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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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Oval; Nase, Stirn, Mund, Colorit ließen keinen
Wunsch übrig und aus den großen dunklen Augen
strahlten zugleich himmlische Güte, Unschuld und jene
Art von Melancholie, die, indem sie die Gluth des
Blicks dämpft, auf Tiefe der Seele schließen läßt.
Die Kleidung Florens war die einfachste und doch
wieder reichste, die man sich denken kann. Sie be-
stand in einer Art von Blouse von schwerem weißen
Seidenzeuge, die züchtig bis zu dem schöngeformten
Halse hinaufging und unter dem keimenden Bu-
sen durch eine starke Seidenschnur zusammengehalten
wurde. Alle Falten dieses seltsamen Gewandes, an
dem die Mode nicht den geringsten Antheil hatte,
sondern das eine Erfindung der Trägerin war, fielen
ganz natürlich und hätten trotz dem von der größe-
sten Kokette nicht schöner geordnet seyn können, in-
dem sie die schlanke Taille auf das Reizendste be-
zeichneten und hervorhoben. Die kleinen Füße staken
in weißen seidenen Strümpfen und weißen Atlasschu-
hen; das dunkle Haar fiel in reichen, natürlichen
Locken auf Hals und Nacken hernieder; den Busen
schmückte eine äußerst schöne, seltene Blume, deren
feuriger Farbenglanz gegen die Weiße des Gewandes
angenehm abstach.

Dem Gouverneur schien der Eindruck nicht zu
entgehen, den seine auch von ihm bewunderte, ja an-

Oval; Naſe, Stirn, Mund, Colorit ließen keinen
Wunſch übrig und aus den großen dunklen Augen
ſtrahlten zugleich himmliſche Güte, Unſchuld und jene
Art von Melancholie, die, indem ſie die Gluth des
Blicks dämpft, auf Tiefe der Seele ſchließen läßt.
Die Kleidung Florens war die einfachſte und doch
wieder reichſte, die man ſich denken kann. Sie be-
ſtand in einer Art von Blouſe von ſchwerem weißen
Seidenzeuge, die züchtig bis zu dem ſchöngeformten
Halſe hinaufging und unter dem keimenden Bu-
ſen durch eine ſtarke Seidenſchnur zuſammengehalten
wurde. Alle Falten dieſes ſeltſamen Gewandes, an
dem die Mode nicht den geringſten Antheil hatte,
ſondern das eine Erfindung der Trägerin war, fielen
ganz natürlich und hätten trotz dem von der größe-
ſten Kokette nicht ſchöner geordnet ſeyn können, in-
dem ſie die ſchlanke Taille auf das Reizendſte be-
zeichneten und hervorhoben. Die kleinen Füße ſtaken
in weißen ſeidenen Strümpfen und weißen Atlasſchu-
hen; das dunkle Haar fiel in reichen, natürlichen
Locken auf Hals und Nacken hernieder; den Buſen
ſchmückte eine äußerſt ſchöne, ſeltene Blume, deren
feuriger Farbenglanz gegen die Weiße des Gewandes
angenehm abſtach.

Dem Gouverneur ſchien der Eindruck nicht zu
entgehen, den ſeine auch von ihm bewunderte, ja an-

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[213/0219] Oval; Naſe, Stirn, Mund, Colorit ließen keinen Wunſch übrig und aus den großen dunklen Augen ſtrahlten zugleich himmliſche Güte, Unſchuld und jene Art von Melancholie, die, indem ſie die Gluth des Blicks dämpft, auf Tiefe der Seele ſchließen läßt. Die Kleidung Florens war die einfachſte und doch wieder reichſte, die man ſich denken kann. Sie be- ſtand in einer Art von Blouſe von ſchwerem weißen Seidenzeuge, die züchtig bis zu dem ſchöngeformten Halſe hinaufging und unter dem keimenden Bu- ſen durch eine ſtarke Seidenſchnur zuſammengehalten wurde. Alle Falten dieſes ſeltſamen Gewandes, an dem die Mode nicht den geringſten Antheil hatte, ſondern das eine Erfindung der Trägerin war, fielen ganz natürlich und hätten trotz dem von der größe- ſten Kokette nicht ſchöner geordnet ſeyn können, in- dem ſie die ſchlanke Taille auf das Reizendſte be- zeichneten und hervorhoben. Die kleinen Füße ſtaken in weißen ſeidenen Strümpfen und weißen Atlasſchu- hen; das dunkle Haar fiel in reichen, natürlichen Locken auf Hals und Nacken hernieder; den Buſen ſchmückte eine äußerſt ſchöne, ſeltene Blume, deren feuriger Farbenglanz gegen die Weiße des Gewandes angenehm abſtach. Dem Gouverneur ſchien der Eindruck nicht zu entgehen, den ſeine auch von ihm bewunderte, ja an-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/219>, abgerufen am 28.11.2024.