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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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17. -- 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. KÖRPERLICHE SEITE.
setzte Wirkung: Schwächung und Erschöpfung der Kraft. Dies
gilt als Gesetz für alle organischen Kräfte. Das Herausfinden jenes
Sättigungspunktes ist grösstentheils Sache der Selbstbeobachtung.

Aus diesem Grunde schon ist das Hinstreben nach Er-
langung des vollen Grades körperlicher Kräftigung
und Abhärtung
erst für das reifere Jünglings- und Jung-
frauen-Alter an der Zeit. Aber auch deshalb eignet sich die-
ses Alter dazu am meisten, weil es einerseits einen höheren
Grad allgemeiner Kraftentwickelungsfähigkeit als das kindliche
Alter, und dabei andererseits noch einen höheren Grad von
Umbildbarkeit, von schmiegsamer Gewöhnungsfähigkeit als das
völlig erwachsene Alter besitzt.

Der Jüngling und die Jungfrau müssen, ohne Folgen zu
erleiden, Temperatur- und Witterungswechsel, Hitze, Kälte,
Sturm, Schnee- und Regenwetter, zeitweilig Hunger, Durst,
Schlafentbehrung, gemessene Strapazen, sowie Unannehm-
lichkeiten aller Art, durch Benutzung ihrer inneren Waf-
fen dagegen, ertragen lernen. Natürlich immer innerhalb
des individuellen Grenzpunktes und in höherem Grade der
Jüngling als die Jungfrau. Ein normal gebildeter Mensch
muss jener tausenderlei kleinlichen und ängstlichen Rücksich-
ten, welche das Leben verwöhnter und verweichlichter Men-
schen einengen, überhoben sein. Wenigstens muss jeder weich-
liche Sinn, sowie jede unzeitige Bequemlichkeitsliebe und jede
Schlaffheit als verachtungswürdige Schwächlingseigenschaft gel-
ten, gegen welche sich das ganze jugendliche Ehrgefühl stemmt
und sträubt. Statt alles Dessen die Gewöhnung an ein
frisches und straffes Leben
! Die jetzige Welt hat den
Maassstab verloren für das, was die menschliche Natur bei
verständiger Benutzung ihrer Kräfte leisten kann. Wie sehr
ein in der Jugend etwas strapaziöses Leben den Kern der
Gesundheit und Lebenskräftigkeit festigt, lehren die Lebens-
geschichten solcher Menschen, die eine sehr hohe Altersstufe
bei voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit erreichten. Ich
habe viele solche Beispiele verfolgt, aber kein einziges war
darunter, wo die Jugendzeit in Schlaffheit und Weichlichkeit
verlebt worden wäre; alle hatten ein straffes, viele sogar

17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. KÖRPERLICHE SEITE.
setzte Wirkung: Schwächung und Erschöpfung der Kraft. Dies
gilt als Gesetz für alle organischen Kräfte. Das Herausfinden jenes
Sättigungspunktes ist grösstentheils Sache der Selbstbeobachtung.

Aus diesem Grunde schon ist das Hinstreben nach Er-
langung des vollen Grades körperlicher Kräftigung
und Abhärtung
erst für das reifere Jünglings- und Jung-
frauen-Alter an der Zeit. Aber auch deshalb eignet sich die-
ses Alter dazu am meisten, weil es einerseits einen höheren
Grad allgemeiner Kraftentwickelungsfähigkeit als das kindliche
Alter, und dabei andererseits noch einen höheren Grad von
Umbildbarkeit, von schmiegsamer Gewöhnungsfähigkeit als das
völlig erwachsene Alter besitzt.

