§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
stehend auffassen als die blosse Verneinung des Satzes "Du darfst dies thun", welchen das Kind als einen Fragesatz aufgeworfen, oder ob wir dasselbe deuten in dem Sinne: "Du gehörst zur Klasse der Personen, welche nicht es thun dürfen", dies ist in materieller Hinsicht ganz ohne Belang, kommt wesentlich auf dasselbe hinaus, Hier rächt es sich nicht, wenn man die Verneinungspartikel zur Kopula anstatt zum Prädikate schlägt.
Wollte aber darauf hin jemand behaupten, aus der Verneinung der Aussage: "Du darfst dies thun" sei mit Denknotwendigkeit gefolgt: "Du darfst dies nicht thun", oder umgekehrt, so wäre zu entgegnen, dass solcher Schluss von der Verneinung des "A ist B" auf die Behauptung "A ist nicht B" doch ein formell unrichtiger wäre. Im vorliegenden Falle, wo Prämisse und Konklusion materiell richtig, war der Schluss ein unvoll- ständiger, ein Enthymen. Und zwar beruhte er wesentlich mit auf einer stillschweigend übergangenen Nebenprämisse, besagend, dass das Subjekt "Du" resp. das "Ich" des Fragesatzes ein Individuum sei. Nach der Art, wie wir den Begriff des Individuums fassen, drückt diese unerwähnt ge- bliebene Prämisse einerseits aus, dass unser Subjekt nicht eine Mehrheit von Bedeutungen habe (keine Gattung ist), und andrerseits auch dass es existire, nicht "nichts" bedeute oder bedeutungslos wäre -- sodass, in der die Null adjungirt habenden exakten Logik wenigstens, die ausgelassene Prämisse auch als ein Paar von Prämissen hingestellt werden könnte.
Dass in der That ohne solche Prämisse der Schluss hinfällig wäre, wird sogleich ersichtlich, wenn wir nachher das Subjekt Ich, Du des Frage- und Antwortsatzes durch Wir, Ihr ersetzen.
Ganz anders (nämlich) verhält sich aber die Sache, wenn das Urteil a) ein generelles ist, mag es partikular, mag es universal sein. Hier geben die Sätze b) und g) verschiedenen Sinn, und wenn dem Sprachgebrauch unzweifelhaft entsprechend das Urteil a) interpretirt werden soll, so ist es durchaus nur im Sinne von g) zu deuten. Konse- quenterweise muss demnach die Verneinungspartikel zum Prädikate ge- schlagen werden.
Nehmen wir z. B. an, dass die ältern Geschwister etwas thun dürfen (vielleicht sogar sollen), was den jüngeren untersagt bleibt, so wird auf die Frage der Kinder oder des unter ihnen das Wort führenden: "Dürfen wir dies thun?" das "Nein" des Vaters in Kraft bleiben, denn ein "Ja" oder "Ihr dürft dies thun" würde es den jüngeren Geschwistern mit erlauben.
Die Antwort aber: "Ihr dürft dies nicht thun" würde es (nach dem Prinzipe: "quidquid de omnibus valet, etc.) auch den älteren ver- bieten! Und sie würde gewiss auch als ein solches Verbot verstanden werden.
Hier also ist es einmal jedenfalls nicht angängig, die Verneinung
§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
stehend auffassen als die blosse Verneinung des Satzes „Du darfst dies thun“, welchen das Kind als einen Fragesatz aufgeworfen, oder ob wir dasselbe deuten in dem Sinne: „Du gehörst zur Klasse der Personen, welche nicht es thun dürfen“, dies ist in materieller Hinsicht ganz ohne Belang, kommt wesentlich auf dasselbe hinaus, Hier rächt es sich nicht, wenn man die Verneinungspartikel zur Kopula anstatt zum Prädikate schlägt.
Wollte aber darauf hin jemand behaupten, aus der Verneinung der Aussage: „Du darfst dies thun“ sei mit Denknotwendigkeit gefolgt: „Du darfst dies nicht thun“, oder umgekehrt, so wäre zu entgegnen, dass solcher Schluss von der Verneinung des „A ist B“ auf die Behauptung „A ist nicht B“ doch ein formell unrichtiger wäre. Im vorliegenden Falle, wo Prämisse und Konklusion materiell richtig, war der Schluss ein unvoll- ständiger, ein Enthymen. Und zwar beruhte er wesentlich mit auf einer stillschweigend übergangenen Nebenprämisse, besagend, dass das Subjekt „Du“ resp. das „Ich“ des Fragesatzes ein Individuum sei. Nach der Art, wie wir den Begriff des Individuums fassen, drückt diese unerwähnt ge- bliebene Prämisse einerseits aus, dass unser Subjekt nicht eine Mehrheit von Bedeutungen habe (keine Gattung ist), und andrerseits auch dass es existire, nicht „nichts“ bedeute oder bedeutungslos wäre — sodass, in der die Null adjungirt habenden exakten Logik wenigstens, die ausgelassene Prämisse auch als ein Paar von Prämissen hingestellt werden könnte.
