Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.
welches sie nicht zutrifft, und dieses für sie selbst oder eine ihrer Konse-
quenzen
zu thun, erscheint als der einzige Weg, ihre Ungültigkeit zu be-
weisen. Im letztern Fall hat man dafür einen sog. "apagogischen" oder
"indirekten" Beweis, die "reductio ad absurdum" -- wovon sich jene Exempli-
fikation auch als ein spezieller Fall würde hinstellen lassen, in Anbetracht,
dass die Geltung der Behauptung für das Beispiel ja eine Konsequenz ist
ihrer allgemeinen Geltung.

Handelt es sich insbesondre um den Nachweis der Ungültigkeit einer
Folgerung selbst, und zwar einer angeblichen Beweisführung für einen
materiell richtigen Satz, so bleibt nur der Weg des unmittelbaren Exem-
plifizirens offen und kommt folgendes in Betracht.

Dass ein Satz A aus einer Gruppe von Definitionen, Axiomen und
Sätzen B nicht mit Notwendigkeit folgt, wird jedenfalls dann unzweifel-
haft erwiesen sein, wenn es gelingt, ein Gebilde als wirklich oder
denkmöglich nachzuweisen, welches die Definitionen, Axiome (und Sätze)
der Gruppe B sämtlich bewahrheitet und gleichwol den Satz A nach-
weislich nicht erfüllt -- kurz: wenn man zeigt, dass irgendwo die
Sätze B ohne A geltend vorkommen. Dann in der That kann A von
B nicht bedingt werden.

In unserm vorliegenden Falle brauchen wir den Beweis der Nicht-
beweisbarkeit nur etwa für die Formel 26x) zu führen. Für die 26+)
ergibt sich derselbe alsdann als ein selbständiger ganz ebenso dual
entsprechend
, oder auch als ein vom vorigen abhängiger in unmittel-
barer Zurückführung auf diesen auf Grund einer am Anfange des
nächsten Paragraphen folgenden Bemerkung.

Der Satz A wird so die Formel 26x), die Gruppe B aber den
ganzen Inhalt der Paragraphen 4, 5, 6, 10, 11 vorstellen.

Es empfiehlt sich vielleicht, das Wesen dieser Schlüsse durch ein ein-
facheres Beispiel zu illustriren. Ich wähle folgendes Sophisma (aus Keynes1):

B Du bist nicht das, was ich bin.
Ich bin ein Mann,

folglich: A) bist du nicht ein Mann (kein Mann).

Sagt dies ein Mann zu irgend jemand, so sind die Prämissen B des
ausgeführten Schlusses richtig. Sagt er es zu einer Frau, so ist auch die
Konklusion, der Schlusssatz B materiell richtig, und dennoch ist der Schluss
unberechtigt, formell falsch! Dies wird erkannt, wenn man es ihn zu einem
Manne sagen lässt, wo dann eben die Konklusion auch materiell unrichtig
sein wird.

Es kann auch in der Anwendung des Satzes auf eine Frau die Un-
richtigkeit des Schlusses als solchen nachgewiesen werden, indem man das
Wort "Mann" durchweg durch das Wort "Mensch" ersetzt. Würde eine
vom Denkinhalte unabhängige Denknotwendigkeit von den Prämissen B
zur Konklusion A hinüberführen, so müsste dies gleichermassen der Fall
sein, durch welches andre nomen man auch irgend ein in der Schluss-

§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.
welches sie nicht zutrifft, und dieses für sie selbst oder eine ihrer Konse-
quenzen
zu thun, erscheint als der einzige Weg, ihre Ungültigkeit zu be-
weisen. Im letztern Fall hat man dafür einen sog. „apagogischen“ oder
indirektenBeweis, die „reductio ad absurdum“ — wovon sich jene Exempli-
fikation auch als ein spezieller Fall würde hinstellen lassen, in Anbetracht,
dass die Geltung der Behauptung für das Beispiel ja eine Konsequenz ist
ihrer allgemeinen Geltung.

Handelt es sich insbesondre um den Nachweis der Ungültigkeit einer
Folgerung selbst, und zwar einer angeblichen Beweisführung für einen
materiell richtigen Satz, so bleibt nur der Weg des unmittelbaren Exem-
plifizirens offen und kommt folgendes in Betracht.

Dass ein Satz A aus einer Gruppe von Definitionen, Axiomen und
Sätzen B nicht mit Notwendigkeit folgt, wird jedenfalls dann unzweifel-
haft erwiesen sein, wenn es gelingt, ein Gebilde als wirklich oder
denkmöglich nachzuweisen, welches die Definitionen, Axiome (und Sätze)
der Gruppe B sämtlich bewahrheitet und gleichwol den Satz A nach-
weislich nicht erfüllt — kurz: wenn man zeigt, dass irgendwo die
Sätze B ohne A geltend vorkommen. Dann in der That kann A von
B nicht bedingt werden.

In unserm vorliegenden Falle brauchen wir den Beweis der Nicht-
beweisbarkeit nur etwa für die Formel 26×) zu führen. Für die 26+)
ergibt sich derselbe alsdann als ein selbständiger ganz ebenso dual
entsprechend
, oder auch als ein vom vorigen abhängiger in unmittel-
barer Zurückführung auf diesen auf Grund einer am Anfange des
nächsten Paragraphen folgenden Bemerkung.

