2.--7. JAHR. KÖRPERL. SEITE. KÖRPER-FORM, HALTUNGEN U. GEWOHNHEITEN.
penwagen bald mit der rechten, bald mit der linken Hand ziehen, nicht sowohl aus Rücksicht auf die hierbei meistens nur unerhebliche Last, als vielmehr um auch hierdurch die Gewöhnung der Gleichseitigkeit überhaupt zu begründen.
Die Durchführung dieser Grundsätze findet eine unge- wöhnliche Erschwerung und macht eine doppelte Sorgfalt und Beharrlichkeit nothwendig in den Fällen, wo durch Be- schädigungen oder Krankheit eine Seite des Körpers, ein Arm oder Bein, längere Zeit hindurch ausser Gebrauch ist. Wenn Verrenkung, Knochenbruch, Verwun- dung, Sehnenverkürzung, Lähmung, örtliche Entzündung u. s. w. einen Arm oder ein Bein für den Gebrauch auf einen längeren Zeitraum unfähig gemacht haben, so wird sich auch nachher, wenn das Hinderniss beseitigt ist und die Kräfte in dem Gliede wieder hergestellt sind, doch der Einfluss der gänzlichen Ent- wöhnung des Gebrauchs noch längere Zeit hindurch geltend machen und nur durch unermüdliche Ausdauer in der nach- holenden, ausgleichenden Uebung des behindert gewesenen Gliedes allmälig zum Verschwinden zu bringen sein. Es wird dann erforderlich, dass das unbrauchbar gewesene Glied bis zur völligen Ausgleichung in systematischer, allmälig stärkerer Weise, als das Glied der andern Seite, geübt wird.
In Fällen, wo ein solches Hinderniss sich gar nicht besei- tigen lässt, ist freilich auch die Möglichkeit einer vollständigen Ausgleichung der antagonistischen Verhältnisse genommen. Die Einflüsse auf den Zustand des übrigen Körpers sind am nachtheiligsten und entschiedensten, wenn die ungleiche Be- schaffenheit die unteren Gliedmaassen betrifft. Der fast aus- schliessliche Gebrauch derselben zur Ortsbewegung, wobei ja eine regelmässige Abwechselung beider Seiten unentbehrlich ist, wird dann wesentlich gestört. Wenn auch das leidende Bein eine theilweise Benutzung noch gestattet, so ist der Gang doch stets ein mehr oder weniger ungleicher und hinkender. Jedes Hinken aber, wobei der Schwerpunkt des Körpers mit jedem Schritte anstatt in die Mittellinie auf die eine Seite des Körpers fällt, ist mit einer entsprechenden Verbiegung der Rumpfknochen, namentlich des Rückgrates, nothwendig ver-
2.—7. JAHR. KÖRPERL. SEITE. KÖRPER-FORM, HALTUNGEN U. GEWOHNHEITEN.
penwagen bald mit der rechten, bald mit der linken Hand ziehen, nicht sowohl aus Rücksicht auf die hierbei meistens nur unerhebliche Last, als vielmehr um auch hierdurch die Gewöhnung der Gleichseitigkeit überhaupt zu begründen.
Die Durchführung dieser Grundsätze findet eine unge- wöhnliche Erschwerung und macht eine doppelte Sorgfalt und Beharrlichkeit nothwendig in den Fällen, wo durch Be- schädigungen oder Krankheit eine Seite des Körpers, ein Arm oder Bein, längere Zeit hindurch ausser Gebrauch ist. Wenn Verrenkung, Knochenbruch, Verwun- dung, Sehnenverkürzung, Lähmung, örtliche Entzündung u. s. w. einen Arm oder ein Bein für den Gebrauch auf einen längeren Zeitraum unfähig gemacht haben, so wird sich auch nachher, wenn das Hinderniss beseitigt ist und die Kräfte in dem Gliede wieder hergestellt sind, doch der Einfluss der gänzlichen Ent- wöhnung des Gebrauchs noch längere Zeit hindurch geltend machen und nur durch unermüdliche Ausdauer in der nach- holenden, ausgleichenden Uebung des behindert gewesenen Gliedes allmälig zum Verschwinden zu bringen sein. Es wird dann erforderlich, dass das unbrauchbar gewesene Glied bis zur völligen Ausgleichung in systematischer, allmälig stärkerer Weise, als das Glied der andern Seite, geübt wird.
