bestimmt sind, einander das Gleichgewicht zu halten, werden daher durch ganz gleichseitig ausgeführte Turnübungen in dem normalen Gleichgewichtsverhältnisse erhalten oder in dasselbe zurückgeführt, so lange dieses nicht durch wirkliche Bildungsfehler, welche stets specieller ärztlicher Behand- lung überwiesen werden müssen, gestört ist.
Dieser Vortheil ist also nur durch genaue Gleichsei- tigkeit in der Ausführung der Turnübungen zu erreichen. Es ist nöthig, zumeist in Betreff des Geräth-Turnens, darauf recht ausdrücklich hinzuweisen, um namentlich die Aufmerk- samkeit Derer, welche die Leitung der Uebungen besorgen, dafür zu schärfen. Denn, obschon die meisten Turnübungen an sich gleichseitiger Art sind, so kann doch auch bei diesen die Muskelthätigkeit in ziemlich ungleichseitiger Weise erfol- gen, und dadurch der Zweck einer harmonischen Körperent- wickelung verfehlt werden. Fast jeder Mensch nämlich hat eine Körperseite (gewöhnlich die linke), welche zum Kraftge- brauche weniger befähigt und geneigt ist, als die andere, und die er daher gern, selbst oft ohne sich dessen bewusst zu werden, schont. Dies kann nun auch bei an sich gleichseiti- gen Turnübungen der Fall sein und ist sogar, wie mich viel- fache Beobachtungen auf Turnplätzen überzeugt haben, etwas sehr Gewöhnliches, da manche Turnlehrer zu wenig darauf achten. So werden z. B. bei Uebungen, die in einem abwech- selnden Gebrauche der Arme oder Füsse beider Seiten beste- hen -- wie dies bei vielen Klimmübungen, bei manchen Stütz-, Hang- und Zugbewegungen der Fall ist -- statt einer gleich- mässigen Abwechselung zwischen rechts und links nur die Gliedmaassen der ohnehin bevorzugten Seite zum Vorausgrei- fen und Voraussteigen verwendet. So wird ferner bei den verschiedenen Haltungen und Bewegungen durch ungleiche Stellung der Stütz- und Haltpunkte oder des ganzen Körpers die Körperlast in höherem Grade der einen Körperseite zuge- schoben und mithin oft in sehr ungleichem Verhältnisse ver- theilt u. s. w. Wenn man mit der Statik und Mechanik des Baues des menschlichen Körpers und mit der gymnastischen Technik gehörig vertraut ist, so wird man jede derartige Un-
8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG.
bestimmt sind, einander das Gleichgewicht zu halten, werden daher durch ganz gleichseitig ausgeführte Turnübungen in dem normalen Gleichgewichtsverhältnisse erhalten oder in dasselbe zurückgeführt, so lange dieses nicht durch wirkliche Bildungsfehler, welche stets specieller ärztlicher Behand- lung überwiesen werden müssen, gestört ist.
Dieser Vortheil ist also nur durch genaue Gleichsei- tigkeit in der Ausführung der Turnübungen zu erreichen. Es ist nöthig, zumeist in Betreff des Geräth-Turnens, darauf recht ausdrücklich hinzuweisen, um namentlich die Aufmerk- samkeit Derer, welche die Leitung der Uebungen besorgen, dafür zu schärfen. Denn, obschon die meisten Turnübungen an sich gleichseitiger Art sind, so kann doch auch bei diesen die Muskelthätigkeit in ziemlich ungleichseitiger Weise erfol- gen, und dadurch der Zweck einer harmonischen Körperent- wickelung verfehlt werden. Fast jeder Mensch nämlich hat eine Körperseite (gewöhnlich die linke), welche zum Kraftge- brauche weniger befähigt und geneigt ist, als die andere, und die er daher gern, selbst oft ohne sich dessen bewusst zu werden, schont. Dies kann nun auch bei an sich gleichseiti- gen Turnübungen der Fall sein und ist sogar, wie mich viel- fache Beobachtungen auf Turnplätzen überzeugt haben, etwas sehr Gewöhnliches, da manche Turnlehrer zu wenig darauf achten. So werden z. B. bei Uebungen, die in einem abwech- selnden Gebrauche der Arme oder Füsse beider Seiten beste- hen — wie dies bei vielen Klimmübungen, bei manchen Stütz-, Hang- und Zugbewegungen der Fall ist — statt einer gleich- mässigen Abwechselung zwischen rechts und links nur die Gliedmaassen der ohnehin bevorzugten Seite zum Vorausgrei- fen und Voraussteigen verwendet. So wird ferner bei den verschiedenen Haltungen und Bewegungen durch ungleiche Stellung der Stütz- und Haltpunkte oder des ganzen Körpers die Körperlast in höherem Grade der einen Körperseite zuge- schoben und mithin oft in sehr ungleichem Verhältnisse ver- theilt u. s. w. Wenn man mit der Statik und Mechanik des Baues des menschlichen Körpers und mit der gymnastischen Technik gehörig vertraut ist, so wird man jede derartige Un-
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8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG.
bestimmt sind, einander das Gleichgewicht zu halten, werden
daher durch ganz gleichseitig ausgeführte Turnübungen
in dem normalen Gleichgewichtsverhältnisse erhalten oder in
dasselbe zurückgeführt, so lange dieses nicht durch wirkliche
Bildungsfehler, welche stets specieller ärztlicher Behand-
lung überwiesen werden müssen, gestört ist.
Dieser Vortheil ist also nur durch genaue Gleichsei-
tigkeit in der Ausführung der Turnübungen zu erreichen.
Es ist nöthig, zumeist in Betreff des Geräth-Turnens, darauf
recht ausdrücklich hinzuweisen, um namentlich die Aufmerk-
samkeit Derer, welche die Leitung der Uebungen besorgen,
dafür zu schärfen. Denn, obschon die meisten Turnübungen
an sich gleichseitiger Art sind, so kann doch auch bei diesen
die Muskelthätigkeit in ziemlich ungleichseitiger Weise erfol-
gen, und dadurch der Zweck einer harmonischen Körperent-
wickelung verfehlt werden. Fast jeder Mensch nämlich hat
eine Körperseite (gewöhnlich die linke), welche zum Kraftge-
brauche weniger befähigt und geneigt ist, als die andere, und
die er daher gern, selbst oft ohne sich dessen bewusst zu
werden, schont. Dies kann nun auch bei an sich gleichseiti-
gen Turnübungen der Fall sein und ist sogar, wie mich viel-
fache Beobachtungen auf Turnplätzen überzeugt haben, etwas
sehr Gewöhnliches, da manche Turnlehrer zu wenig darauf
achten. So werden z. B. bei Uebungen, die in einem abwech-
selnden Gebrauche der Arme oder Füsse beider Seiten beste-
hen — wie dies bei vielen Klimmübungen, bei manchen Stütz-,
Hang- und Zugbewegungen der Fall ist — statt einer gleich-
mässigen Abwechselung zwischen rechts und links nur die
Gliedmaassen der ohnehin bevorzugten Seite zum Vorausgrei-
fen und Voraussteigen verwendet. So wird ferner bei den
verschiedenen Haltungen und Bewegungen durch ungleiche
Stellung der Stütz- und Haltpunkte oder des ganzen Körpers
die Körperlast in höherem Grade der einen Körperseite zuge-
schoben und mithin oft in sehr ungleichem Verhältnisse ver-
theilt u. s. w. Wenn man mit der Statik und Mechanik des
Baues des menschlichen Körpers und mit der gymnastischen
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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/182>, abgerufen am 16.02.2025.
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