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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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ter keinen Umständen, ein Bündniß mit der Lüge,
dem Betruge und einem verwerflichen Ehrgeize ein-
gehen."

-- "Wer sagt, wer verbürgt es Jhnen denn,
daß meine Absichten verwerflich sind, nicht auf das
wahre Wohl Derer hinzielen, die mir ihr Vertrauen
schenken? Nur Gott sieht in das Herz der Men-
schen, und Sie wollten sich erkühnen zu behaupten,
das meinige erforscht zu haben?"

-- "Das kommt mir nicht in den Sinn; aber
ich weiß genug, um auf immer mit Jhnen abge-
schlossen zu haben. Haben Sie denn vergessen, Sir,
daß ich aus Dina's Geständnissen Jhre ganze Ver-
gangenheit kenne?"

Der Prophet erbleichte bei der Erwähnung
Derer, an die das Andenken, trotz seiner in Laster
und Sünden verhärteten Seele, ein schneidender
Vorwurf für ihn war. Aber nur einen Augenblick
beraubten Arnolds Worte ihn der Fassung, und
schon nach wenigen Minuten war er ganz wieder
Der, der er zuvor gewesen war.

-- "Aber Sie," sagte er nach einer kurzen
Pause mit vorwurfsvollem Tone, "Sie, der Sie
sich mit einer so strengen Tugend brüsten, wie konn-
ten Sie es vor sich selbst verantworten, ein Jhnen
geschenktes edles Vertrauen dahin zu mißbrauchen,

ter keinen Umſtänden, ein Bündniß mit der Lüge,
dem Betruge und einem verwerflichen Ehrgeize ein-
gehen.“

— „Wer ſagt, wer verbürgt es Jhnen denn,
daß meine Abſichten verwerflich ſind, nicht auf das
wahre Wohl Derer hinzielen, die mir ihr Vertrauen
ſchenken? Nur Gott ſieht in das Herz der Men-
ſchen, und Sie wollten ſich erkühnen zu behaupten,
das meinige erforſcht zu haben?“

— „Das kommt mir nicht in den Sinn; aber
ich weiß genug, um auf immer mit Jhnen abge-
ſchloſſen zu haben. Haben Sie denn vergeſſen, Sir,
daß ich aus Dina’s Geſtändniſſen Jhre ganze Ver-
gangenheit kenne?“

Der Prophet erbleichte bei der Erwähnung
Derer, an die das Andenken, trotz ſeiner in Laſter
und Sünden verhärteten Seele, ein ſchneidender
Vorwurf für ihn war. Aber nur einen Augenblick
beraubten Arnolds Worte ihn der Faſſung, und
ſchon nach wenigen Minuten war er ganz wieder
Der, der er zuvor geweſen war.

— „Aber Sie,“ ſagte er nach einer kurzen
Pauſe mit vorwurfsvollem Tone, „Sie, der Sie
ſich mit einer ſo ſtrengen Tugend brüſten, wie konn-
ten Sie es vor ſich ſelbſt verantworten, ein Jhnen
geſchenktes edles Vertrauen dahin zu mißbrauchen,

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[92/0098] ter keinen Umſtänden, ein Bündniß mit der Lüge, dem Betruge und einem verwerflichen Ehrgeize ein- gehen.“ — „Wer ſagt, wer verbürgt es Jhnen denn, daß meine Abſichten verwerflich ſind, nicht auf das wahre Wohl Derer hinzielen, die mir ihr Vertrauen ſchenken? Nur Gott ſieht in das Herz der Men- ſchen, und Sie wollten ſich erkühnen zu behaupten, das meinige erforſcht zu haben?“ — „Das kommt mir nicht in den Sinn; aber ich weiß genug, um auf immer mit Jhnen abge- ſchloſſen zu haben. Haben Sie denn vergeſſen, Sir, daß ich aus Dina’s Geſtändniſſen Jhre ganze Ver- gangenheit kenne?“ Der Prophet erbleichte bei der Erwähnung Derer, an die das Andenken, trotz ſeiner in Laſter und Sünden verhärteten Seele, ein ſchneidender Vorwurf für ihn war. Aber nur einen Augenblick beraubten Arnolds Worte ihn der Faſſung, und ſchon nach wenigen Minuten war er ganz wieder Der, der er zuvor geweſen war. — „Aber Sie,“ ſagte er nach einer kurzen Pauſe mit vorwurfsvollem Tone, „Sie, der Sie ſich mit einer ſo ſtrengen Tugend brüſten, wie konn- ten Sie es vor ſich ſelbſt verantworten, ein Jhnen geſchenktes edles Vertrauen dahin zu mißbrauchen,

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/98>, abgerufen am 28.04.2024.