In Fällen, wo ein solches Hinderniss sich gar nicht besei- tigen lässt, ist freilich auch die Möglichkeit einer vollständigen Ausgleichung der antagonistischen Verhältnisse genommen. Die Einflüsse auf den Zustand des übrigen Körpers sind am nachtheiligsten und entschiedensten, wenn die ungleiche Be- schaffenheit die unteren Gliedmaassen betrifft. Der fast aus- schliessliche Gebrauch derselben zur Ortsbewegung, wobei ja eine regelmässige Abwechselung beider Seiten unentbehrlich ist, wird dann wesentlich gestört. Wenn auch das leidende Bein eine theilweise Benutzung noch gestattet, so ist der Gang doch stets ein mehr oder weniger ungleicher und hinkender. Jedes Hinken aber, wobei der Schwerpunkt des Körpers mit jedem Schritte anstatt in die Mittellinie auf die eine Seite des Körpers fällt, ist mit einer entsprechenden Verbiegung der Rumpfknochen, namentlich des Rückgrates, nothwendig ver-
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2.—7. JAHR. KÖRPERL. SEITE. KÖRPER-FORM, HALTUNGEN U. GEWOHNHEITEN.
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ziehen, nicht sowohl aus Rücksicht auf die hierbei meistens
nur unerhebliche Last, als vielmehr um auch hierdurch die
Gewöhnung der Gleichseitigkeit überhaupt zu begründen.
Die Durchführung dieser Grundsätze findet eine unge-
wöhnliche Erschwerung und macht eine doppelte Sorgfalt und
Beharrlichkeit nothwendig in den Fällen, wo durch Be-
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ein Arm oder Bein, längere Zeit hindurch ausser
Gebrauch ist. Wenn Verrenkung, Knochenbruch, Verwun-
dung, Sehnenverkürzung, Lähmung, örtliche Entzündung u. s. w.
einen Arm oder ein Bein für den Gebrauch auf einen längeren
Zeitraum unfähig gemacht haben, so wird sich auch nachher,
wenn das Hinderniss beseitigt ist und die Kräfte in dem Gliede
wieder hergestellt sind, doch der Einfluss der gänzlichen Ent-
wöhnung des Gebrauchs noch längere Zeit hindurch geltend
machen und nur durch unermüdliche Ausdauer in der nach-
holenden, ausgleichenden Uebung des behindert gewesenen
Gliedes allmälig zum Verschwinden zu bringen sein. Es wird
dann erforderlich, dass das unbrauchbar gewesene Glied bis
zur völligen Ausgleichung in systematischer, allmälig stärkerer
Weise, als das Glied der andern Seite, geübt wird.
In Fällen, wo ein solches Hinderniss sich gar nicht besei-
tigen lässt, ist freilich auch die Möglichkeit einer vollständigen
Ausgleichung der antagonistischen Verhältnisse genommen.
Die Einflüsse auf den Zustand des übrigen Körpers sind am
nachtheiligsten und entschiedensten, wenn die ungleiche Be-
schaffenheit die unteren Gliedmaassen betrifft. Der fast aus-
schliessliche Gebrauch derselben zur Ortsbewegung, wobei ja
eine regelmässige Abwechselung beider Seiten unentbehrlich
ist, wird dann wesentlich gestört. Wenn auch das leidende
Bein eine theilweise Benutzung noch gestattet, so ist der Gang
doch stets ein mehr oder weniger ungleicher und hinkender.
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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/110>, abgerufen am 01.08.2024.
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