Dass in der That ohne solche Prämisse der Schluss hinfällig wäre, wird sogleich ersichtlich, wenn wir nachher das Subjekt Ich, Du des Frage- und Antwortsatzes durch Wir, Ihr ersetzen.
Ganz anders (nämlich) verhält sich aber die Sache, wenn das Urteil α) ein generelles ist, mag es partikular, mag es universal sein. Hier geben die Sätze β) und γ) verschiedenen Sinn, und wenn dem Sprachgebrauch unzweifelhaft entsprechend das Urteil α) interpretirt werden soll, so ist es durchaus nur im Sinne von γ) zu deuten. Konse- quenterweise muss demnach die Verneinungspartikel zum Prädikate ge- schlagen werden.
Nehmen wir z. B. an, dass die ältern Geschwister etwas thun dürfen (vielleicht sogar sollen), was den jüngeren untersagt bleibt, so wird auf die Frage der Kinder oder des unter ihnen das Wort führenden: „Dürfen wir dies thun?“ das „Nein“ des Vaters in Kraft bleiben, denn ein „Ja“ oder „Ihr dürft dies thun“ würde es den jüngeren Geschwistern mit erlauben.
Die Antwort aber: „Ihr dürft dies nicht thun“ würde es (nach dem Prinzipe: „quidquid de omnibus valet, etc.) auch den älteren ver- bieten! Und sie würde gewiss auch als ein solches Verbot verstanden werden.
Hier also ist es einmal jedenfalls nicht angängig, die Verneinung
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§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
stehend auffassen als die blosse Verneinung des Satzes „Du darfst dies
thun“, welchen das Kind als einen Fragesatz aufgeworfen, oder ob wir
dasselbe deuten in dem Sinne: „Du gehörst zur Klasse der Personen,
welche nicht es thun dürfen“, dies ist in materieller Hinsicht ganz
ohne Belang, kommt wesentlich auf dasselbe hinaus, Hier rächt es
sich nicht, wenn man die Verneinungspartikel zur Kopula anstatt zum
Prädikate schlägt.
Wollte aber darauf hin jemand behaupten, aus der Verneinung der
Aussage: „Du darfst dies thun“ sei mit Denknotwendigkeit gefolgt: „Du
darfst dies nicht thun“, oder umgekehrt, so wäre zu entgegnen, dass solcher
Schluss von der Verneinung des „A ist B“ auf die Behauptung „A ist
nicht B“ doch ein formell unrichtiger wäre. Im vorliegenden Falle, wo
Prämisse und Konklusion materiell richtig, war der Schluss ein unvoll-
ständiger, ein Enthymen. Und zwar beruhte er wesentlich mit auf einer
stillschweigend übergangenen Nebenprämisse, besagend, dass das Subjekt
„Du“ resp. das „Ich“ des Fragesatzes ein Individuum sei. Nach der Art,
wie wir den Begriff des Individuums fassen, drückt diese unerwähnt ge-
bliebene Prämisse einerseits aus, dass unser Subjekt nicht eine Mehrheit
von Bedeutungen habe (keine Gattung ist), und andrerseits auch dass es
existire, nicht „nichts“ bedeute oder bedeutungslos wäre — sodass, in der
die Null adjungirt habenden exakten Logik wenigstens, die ausgelassene
Prämisse auch als ein Paar von Prämissen hingestellt werden könnte.
Dass in der That ohne solche Prämisse der Schluss hinfällig wäre,
wird sogleich ersichtlich, wenn wir nachher das Subjekt Ich, Du des Frage-
und Antwortsatzes durch Wir, Ihr ersetzen.
Ganz anders (nämlich) verhält sich aber die Sache, wenn das
Urteil α) ein generelles ist, mag es partikular, mag es universal sein.
Hier geben die Sätze β) und γ) verschiedenen Sinn, und wenn dem
Sprachgebrauch unzweifelhaft entsprechend das Urteil α) interpretirt
werden soll, so ist es durchaus nur im Sinne von γ) zu deuten. Konse-
quenterweise muss demnach die Verneinungspartikel zum Prädikate ge-
schlagen werden.
Nehmen wir z. B. an, dass die ältern Geschwister etwas thun
dürfen (vielleicht sogar sollen), was den jüngeren untersagt bleibt, so
wird auf die Frage der Kinder oder des unter ihnen das Wort führenden:
„Dürfen wir dies thun?“ das „Nein“ des Vaters in Kraft bleiben, denn
ein „Ja“ oder „Ihr dürft dies thun“ würde es den jüngeren Geschwistern
mit erlauben.
Die Antwort aber: „Ihr dürft dies nicht thun“ würde es (nach
dem Prinzipe: „quidquid de omnibus valet, etc.) auch den älteren ver-
bieten! Und sie würde gewiss auch als ein solches Verbot verstanden
werden.
Hier also ist es einmal jedenfalls nicht angängig, die Verneinung
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/347>, abgerufen am 23.11.2024.
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