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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.
zutrifft, während Beispiele sich darbieten werden, in welchen A keines-
wegs zutrifft. Den Beispielen, sowie dem ganzen Kalkul wird ein her-
vorragendes Interesse auch an sich zukommen.

Die Anwendbarkeit des identischen Kalkuls auf das in § 3, S. 160
mitaufgezählte Feld z) wird demnach keine durchgängige sein, vielmehr
nur eine beschränkte, teilweise oder partielle; sie wird bei den Sätzen 26)
aufhören.

In der systematischen Darstellung der Theorie, mit der wir im
Zuge sind, werde ich also die behauptete Nichtbeweisbarkeit der Sub-
sumtion 26x) nunmehr als erwiesen ansehen.

Dieselbe bildet insofern auch kein wesentliches Moment dieser Theorie,
als der letzteren doch nur obliegt positiv fortzuschreiten, so gut sie es
eben vermag. Das Fortschreiten gelingt ersichtlich auf die Weise, in der
wir es ausführen werden, und auf die Herausforderung, es anders zu
machen, die Subsumtionen 26) mittelst Beweises auf Grundlage des Bis-
herigen zu Theoremen zu erheben, wird niemand sich melden können.

Wir stehen darnach einer merkwürdigen Thatsache gegenüber.

Nach der in § 8 erörterten sprachlichen Einkleidung von a + b
und a · b, wenn a und b als Klassen aufgefasst werden, sind die For-
meln 25x) und 26x) wie folgt in Worte zu fassen:

25x) a b + a c a (b + c). "Alle a, die b sind, nebst allen a, die c
sind
, müssen solche a sein, die b oder auch c sind."

Exempel: Die Gebildeten, welche adelig, und die Gebildeten, welche
wohlhabend sind (die adeligen Gebildeten und die wohlhabenden Ge-
bildeten), sind Gebildete, welche adelig oder auch wohlhabend sind.

26x) a (b + c) a b + a c. "Alle a, welche b oder auch c sind,
müssen solche a sein, die b sind, oder auch solche a, die c sind."

Exempel: Die Gebildeten, welche adelig oder auch wohlhabend
sind, sind adelige Gebildete oder auch wohlhabende Gebildete (sind
Gebildete, welche adelig, oder auch Gebildete, welche wohlhabend sind).

Von diesen beiden gleich selbstverständlich klingenden Sätzen lässt
der erstere sich syllogistisch beweisen
, der letztere nicht.

Bei den älteren blos verbalen Behandlungen der logischen Disziplin
ist wol sicherlich nie jemand darauf verfallen, jenen ersten Beweis zu
liefern, und übersah man ebenso die Unmöglichkeit des zweiten.

In dem Nachweise und der Ausfüllung solcher Lücken gibt sich
auch wol eine Überlegenheit der mathematischen Behandlungsweise
kund. --

Jene unberücksichtigt gebliebenen Sätze (ich denke fast: sie wer-
den auch nirgends ausgesprochen worden sein) sind nichtsdestoweniger
von der allerhäufigsten Anwendung (begreiflich zumeist unbewusster-

Schröder, Algebra der Logik. 19

§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.
zutrifft, während Beispiele sich darbieten werden, in welchen A keines-
wegs zutrifft. Den Beispielen, sowie dem ganzen Kalkul wird ein her-
vorragendes Interesse auch an sich zukommen.

Die Anwendbarkeit des identischen Kalkuls auf das in § 3, S. 160
mitaufgezählte Feld ζ) wird demnach keine durchgängige sein, vielmehr
nur eine beschränkte, teilweise oder partielle; sie wird bei den Sätzen 26)
aufhören.

In der systematischen Darstellung der Theorie, mit der wir im
Zuge sind, werde ich also die behauptete Nichtbeweisbarkeit der Sub-
sumtion 26×) nunmehr als erwiesen ansehen.

Dieselbe bildet insofern auch kein wesentliches Moment dieser Theorie,
als der letzteren doch nur obliegt positiv fortzuschreiten, so gut sie es
eben vermag. Das Fortschreiten gelingt ersichtlich auf die Weise, in der
wir es ausführen werden, und auf die Herausforderung, es anders zu
machen, die Subsumtionen 26) mittelst Beweises auf Grundlage des Bis-
herigen zu Theoremen zu erheben, wird niemand sich melden können.

Wir stehen darnach einer merkwürdigen Thatsache gegenüber.