Der Satz A wird so die Formel 26×), die Gruppe B aber den
ganzen Inhalt der Paragraphen 4, 5, 6, 10, 11 vorstellen.

Es empfiehlt sich vielleicht, das Wesen dieser Schlüsse durch ein ein-
facheres Beispiel zu illustriren. Ich wähle folgendes Sophisma (aus Keynes1):

B Du bist nicht das, was ich bin.
Ich bin ein Mann,

folglich: A) bist du nicht ein Mann (kein Mann).

Sagt dies ein Mann zu irgend jemand, so sind die Prämissen B des
ausgeführten Schlusses richtig. Sagt er es zu einer Frau, so ist auch die
Konklusion, der Schlusssatz B materiell richtig, und dennoch ist der Schluss
unberechtigt, formell falsch! Dies wird erkannt, wenn man es ihn zu einem
Manne sagen lässt, wo dann eben die Konklusion auch materiell unrichtig
sein wird.

Es kann auch in der Anwendung des Satzes auf eine Frau die Un-
richtigkeit des Schlusses als solchen nachgewiesen werden, indem man das
Wort „Mann“ durchweg durch das Wort „Mensch“ ersetzt. Würde eine
vom Denkinhalte unabhängige Denknotwendigkeit von den Prämissen B
zur Konklusion A hinüberführen, so müsste dies gleichermassen der Fall
sein, durch welches andre nomen man auch irgend ein in der Schluss-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="287"/><fw place="top" type="header">§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.</fw><lb/>
welches sie nicht zutrifft, und dieses <hi rendition="#i">für sie selbst oder eine ihrer Konse-<lb/>
quenzen</hi> zu thun, erscheint als der einzige Weg, ihre Ungültigkeit zu be-<lb/>
weisen. Im letztern Fall hat man dafür einen sog. &#x201E;<hi rendition="#i">apagogischen</hi>&#x201C; oder<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i">indirekten</hi>&#x201C; <hi rendition="#i">Beweis</hi>, die &#x201E;<hi rendition="#i">reductio ad absurdum</hi>&#x201C; &#x2014; wovon sich jene Exempli-<lb/>
fikation auch als ein spezieller Fall würde hinstellen lassen, in Anbetracht,<lb/>
dass die Geltung der Behauptung für das Beispiel ja eine Konsequenz ist<lb/>
ihrer allgemeinen Geltung.</p><lb/>
          <p>Handelt es sich insbesondre um den Nachweis der Ungültigkeit einer<lb/><hi rendition="#i">Folgerung</hi> selbst, und zwar einer angeblichen Beweisführung für einen<lb/>
materiell richtigen Satz, so bleibt nur der Weg des unmittelbaren Exem-<lb/>
plifizirens offen und kommt folgendes in Betracht.</p><lb/>
          <p>Dass ein Satz <hi rendition="#i">A</hi> aus einer Gruppe von Definitionen, Axiomen und<lb/>
Sätzen <hi rendition="#i">B nicht</hi> mit Notwendigkeit folgt, wird jedenfalls dann unzweifel-<lb/>
haft erwiesen sein, wenn es gelingt, ein Gebilde als wirklich oder<lb/>
denkmöglich nachzuweisen, welches die Definitionen, Axiome (und Sätze)<lb/>
der Gruppe <hi rendition="#i">B</hi> sämtlich bewahrheitet und gleichwol den Satz <hi rendition="#i">A</hi> nach-<lb/>
weislich <hi rendition="#i">nicht</hi> erfüllt &#x2014; kurz: wenn man zeigt, dass irgendwo die<lb/>
Sätze <hi rendition="#i">B ohne A</hi> geltend vorkommen. Dann in der That kann <hi rendition="#i">A</hi> von<lb/><hi rendition="#i">B</hi> nicht bedingt werden.</p><lb/>
          <p>In unserm vorliegenden Falle brauchen wir den Beweis der Nicht-<lb/>
beweisbarkeit nur etwa für die Formel 26<hi rendition="#sub">×</hi>) zu führen. Für die 26<hi rendition="#sub">+</hi>)<lb/>
ergibt sich derselbe alsdann als ein selbständiger ganz ebenso <hi rendition="#i">dual<lb/>
entsprechend</hi>, oder auch als ein vom vorigen abhängiger in unmittel-<lb/>
barer Zurückführung auf diesen auf Grund einer am Anfange des<lb/>
nächsten Paragraphen folgenden Bemerkung.</p><lb/>
          <p>Der Satz <hi rendition="#i">A</hi> wird so die Formel 26<hi rendition="#sub">×</hi>), die Gruppe <hi rendition="#i">B</hi> aber den<lb/>
ganzen Inhalt der Paragraphen 4, 5, 6, 10, 11 vorstellen.</p><lb/>
          <p>Es empfiehlt sich vielleicht, das Wesen dieser Schlüsse durch ein ein-<lb/>
facheres Beispiel zu illustriren. Ich wähle folgendes Sophisma (aus <hi rendition="#g">Keynes</hi><hi rendition="#sup">1</hi>):</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">
              <list>
                <item> <hi rendition="#i">B</hi> <list rendition="#leftBraced">
                    <item>Du bist nicht das, was ich bin.</item><lb/>
