung haben werden, indem für sie -- wie in § 9, ps) gezeigt -- ein einheitliches, ein "absolutes Nichts" undenkbar ist. Schon durch seine blosse Benennung und Einführung, durch seine Adjungirung zu einem Teile der absoluten Mn. wurde das Nichts zu einem Individuum gestempelt, "individualisirt" für andere Teilmannigfaltigkeiten derselben. Das Nichts in Bezug auf eine gewöhnliche Mn. z. B. war allemal ein Individuum in Bezug auf die aus dieser "abgeleitete" Mn.: das Nichts der Grössenlehre war ein Individuum in der Klasse der Zahlen (die arithmetische 0), die Null des identischen Kalkuls ein Individuum in der Klasse der Gebiete oder in der Mn. der Klassen. Sie wurde selbst ja zu einem Gebiete, zu einer Klasse. Über- haupt ist "Nichts" immer ein Individuum in der Klasse der Eigennamen sowie der Namen schlechtweg, der Worte und der Symbole, eventuell der Vorstellungen, Gedankendinge oder Erfindungen des Menschen. Jedermann wird die Behauptung zugeben: Nichts ist etwas, wovon man reden, "etwas", worüber man verschiedener Meinung sein und streiten kann. Es existirt also schon der obige Gegensatz zwischen "nichts" und "etwas" in der ab- soluten Mn. nicht.
[Es könnte eingewendet werden, dass wir hier von "Nichts" immer nur in der suppositio nominalis gesprochen vergl. x1) der Einleitung, S. 44 -- von "dem Nichts", als dem Worte, ev. der Vorstellung des Nichts, aber nicht von der Sache, nicht von ebendiesen in der suppositio realis oder im Hinblick auf seine Bedeutung genommen, nicht wirklich von nichts. Allein im letztern Sinn kann davon überhaupt nicht gesprochen werden, man müsste denn schweigen.]
Die Gleichung 30x) a a1 = 0 sagt nun aus: Es gibt nichts, was zugleich (und im selben Sinne) a und nicht-a ist.
§ 16. Deutung der Negation für Klassen.
genommen, reflektirt. Die Frage, ob Geister durchsichtig seien (Drobisch) wird allgemein zu verneinen sein; aus dem genannten Grunde dürfen sie aber doch nicht „undurchsichtig“ genannt werden. Logisch korrekt bleibt die Antwort: „Geister sind nicht-durchsichtig“, wo dann mit der Negation Bezug genommen ist auf eine hinreichend umfassende Mannigfaltigkeit, welche neben dem Sichtbaren, der Körperwelt auch mindestens die Geister, und (nach Belieben) anderes mehr, umfasst.
Mit Denknotwendigkeit gelten nun die Gleichungen: 30×) a ā = 0, 30+) a + ā = 1, 31) ā̄ = a, sowie 0̄ = 1 und 1̄ = 0.
Zunächst die beiden letzteren geben uns (für Klassen gedeutet) die Sätze: Nicht-nichts ist etwas — eine Klasse, die, wie wir gesehen haben, Alles überhaupt (innerhalb der Mn.) Denkbare umfasst. Und Nicht- etwas ist nichts.
So unumschränkt diese Sätze auch zu gelten scheinen (zufolge unsrer Gewöhnung, mit unsern Überlegungen uns immer nur innerhalb einer „ge- wöhnlichen“ Mn. zu bewegen), dürfen wir doch schon bei ihnen nicht ausser Acht lassen, dass für eine völlig offene Mn., für die „absolute“ Mannig- faltigkeit des überhaupt zu denken Möglichen, dieselben keine Geltung haben werden, indem für sie — wie in § 9, ψ) gezeigt — ein einheitliches, ein „absolutes Nichts“ undenkbar ist. Schon durch seine blosse Benennung und Einführung, durch seine Adjungirung zu einem Teile der absoluten Mn. wurde das Nichts zu einem Individuum gestempelt, „individualisirt“ für andere Teilmannigfaltigkeiten derselben. Das Nichts in Bezug auf eine gewöhnliche Mn. z. B. war allemal ein Individuum in Bezug auf die aus dieser „abgeleitete“ Mn.: das Nichts der Grössenlehre war ein Individuum in der Klasse der Zahlen (die arithmetische 0), die Null des identischen Kalkuls ein Individuum in der Klasse der Gebiete oder in der Mn. der Klassen. Sie wurde selbst ja zu einem Gebiete, zu einer Klasse. Über- haupt ist „Nichts“ immer ein Individuum in der Klasse der Eigennamen sowie der Namen schlechtweg, der Worte und der Symbole, eventuell der Vorstellungen, Gedankendinge oder Erfindungen des Menschen. Jedermann wird die Behauptung zugeben: Nichts ist etwas, wovon man reden, „etwas“, worüber man verschiedener Meinung sein und streiten kann. Es existirt also schon der obige Gegensatz zwischen „nichts“ und „etwas“ in der ab- soluten Mn. nicht.