Nach der in § 8 erörterten sprachlichen Einkleidung von a + b
und a · b, wenn a und b als Klassen aufgefasst werden, sind die For-
meln 25×) und 26×) wie folgt in Worte zu fassen:

25×) a b + a ca (b + c). „Alle a, die b sind, nebst allen a, die c
sind
, müssen solche a sein, die b oder auch c sind.“

Exempel: Die Gebildeten, welche adelig, und die Gebildeten, welche
wohlhabend sind (die adeligen Gebildeten und die wohlhabenden Ge-
bildeten), sind Gebildete, welche adelig oder auch wohlhabend sind.

26×) a (b + c) ⋹ a b + a c. „Alle a, welche b oder auch c sind,
müssen solche a sein, die b sind, oder auch solche a, die c sind.“

Exempel: Die Gebildeten, welche adelig oder auch wohlhabend
sind, sind adelige Gebildete oder auch wohlhabende Gebildete (sind
Gebildete, welche adelig, oder auch Gebildete, welche wohlhabend sind).

Von diesen beiden gleich selbstverständlich klingenden Sätzen lässt
der erstere sich syllogistisch beweisen
, der letztere nicht.

Bei den älteren blos verbalen Behandlungen der logischen Disziplin
ist wol sicherlich nie jemand darauf verfallen, jenen ersten Beweis zu
liefern, und übersah man ebenso die Unmöglichkeit des zweiten.

In dem Nachweise und der Ausfüllung solcher Lücken gibt sich
auch wol eine Überlegenheit der mathematischen Behandlungsweise
kund. —

Jene unberücksichtigt gebliebenen Sätze (ich denke fast: sie wer-
den auch nirgends ausgesprochen worden sein) sind nichtsdestoweniger
von der allerhäufigsten Anwendung (begreiflich zumeist unbewusster-

Schröder, Algebra der Logik. 19
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[289/0309] § 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes. zutrifft, während Beispiele sich darbieten werden, in welchen A keines- wegs zutrifft. Den Beispielen, sowie dem ganzen Kalkul wird ein her- vorragendes Interesse auch an sich zukommen. Die Anwendbarkeit des identischen Kalkuls auf das in § 3, S. 160 mitaufgezählte Feld ζ) wird demnach keine durchgängige sein, vielmehr nur eine beschränkte, teilweise oder partielle; sie wird bei den Sätzen 26) aufhören. In der systematischen Darstellung der Theorie, mit der wir im Zuge sind, werde ich also die behauptete Nichtbeweisbarkeit der Sub- sumtion 26×) nunmehr als erwiesen ansehen. Dieselbe bildet insofern auch kein wesentliches Moment dieser Theorie, als der letzteren doch nur obliegt positiv fortzuschreiten, so gut sie es eben vermag. Das Fortschreiten gelingt ersichtlich auf die Weise, in der wir es ausführen werden, und auf die Herausforderung, es anders zu machen, die Subsumtionen 26) mittelst Beweises auf Grundlage des Bis- herigen zu Theoremen zu erheben, wird niemand sich melden können. Wir stehen darnach einer merkwürdigen Thatsache gegenüber. Nach der in § 8 erörterten sprachlichen Einkleidung von a + b und a · b, wenn a und b als Klassen aufgefasst werden, sind die For- meln 25×) und 26×) wie folgt in Worte zu fassen: 25×) a b + a c ⋹ a (b + c). „Alle a, die b sind, nebst allen a, die c sind, müssen solche a sein, die b oder auch c sind.“ Exempel: Die Gebildeten, welche adelig, und die Gebildeten, welche wohlhabend sind (die adeligen Gebildeten und die wohlhabenden Ge- bildeten), sind Gebildete, welche adelig oder auch wohlhabend sind. 26×) a (b + c) ⋹ a b + a c. „Alle a, welche b oder auch c sind, müssen solche a sein, die b sind, oder auch solche a, die c sind.“ Exempel: Die Gebildeten, welche adelig oder auch wohlhabend sind, sind adelige Gebildete oder auch wohlhabende Gebildete (sind Gebildete, welche adelig, oder auch Gebildete, welche wohlhabend sind). Von diesen beiden gleich selbstverständlich klingenden Sätzen lässt der erstere sich syllogistisch beweisen, der letztere nicht. Bei den älteren blos verbalen Behandlungen der logischen Disziplin ist wol sicherlich nie jemand darauf verfallen, jenen ersten Beweis zu liefern, und übersah man ebenso die Unmöglichkeit des zweiten. In dem Nachweise und der Ausfüllung solcher Lücken gibt sich auch wol eine Überlegenheit der mathematischen Behandlungsweise kund. — Jene unberücksichtigt gebliebenen Sätze (ich denke fast: sie wer- den auch nirgends ausgesprochen worden sein) sind nichtsdestoweniger von der allerhäufigsten Anwendung (begreiflich zumeist unbewusster- Schröder, Algebra der Logik. 19

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/309>, abgerufen am 09.05.2024.