                    <item>Ich bin ein Mann,</item>
                  </list>
                </item>
              </list>
            </hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">folglich: A</hi>) bist du nicht ein Mann (kein Mann).</p><lb/>
          <p>Sagt dies ein Mann zu irgend jemand, so sind die Prämissen <hi rendition="#i">B</hi> des<lb/>
ausgeführten Schlusses richtig. Sagt er es zu einer Frau, so ist auch die<lb/>
Konklusion, der Schlusssatz <hi rendition="#i">B</hi> materiell richtig, und dennoch ist der Schluss<lb/>
unberechtigt, formell falsch! Dies wird erkannt, wenn man es ihn zu einem<lb/>
Manne sagen lässt, wo dann eben die Konklusion auch materiell unrichtig<lb/>
sein wird.</p><lb/>
          <p>Es kann auch in der Anwendung des Satzes auf eine Frau die Un-<lb/>
richtigkeit des Schlusses als solchen nachgewiesen werden, indem man das<lb/>
Wort &#x201E;Mann&#x201C; durchweg durch das Wort &#x201E;Mensch&#x201C; ersetzt. Würde eine<lb/>
vom Denkinhalte unabhängige Denknotwendigkeit von den Prämissen <hi rendition="#i">B</hi><lb/>
zur Konklusion <hi rendition="#i">A</hi> hinüberführen, so müsste dies gleichermassen der Fall<lb/>
sein, durch welches andre nomen man auch irgend ein in der Schluss-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0307] § 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes. welches sie nicht zutrifft, und dieses für sie selbst oder eine ihrer Konse- quenzen zu thun, erscheint als der einzige Weg, ihre Ungültigkeit zu be- weisen. Im letztern Fall hat man dafür einen sog. „apagogischen“ oder „indirekten“ Beweis, die „reductio ad absurdum“ — wovon sich jene Exempli- fikation auch als ein spezieller Fall würde hinstellen lassen, in Anbetracht, dass die Geltung der Behauptung für das Beispiel ja eine Konsequenz ist ihrer allgemeinen Geltung. Handelt es sich insbesondre um den Nachweis der Ungültigkeit einer Folgerung selbst, und zwar einer angeblichen Beweisführung für einen materiell richtigen Satz, so bleibt nur der Weg des unmittelbaren Exem- plifizirens offen und kommt folgendes in Betracht. Dass ein Satz A aus einer Gruppe von Definitionen, Axiomen und Sätzen B nicht mit Notwendigkeit folgt, wird jedenfalls dann unzweifel- haft erwiesen sein, wenn es gelingt, ein Gebilde als wirklich oder denkmöglich nachzuweisen, welches die Definitionen, Axiome (und Sätze) der Gruppe B sämtlich bewahrheitet und gleichwol den Satz A nach- weislich nicht erfüllt — kurz: wenn man zeigt, dass irgendwo die Sätze B ohne A geltend vorkommen. Dann in der That kann A von B nicht bedingt werden. In unserm vorliegenden Falle brauchen wir den Beweis der Nicht- beweisbarkeit nur etwa für die Formel 26×) zu führen. Für die 26+) ergibt sich derselbe alsdann als ein selbständiger ganz ebenso dual entsprechend, oder auch als ein vom vorigen abhängiger in unmittel- barer Zurückführung auf diesen auf Grund einer am Anfange des nächsten Paragraphen folgenden Bemerkung. Der Satz A wird so die Formel 26×), die Gruppe B aber den ganzen Inhalt der Paragraphen 4, 5, 6, 10, 11 vorstellen. Es empfiehlt sich vielleicht, das Wesen dieser Schlüsse durch ein ein- facheres Beispiel zu illustriren. Ich wähle folgendes Sophisma (aus Keynes1): B Du bist nicht das, was ich bin. Ich bin ein Mann, folglich: A) bist du nicht ein Mann (kein Mann). Sagt dies ein Mann zu irgend jemand, so sind die Prämissen B des ausgeführten Schlusses richtig. Sagt er es zu einer Frau, so ist auch die Konklusion, der Schlusssatz B materiell richtig, und dennoch ist der Schluss unberechtigt, formell falsch! Dies wird erkannt, wenn man es ihn zu einem Manne sagen lässt, wo dann eben die Konklusion auch materiell unrichtig sein wird. Es kann auch in der Anwendung des Satzes auf eine Frau die Un- richtigkeit des Schlusses als solchen nachgewiesen werden, indem man das Wort „Mann“ durchweg durch das Wort „Mensch“ ersetzt. Würde eine vom Denkinhalte unabhängige Denknotwendigkeit von den Prämissen B zur Konklusion A hinüberführen, so müsste dies gleichermassen der Fall sein, durch welches andre nomen man auch irgend ein in der Schluss-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/307
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/307>, abgerufen am 09.05.2024.