Der Jüngling und die Jungfrau müssen, ohne Folgen zu
erleiden, Temperatur- und Witterungswechsel, Hitze, Kälte,
Sturm, Schnee- und Regenwetter, zeitweilig Hunger, Durst,
Schlafentbehrung, gemessene Strapazen, sowie Unannehm-
lichkeiten aller Art, durch Benutzung ihrer inneren Waf-
fen dagegen, ertragen lernen. Natürlich immer innerhalb
des individuellen Grenzpunktes und in höherem Grade der
Jüngling als die Jungfrau. Ein normal gebildeter Mensch
muss jener tausenderlei kleinlichen und ängstlichen Rücksich-
ten, welche das Leben verwöhnter und verweichlichter Men-
schen einengen, überhoben sein. Wenigstens muss jeder weich-
liche Sinn, sowie jede unzeitige Bequemlichkeitsliebe und jede
Schlaffheit als verachtungswürdige Schwächlingseigenschaft gel-
ten, gegen welche sich das ganze jugendliche Ehrgefühl stemmt
und sträubt. Statt alles Dessen die Gewöhnung an ein
frisches und straffes Leben
! Die jetzige Welt hat den
Maassstab verloren für das, was die menschliche Natur bei
verständiger Benutzung ihrer Kräfte leisten kann. Wie sehr
ein in der Jugend etwas strapaziöses Leben den Kern der
Gesundheit und Lebenskräftigkeit festigt, lehren die Lebens-
geschichten solcher Menschen, die eine sehr hohe Altersstufe
bei voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit erreichten. Ich
habe viele solche Beispiele verfolgt, aber kein einziges war
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[276/0280] 17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. KÖRPERLICHE SEITE. setzte Wirkung: Schwächung und Erschöpfung der Kraft. Dies gilt als Gesetz für alle organischen Kräfte. Das Herausfinden jenes Sättigungspunktes ist grösstentheils Sache der Selbstbeobachtung. Aus diesem Grunde schon ist das Hinstreben nach Er- langung des vollen Grades körperlicher Kräftigung und Abhärtung erst für das reifere Jünglings- und Jung- frauen-Alter an der Zeit. Aber auch deshalb eignet sich die- ses Alter dazu am meisten, weil es einerseits einen höheren Grad allgemeiner Kraftentwickelungsfähigkeit als das kindliche Alter, und dabei andererseits noch einen höheren Grad von Umbildbarkeit, von schmiegsamer Gewöhnungsfähigkeit als das völlig erwachsene Alter besitzt. Der Jüngling und die Jungfrau müssen, ohne Folgen zu erleiden, Temperatur- und Witterungswechsel, Hitze, Kälte, Sturm, Schnee- und Regenwetter, zeitweilig Hunger, Durst, Schlafentbehrung, gemessene Strapazen, sowie Unannehm- lichkeiten aller Art, durch Benutzung ihrer inneren Waf- fen dagegen, ertragen lernen. Natürlich immer innerhalb des individuellen Grenzpunktes und in höherem Grade der Jüngling als die Jungfrau. Ein normal gebildeter Mensch muss jener tausenderlei kleinlichen und ängstlichen Rücksich- ten, welche das Leben verwöhnter und verweichlichter Men- schen einengen, überhoben sein. Wenigstens muss jeder weich- liche Sinn, sowie jede unzeitige Bequemlichkeitsliebe und jede Schlaffheit als verachtungswürdige Schwächlingseigenschaft gel- ten, gegen welche sich das ganze jugendliche Ehrgefühl stemmt und sträubt. Statt alles Dessen die Gewöhnung an ein frisches und straffes Leben! Die jetzige Welt hat den Maassstab verloren für das, was die menschliche Natur bei verständiger Benutzung ihrer Kräfte leisten kann. Wie sehr ein in der Jugend etwas strapaziöses Leben den Kern der Gesundheit und Lebenskräftigkeit festigt, lehren die Lebens- geschichten solcher Menschen, die eine sehr hohe Altersstufe bei voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit erreichten. Ich habe viele solche Beispiele verfolgt, aber kein einziges war darunter, wo die Jugendzeit in Schlaffheit und Weichlichkeit verlebt worden wäre; alle hatten ein straffes, viele sogar

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/280>, abgerufen am 25.11.2024.