Arnold war unschlüssig, ob er die an ihn er- gangene Einladung annehmen sollte, oder nicht; end- lich aber entschloß er sich, da man ihm durch Nichts das Recht gegeben hatte, sich unhöflich zeigen zu dür- fen, zu Ersterem und fand sich um die bestimmte Stunde, durch den Garten gehend, zu dem er noch immer den Schlüssel hatte, vor der hintern Thür des Tempels ein.
Es machte einen widerwärtigen, fast erschrecken- den Eindruck auf ihn, als ihm diesmal, statt der frühern Pförtnerin, jetzt das ihm ohnehin unange- nehme Weib John Adams auf sein Schellen die Thür öffnete, denn einen schneidendern Contrast konnten zwei Menschengestalten nicht gegen einander bilden, als dieses fast colossale Weib, mit dem rothen, aufgedun- senen Gesichte und den kleinen schwarzen, listigen Au- gen gegen die ätherische Dina bildete, deren Züge be- reits vom Verklärungsglanze während ihres Lebens umflossen waren, so daß sie nicht mehr als Bürgerin dieser, sondern schon als die einer höhern Welt er- schien.
-- "Beliebt Jhnen, einzutreten, Sir?" fragte das Weib, als Arnold, von diesen Gedanken ergrif- fen, zögernd am Eingange stehen geblieben war und sich zu besinnen schien, ob er eintreten oder wieder umkehren sollte; denn das Herz war ihm so voll, daß
Arnold war unſchlüſſig, ob er die an ihn er- gangene Einladung annehmen ſollte, oder nicht; end- lich aber entſchloß er ſich, da man ihm durch Nichts das Recht gegeben hatte, ſich unhöflich zeigen zu dür- fen, zu Erſterem und fand ſich um die beſtimmte Stunde, durch den Garten gehend, zu dem er noch immer den Schlüſſel hatte, vor der hintern Thür des Tempels ein.
Es machte einen widerwärtigen, faſt erſchrecken- den Eindruck auf ihn, als ihm diesmal, ſtatt der frühern Pförtnerin, jetzt das ihm ohnehin unange- nehme Weib John Adams auf ſein Schellen die Thür öffnete, denn einen ſchneidendern Contraſt konnten zwei Menſchengeſtalten nicht gegen einander bilden, als dieſes faſt coloſſale Weib, mit dem rothen, aufgedun- ſenen Geſichte und den kleinen ſchwarzen, liſtigen Au- gen gegen die ätheriſche Dina bildete, deren Züge be- reits vom Verklärungsglanze während ihres Lebens umfloſſen waren, ſo daß ſie nicht mehr als Bürgerin dieſer, ſondern ſchon als die einer höhern Welt er- ſchien.
— „Beliebt Jhnen, einzutreten, Sir?“ fragte das Weib, als Arnold, von dieſen Gedanken ergrif- fen, zögernd am Eingange ſtehen geblieben war und ſich zu beſinnen ſchien, ob er eintreten oder wieder umkehren ſollte; denn das Herz war ihm ſo voll, daß
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Arnold war unſchlüſſig, ob er die an ihn er-
gangene Einladung annehmen ſollte, oder nicht; end-
lich aber entſchloß er ſich, da man ihm durch Nichts
das Recht gegeben hatte, ſich unhöflich zeigen zu dür-
fen, zu Erſterem und fand ſich um die beſtimmte
Stunde, durch den Garten gehend, zu dem er noch
immer den Schlüſſel hatte, vor der hintern Thür des
Tempels ein.
Es machte einen widerwärtigen, faſt erſchrecken-
den Eindruck auf ihn, als ihm diesmal, ſtatt der
frühern Pförtnerin, jetzt das ihm ohnehin unange-
nehme Weib John Adams auf ſein Schellen die Thür
öffnete, denn einen ſchneidendern Contraſt konnten
zwei Menſchengeſtalten nicht gegen einander bilden, als
dieſes faſt coloſſale Weib, mit dem rothen, aufgedun-
ſenen Geſichte und den kleinen ſchwarzen, liſtigen Au-
gen gegen die ätheriſche Dina bildete, deren Züge be-
reits vom Verklärungsglanze während ihres Lebens
umfloſſen waren, ſo daß ſie nicht mehr als Bürgerin
dieſer, ſondern ſchon als die einer höhern Welt er-
ſchien.
— „Beliebt Jhnen, einzutreten, Sir?“ fragte
das Weib, als Arnold, von dieſen Gedanken ergrif-
fen, zögernd am Eingange ſtehen geblieben war und
ſich zu beſinnen ſchien, ob er eintreten oder wieder
umkehren ſollte; denn das Herz war ihm ſo voll, daß
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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