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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Landhauses zu sein; jetzt erst hatte sein Besitz eines Werth für mich.

Der Wagen fuhr langsam auf dem nach und nach beschwerlich werdenden Wege hin, durch das kleine Dörfchen, ein paar schöne einzelne Bauernhöfe vorbei, bis an die Mühle, welche hart an meinen Garten stößt. Paul, von mir unterrichtet, stieg ab und ging voraus, um, wie er sagte, Herrn Max Spohr, dem Verwalter des Gutes, unsern Besuch zu melden. Wir mußten den ziemlich breiten, vom Regen stark angeschwollenen Waldbach durchfahren, über welchen einige Schritte oberhalb der Mühle ein leichter Steg für Fußgänger gebaut ist. Als wir am Hausthore hielten, kam uns Paul mit der Nachricht entgegen, Herr Max habe Geschäfte beim Holzrechen und werde erst morgen wieder kommen; doch seien die Schlüssel zu den Zimmern vorhanden, und er werde, da er hier Bescheid wisse, schon die Honneurs des Hauses machen. Gretchen sah mich lächelnd an, als ob sie erwartete, daß ich nun das Räthsel lösen würde. Aber ich stieg ganz ernsthaft aus und hob, eben so ernsthaft, sie aus dem Wagen. Geh voran, Paul! sagte ich, und mache dem Hauswirth Ehre.

Das Haus ist von meinem Vorgänger in einem launenhaften, aber nicht unangenehmen Geschmacke gebaut und stellt von außen ein Mittelding von schweizerischer und holländischer Herrenwohnung dar. Das Erdgeschoß hat neben der Küche und den Gesindestuben ein paar artige Zimmer, die mein Vetter Max, der Oekonom des

Landhauses zu sein; jetzt erst hatte sein Besitz eines Werth für mich.

Der Wagen fuhr langsam auf dem nach und nach beschwerlich werdenden Wege hin, durch das kleine Dörfchen, ein paar schöne einzelne Bauernhöfe vorbei, bis an die Mühle, welche hart an meinen Garten stößt. Paul, von mir unterrichtet, stieg ab und ging voraus, um, wie er sagte, Herrn Max Spohr, dem Verwalter des Gutes, unsern Besuch zu melden. Wir mußten den ziemlich breiten, vom Regen stark angeschwollenen Waldbach durchfahren, über welchen einige Schritte oberhalb der Mühle ein leichter Steg für Fußgänger gebaut ist. Als wir am Hausthore hielten, kam uns Paul mit der Nachricht entgegen, Herr Max habe Geschäfte beim Holzrechen und werde erst morgen wieder kommen; doch seien die Schlüssel zu den Zimmern vorhanden, und er werde, da er hier Bescheid wisse, schon die Honneurs des Hauses machen. Gretchen sah mich lächelnd an, als ob sie erwartete, daß ich nun das Räthsel lösen würde. Aber ich stieg ganz ernsthaft aus und hob, eben so ernsthaft, sie aus dem Wagen. Geh voran, Paul! sagte ich, und mache dem Hauswirth Ehre.

Das Haus ist von meinem Vorgänger in einem launenhaften, aber nicht unangenehmen Geschmacke gebaut und stellt von außen ein Mittelding von schweizerischer und holländischer Herrenwohnung dar. Das Erdgeschoß hat neben der Küche und den Gesindestuben ein paar artige Zimmer, die mein Vetter Max, der Oekonom des

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[0056] Landhauses zu sein; jetzt erst hatte sein Besitz eines Werth für mich. Der Wagen fuhr langsam auf dem nach und nach beschwerlich werdenden Wege hin, durch das kleine Dörfchen, ein paar schöne einzelne Bauernhöfe vorbei, bis an die Mühle, welche hart an meinen Garten stößt. Paul, von mir unterrichtet, stieg ab und ging voraus, um, wie er sagte, Herrn Max Spohr, dem Verwalter des Gutes, unsern Besuch zu melden. Wir mußten den ziemlich breiten, vom Regen stark angeschwollenen Waldbach durchfahren, über welchen einige Schritte oberhalb der Mühle ein leichter Steg für Fußgänger gebaut ist. Als wir am Hausthore hielten, kam uns Paul mit der Nachricht entgegen, Herr Max habe Geschäfte beim Holzrechen und werde erst morgen wieder kommen; doch seien die Schlüssel zu den Zimmern vorhanden, und er werde, da er hier Bescheid wisse, schon die Honneurs des Hauses machen. Gretchen sah mich lächelnd an, als ob sie erwartete, daß ich nun das Räthsel lösen würde. Aber ich stieg ganz ernsthaft aus und hob, eben so ernsthaft, sie aus dem Wagen. Geh voran, Paul! sagte ich, und mache dem Hauswirth Ehre. Das Haus ist von meinem Vorgänger in einem launenhaften, aber nicht unangenehmen Geschmacke gebaut und stellt von außen ein Mittelding von schweizerischer und holländischer Herrenwohnung dar. Das Erdgeschoß hat neben der Küche und den Gesindestuben ein paar artige Zimmer, die mein Vetter Max, der Oekonom des

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/56>, abgerufen am 04.05.2024.