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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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die Treue einer Dienerin zu verleiten und sich hin-
ter meinem Rücken in die Geheimnisse eines Hauses
zu drängen, dessen Thüren ich Jhnen gastfreundlich
geöffnet?"

-- "Es war nicht so, wie Sie annahmen, Sir,
und ich fühle mich ganz frei von Vorwurf. Durch
einen Zufall geriethen diese Papiere in meine Hände;
ich wollte sie ungelesen der unglücklichen Dina wie-
der zustellen; aber sie bat mich, sie zu behalten
und erst nach ihrem Tode zu lesen; ich gelobte es
und habe mein Wort redlich gehalten."

-- "Und das soll ich Jhnen auf Jhr bloßes
Wort hin glauben, Sir?"

-- "Sie müssen es mir glauben, weil Sie
mich während unseres dreijährigen Verkehrs auch
nicht auf einer einzigen Unwahrheit ertappten!" rief
Arnold aus, indem er sich empor richtete und dem
Propheten fest in's Auge sah.

-- "Gut, ich will Jhrer Versicherung Glauben
schenken, Sir; ich will überhaupt nur das Beste
von Jhnen glauben," antwortete ihm Joe nach ei-
nem kurzen Besinnen. "Beantworten Sie mir aber,
ich bitte Sie darum, noch eine Frage, und zwar mit
der Wahrhaftigkeit nnd dem edlen Muthe, die ich an
Jhnen schätze: verwerfen Sie mich und mein Thun,

die Treue einer Dienerin zu verleiten und ſich hin-
ter meinem Rücken in die Geheimniſſe eines Hauſes
zu drängen, deſſen Thüren ich Jhnen gaſtfreundlich
geöffnet?“

— „Es war nicht ſo, wie Sie annahmen, Sir,
und ich fühle mich ganz frei von Vorwurf. Durch
einen Zufall geriethen dieſe Papiere in meine Hände;
ich wollte ſie ungeleſen der unglücklichen Dina wie-
der zuſtellen; aber ſie bat mich, ſie zu behalten
und erſt nach ihrem Tode zu leſen; ich gelobte es
und habe mein Wort redlich gehalten.“

— „Und das ſoll ich Jhnen auf Jhr bloßes
Wort hin glauben, Sir?“

— „Sie müſſen es mir glauben, weil Sie
mich während unſeres dreijährigen Verkehrs auch
nicht auf einer einzigen Unwahrheit ertappten!“ rief
Arnold aus, indem er ſich empor richtete und dem
Propheten feſt in’s Auge ſah.

— „Gut, ich will Jhrer Verſicherung Glauben
ſchenken, Sir; ich will überhaupt nur das Beſte
von Jhnen glauben,“ antwortete ihm Joe nach ei-
nem kurzen Beſinnen. „Beantworten Sie mir aber,
ich bitte Sie darum, noch eine Frage, und zwar mit
der Wahrhaftigkeit nnd dem edlen Muthe, die ich an
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[93/0099] die Treue einer Dienerin zu verleiten und ſich hin- ter meinem Rücken in die Geheimniſſe eines Hauſes zu drängen, deſſen Thüren ich Jhnen gaſtfreundlich geöffnet?“ — „Es war nicht ſo, wie Sie annahmen, Sir, und ich fühle mich ganz frei von Vorwurf. Durch einen Zufall geriethen dieſe Papiere in meine Hände; ich wollte ſie ungeleſen der unglücklichen Dina wie- der zuſtellen; aber ſie bat mich, ſie zu behalten und erſt nach ihrem Tode zu leſen; ich gelobte es und habe mein Wort redlich gehalten.“ — „Und das ſoll ich Jhnen auf Jhr bloßes Wort hin glauben, Sir?“ — „Sie müſſen es mir glauben, weil Sie mich während unſeres dreijährigen Verkehrs auch nicht auf einer einzigen Unwahrheit ertappten!“ rief Arnold aus, indem er ſich empor richtete und dem Propheten feſt in’s Auge ſah. — „Gut, ich will Jhrer Verſicherung Glauben ſchenken, Sir; ich will überhaupt nur das Beſte von Jhnen glauben,“ antwortete ihm Joe nach ei- nem kurzen Beſinnen. „Beantworten Sie mir aber, ich bitte Sie darum, noch eine Frage, und zwar mit der Wahrhaftigkeit nnd dem edlen Muthe, die ich an Jhnen ſchätze: verwerfen Sie mich und mein Thun,

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/99>, abgerufen am 27.04.2024.