8. -- 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
messener (körperlicher wie geistiger) Anstrengung, anstatt sie zu scheuen, vielmehr als einen Ehrenpunkt aufzu- suchen, ferner Ungemach und Schmerzen standhaft zu ertragen und überhaupt jeden weichlichen Schwäch- lingssinn, insbesondere auch die Furcht verachten zu lernen.
Der wahre Muth beruht nicht auf blinder Unkenntniss der (scheinbaren oder wirklichen) Gefahr, sondern auf der wissentlichen Bekämpfung derselben. Die Kinder sollen nun von Jahr zu Jahr mehr vom bewussten Muthe beseelt wer- den. Sie sollen immer mehr die Gefahren des Lebens kennen, aber soweit möglich durch eigene Kraft abwenden und über- winden lernen. Selbstverständlich wird bei allen Muthproben der Kinder auf wohlberechnetes Verhalten und da, wo es ernsten Gefahren gilt, auf die nöthige Eingrenzung des mu- thigen Sinnes, auf eine richtige Vereinigung desselben mit Be- sonnenheit und verständiger Vorsicht zu achten sein. Nur ist dabei in Anschlag zu bringen, dass eine Menge von Gefahren, welche der verweichlichte, furchtsame Schwächling als solche noch anerkennen muss, für den Muthigen, Entschlossenen, kör- perlich und geistig Gewandten in Wirklichkeit gar nicht mehr existiren, dass Muth, Gewandtheit und Sicherheit in Gefahren, denen ja selbst das bewachteste Leben stets ausgesetzt bleibt, eben nur durch Uebung erlangt werden, dass bei jedem Zu- sammenstosse im Leben der Muth an sich schon halber Sieg ist, und endlich, dass nach alter Lebenserfahrung -- Gott den Muthigen am meisten beschützt. Wollte doch Aelternliebe also auch in dieser Hinsicht sich vor Kurzsichtigkeit wahren und bedenken, dass man richtiger für das Lebenswohl der Kinder sorgt und sie vor den Gefahren der Zukunft in aller Art mehr schützt, wenn man Muth und Selbstvertrauen in ih- nen entwickelt, als durch übertrieben ängstliches Zurückhalten vor der blossen Möglichkeit kleiner augenblicklicher Nach- theile! Wohl ist die damit verbundene Ueberwindung für ein an sich schon ängstliches Aeltern-Gemüth anfangs nicht leicht, aber der Gedanke, dass in der That eine recht ernste Pflicht es fordert, muss darüber hinweghelfen. Muth und Selbstver-
8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
messener (körperlicher wie geistiger) Anstrengung, anstatt sie zu scheuen, vielmehr als einen Ehrenpunkt aufzu- suchen, ferner Ungemach und Schmerzen standhaft zu ertragen und überhaupt jeden weichlichen Schwäch- lingssinn, insbesondere auch die Furcht verachten zu lernen.
Der wahre Muth beruht nicht auf blinder Unkenntniss der (scheinbaren oder wirklichen) Gefahr, sondern auf der wissentlichen Bekämpfung derselben. Die Kinder sollen nun von Jahr zu Jahr mehr vom bewussten Muthe beseelt wer- den. Sie sollen immer mehr die Gefahren des Lebens kennen, aber soweit möglich durch eigene Kraft abwenden und über- winden lernen. Selbstverständlich wird bei allen Muthproben der Kinder auf wohlberechnetes Verhalten und da, wo es ernsten Gefahren gilt, auf die nöthige Eingrenzung des mu- thigen Sinnes, auf eine richtige Vereinigung desselben mit Be- sonnenheit und verständiger Vorsicht zu achten sein. Nur ist dabei in Anschlag zu bringen, dass eine Menge von Gefahren, welche der verweichlichte, furchtsame Schwächling als solche noch anerkennen muss, für den Muthigen, Entschlossenen, kör- perlich und geistig Gewandten in Wirklichkeit gar nicht mehr existiren, dass Muth, Gewandtheit und Sicherheit in Gefahren, denen ja selbst das bewachteste Leben stets ausgesetzt bleibt, eben nur durch Uebung erlangt werden, dass bei jedem Zu- sammenstosse im Leben der Muth an sich schon halber Sieg ist, und endlich, dass nach alter Lebenserfahrung — Gott den Muthigen am meisten beschützt. Wollte doch Aelternliebe also auch in dieser Hinsicht sich vor Kurzsichtigkeit wahren und bedenken, dass man richtiger für das Lebenswohl der Kinder sorgt und sie vor den Gefahren der Zukunft in aller Art mehr schützt, wenn man Muth und Selbstvertrauen in ih- nen entwickelt, als durch übertrieben ängstliches Zurückhalten vor der blossen Möglichkeit kleiner augenblicklicher Nach- theile! Wohl ist die damit verbundene Ueberwindung für ein an sich schon ängstliches Aeltern-Gemüth anfangs nicht leicht, aber der Gedanke, dass in der That eine recht ernste Pflicht es fordert, muss darüber hinweghelfen. Muth und Selbstver-
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8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
messener (körperlicher wie geistiger) Anstrengung, anstatt
sie zu scheuen, vielmehr als einen Ehrenpunkt aufzu-
suchen, ferner Ungemach und Schmerzen standhaft
zu ertragen und überhaupt jeden weichlichen Schwäch-
lingssinn, insbesondere auch die Furcht verachten zu
lernen.
Der wahre Muth beruht nicht auf blinder Unkenntniss
der (scheinbaren oder wirklichen) Gefahr, sondern auf der
wissentlichen Bekämpfung derselben. Die Kinder sollen nun
von Jahr zu Jahr mehr vom bewussten Muthe beseelt wer-
den. Sie sollen immer mehr die Gefahren des Lebens kennen,
aber soweit möglich durch eigene Kraft abwenden und über-
winden lernen. Selbstverständlich wird bei allen Muthproben
der Kinder auf wohlberechnetes Verhalten und da, wo es
ernsten Gefahren gilt, auf die nöthige Eingrenzung des mu-
thigen Sinnes, auf eine richtige Vereinigung desselben mit Be-
sonnenheit und verständiger Vorsicht zu achten sein. Nur ist
dabei in Anschlag zu bringen, dass eine Menge von Gefahren,
welche der verweichlichte, furchtsame Schwächling als solche
noch anerkennen muss, für den Muthigen, Entschlossenen, kör-
perlich und geistig Gewandten in Wirklichkeit gar nicht mehr
existiren, dass Muth, Gewandtheit und Sicherheit in Gefahren,
denen ja selbst das bewachteste Leben stets ausgesetzt bleibt,
eben nur durch Uebung erlangt werden, dass bei jedem Zu-
sammenstosse im Leben der Muth an sich schon halber Sieg
ist, und endlich, dass nach alter Lebenserfahrung — Gott den
Muthigen am meisten beschützt. Wollte doch Aelternliebe
also auch in dieser Hinsicht sich vor Kurzsichtigkeit wahren
und bedenken, dass man richtiger für das Lebenswohl der
Kinder sorgt und sie vor den Gefahren der Zukunft in aller
Art mehr schützt, wenn man Muth und Selbstvertrauen in ih-
nen entwickelt, als durch übertrieben ängstliches Zurückhalten
vor der blossen Möglichkeit kleiner augenblicklicher Nach-
theile! Wohl ist die damit verbundene Ueberwindung für ein
an sich schon ängstliches Aeltern-Gemüth anfangs nicht leicht,
aber der Gedanke, dass in der That eine recht ernste Pflicht
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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/243>, abgerufen am 25.11.2024.
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