sein Haar, seinen Anzug zu ordnen; denn Mr. Boggs hatte ihn gebeten, beim Abendessen zu erscheinen, wenn die durch die Anstrengungen der Reise hervorgerufene Müdigkeit ihn nicht daran verhindern würde, und er war entschlossen, von der Einladung Gebrauch zu machen. Durfte er doch hoffen, den reizenden Gegen- stand, der jetzt alle seine Gedanken erfüllte, auf den sie, wider seinen Willen, immer wieder zurückschweif- ten, bei Tische zu erblicken, den Ton dieser silber- hellen Stimme zu vernehmen, den strahlenden Blicken Florens zu begegnen!
Er wußte sich selbst nicht zu sagen, was ihn mit fast unwiderstehlicher Gewalt zu diesem Wesen hinzog; denn es war nicht die unübertreffliche Schön- heit Florens allein, die ihn, wie in einem durch Ma- gie gewebten Netze, gefangen hielt; er hatte bereits vielen sehr schönen Frauen gegenüber gestanden, ohne daß nur eine einzige die mindeste Gewalt über ihn erlangt hätte; was aber war es dann, das ihn so zu Floren hinzog, zu ihr, von der er noch nichts wußte, als daß sie schön sei? zu ihr, die noch ein halbes Kind, eine noch nicht völlig entwickelte Knospe war? Wie tief mochte sie nicht vielleicht geistig un- ter ihm stehen? wie wenig den Ansprüchen Genüge leisten, die er an das Wesen machte, das ihm dauernd gefallen sollte? Er wußte ja noch nichts
ſein Haar, ſeinen Anzug zu ordnen; denn Mr. Boggs hatte ihn gebeten, beim Abendeſſen zu erſcheinen, wenn die durch die Anſtrengungen der Reiſe hervorgerufene Müdigkeit ihn nicht daran verhindern würde, und er war entſchloſſen, von der Einladung Gebrauch zu machen. Durfte er doch hoffen, den reizenden Gegen- ſtand, der jetzt alle ſeine Gedanken erfüllte, auf den ſie, wider ſeinen Willen, immer wieder zurückſchweif- ten, bei Tiſche zu erblicken, den Ton dieſer ſilber- hellen Stimme zu vernehmen, den ſtrahlenden Blicken Florens zu begegnen!
Er wußte ſich ſelbſt nicht zu ſagen, was ihn mit faſt unwiderſtehlicher Gewalt zu dieſem Weſen hinzog; denn es war nicht die unübertreffliche Schön- heit Florens allein, die ihn, wie in einem durch Ma- gie gewebten Netze, gefangen hielt; er hatte bereits vielen ſehr ſchönen Frauen gegenüber geſtanden, ohne daß nur eine einzige die mindeſte Gewalt über ihn erlangt hätte; was aber war es dann, das ihn ſo zu Floren hinzog, zu ihr, von der er noch nichts wußte, als daß ſie ſchön ſei? zu ihr, die noch ein halbes Kind, eine noch nicht völlig entwickelte Knospe war? Wie tief mochte ſie nicht vielleicht geiſtig un- ter ihm ſtehen? wie wenig den Anſprüchen Genüge leiſten, die er an das Weſen machte, das ihm dauernd gefallen ſollte? Er wußte ja noch nichts
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0017"n="11"/>ſein Haar, ſeinen Anzug zu ordnen; denn Mr. Boggs<lb/>
hatte ihn gebeten, beim Abendeſſen zu erſcheinen, wenn<lb/>
die durch die Anſtrengungen der Reiſe hervorgerufene<lb/>
Müdigkeit ihn nicht daran verhindern würde, und<lb/>
er war entſchloſſen, von der Einladung Gebrauch zu<lb/>
machen. Durfte er doch hoffen, den reizenden Gegen-<lb/>ſtand, der jetzt alle ſeine Gedanken erfüllte, auf den<lb/>ſie, wider ſeinen Willen, immer wieder zurückſchweif-<lb/>
ten, bei Tiſche zu erblicken, den Ton dieſer ſilber-<lb/>
hellen Stimme zu vernehmen, den ſtrahlenden Blicken<lb/>
Florens zu begegnen!</p><lb/><p>Er wußte ſich ſelbſt nicht zu ſagen, was ihn<lb/>
mit faſt unwiderſtehlicher Gewalt zu dieſem Weſen<lb/>
hinzog; denn es war nicht die unübertreffliche Schön-<lb/>
heit Florens allein, die ihn, wie in einem durch Ma-<lb/>
gie gewebten Netze, gefangen hielt; er hatte bereits<lb/>
vielen ſehr ſchönen Frauen gegenüber geſtanden, ohne<lb/>
daß nur eine einzige die mindeſte Gewalt über ihn<lb/>
erlangt hätte; was aber war es dann, das ihn ſo<lb/>
zu Floren hinzog, zu ihr, von der er noch nichts<lb/>
wußte, als daß ſie ſchön ſei? zu ihr, die noch ein<lb/>
halbes Kind, eine noch nicht völlig entwickelte Knospe<lb/>
war? Wie tief mochte ſie nicht vielleicht geiſtig un-<lb/>
ter ihm ſtehen? wie wenig den Anſprüchen Genüge<lb/>
leiſten, die er an das Weſen machte, das ihm<lb/>
dauernd gefallen ſollte? Er wußte ja noch nichts<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0017]
ſein Haar, ſeinen Anzug zu ordnen; denn Mr. Boggs
hatte ihn gebeten, beim Abendeſſen zu erſcheinen, wenn
die durch die Anſtrengungen der Reiſe hervorgerufene
Müdigkeit ihn nicht daran verhindern würde, und
er war entſchloſſen, von der Einladung Gebrauch zu
machen. Durfte er doch hoffen, den reizenden Gegen-
ſtand, der jetzt alle ſeine Gedanken erfüllte, auf den
ſie, wider ſeinen Willen, immer wieder zurückſchweif-
ten, bei Tiſche zu erblicken, den Ton dieſer ſilber-
hellen Stimme zu vernehmen, den ſtrahlenden Blicken
Florens zu begegnen!
Er wußte ſich ſelbſt nicht zu ſagen, was ihn
mit faſt unwiderſtehlicher Gewalt zu dieſem Weſen
hinzog; denn es war nicht die unübertreffliche Schön-
heit Florens allein, die ihn, wie in einem durch Ma-
gie gewebten Netze, gefangen hielt; er hatte bereits
vielen ſehr ſchönen Frauen gegenüber geſtanden, ohne
daß nur eine einzige die mindeſte Gewalt über ihn
erlangt hätte; was aber war es dann, das ihn ſo
zu Floren hinzog, zu ihr, von der er noch nichts
wußte, als daß ſie ſchön ſei? zu ihr, die noch ein
halbes Kind, eine noch nicht völlig entwickelte Knospe
war? Wie tief mochte ſie nicht vielleicht geiſtig un-
ter ihm ſtehen? wie wenig den Anſprüchen Genüge
leiſten, die er an das Weſen machte, das ihm
dauernd gefallen ſollte? Er wußte ja noch nichts
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/17>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.