[Es könnte eingewendet werden, dass wir hier von „Nichts“ immer nur in der suppositio nominalis gesprochen vergl. ξ1) der Einleitung, S. 44 — von „dem Nichts“, als dem Worte, ev. der Vorstellung des Nichts, aber nicht von der Sache, nicht von ebendiesen in der suppositio realis oder im Hinblick auf seine Bedeutung genommen, nicht wirklich von nichts. Allein im letztern Sinn kann davon überhaupt nicht gesprochen werden, man müsste denn schweigen.]
Die Gleichung 30×) a a1 = 0 sagt nun aus: Es gibt nichts, was zugleich (und im selben Sinne) a und nicht-a ist.
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§ 16. Deutung der Negation für Klassen.
genommen, reflektirt. Die Frage, ob Geister durchsichtig seien (Drobisch)
wird allgemein zu verneinen sein; aus dem genannten Grunde dürfen sie
aber doch nicht „undurchsichtig“ genannt werden. Logisch korrekt bleibt
die Antwort: „Geister sind nicht-durchsichtig“, wo dann mit der Negation
Bezug genommen ist auf eine hinreichend umfassende Mannigfaltigkeit,
welche neben dem Sichtbaren, der Körperwelt auch mindestens die Geister,
und (nach Belieben) anderes mehr, umfasst.
Mit Denknotwendigkeit gelten nun die Gleichungen:
30×) a ā = 0, 30+) a + ā = 1, 31) ā̄ = a,
sowie
0̄ = 1 und 1̄ = 0.
Zunächst die beiden letzteren geben uns (für Klassen gedeutet) die
Sätze: Nicht-nichts ist etwas — eine Klasse, die, wie wir gesehen haben,
Alles überhaupt (innerhalb der Mn.) Denkbare umfasst. Und Nicht-
etwas ist nichts.
So unumschränkt diese Sätze auch zu gelten scheinen (zufolge unsrer
Gewöhnung, mit unsern Überlegungen uns immer nur innerhalb einer „ge-
wöhnlichen“ Mn. zu bewegen), dürfen wir doch schon bei ihnen nicht ausser
Acht lassen, dass für eine völlig offene Mn., für die „absolute“ Mannig-
faltigkeit des überhaupt zu denken Möglichen, dieselben keine Geltung
haben werden, indem für sie — wie in § 9, ψ) gezeigt — ein einheitliches,
ein „absolutes Nichts“ undenkbar ist. Schon durch seine blosse Benennung
und Einführung, durch seine Adjungirung zu einem Teile der absoluten
Mn. wurde das Nichts zu einem Individuum gestempelt, „individualisirt“
für andere Teilmannigfaltigkeiten derselben. Das Nichts in Bezug auf eine
gewöhnliche Mn. z. B. war allemal ein Individuum in Bezug auf die aus
dieser „abgeleitete“ Mn.: das Nichts der Grössenlehre war ein Individuum
in der Klasse der Zahlen (die arithmetische 0), die Null des identischen
Kalkuls ein Individuum in der Klasse der Gebiete oder in der Mn. der
Klassen. Sie wurde selbst ja zu einem Gebiete, zu einer Klasse. Über-
haupt ist „Nichts“ immer ein Individuum in der Klasse der Eigennamen
sowie der Namen schlechtweg, der Worte und der Symbole, eventuell der
Vorstellungen, Gedankendinge oder Erfindungen des Menschen. Jedermann
wird die Behauptung zugeben: Nichts ist etwas, wovon man reden, „etwas“,
worüber man verschiedener Meinung sein und streiten kann. Es existirt
also schon der obige Gegensatz zwischen „nichts“ und „etwas“ in der ab-
soluten Mn. nicht.
[Es könnte eingewendet werden, dass wir hier von „Nichts“ immer
nur in der suppositio nominalis gesprochen vergl. ξ1) der Einleitung, S. 44 —
von „dem Nichts“, als dem Worte, ev. der Vorstellung des Nichts, aber
nicht von der Sache, nicht von ebendiesen in der suppositio realis oder im
Hinblick auf seine Bedeutung genommen, nicht wirklich von nichts. Allein
im letztern Sinn kann davon überhaupt nicht gesprochen werden, man müsste
denn schweigen.]
Die Gleichung 30×) a a1 = 0 sagt nun aus: Es gibt nichts, was
zugleich (und im selben Sinne) a und nicht-a ist.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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