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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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zu ihm zurückkehren, ihn nicht mehr belästigen; was
könnte er denn weiter wollen?"

Er warf sich mit diesen Worten in das Gras
nieder und schloß die Augen; aber er schlief nicht,
theils aus Furcht vor den wilden Thieren, theils weil
der Kampf in seinem Jnnern noch nicht beendigt war.
Zwei Stunden lag er etwa so; dann richtete er sich
auf, blickte zum Himmel empor, erhob sich, als er
den Mond, der indeß aufgegangen war, über seinem
Haupte erblickte, warf noch einen letzten Blick auf
die Schlafende, raffte den neben ihm liegenden Dolch,
den Sattel und das übrige Pferdegeschirr auf, sattelte
und zäumte sein Pferd, zäumte das, worauf Marie
bisher geritten und führte beide Thiere hinter sich her,
den Bergabhang hinunter. Als er in der Ebene an-
gelangt war, bestieg er sein Roß und jagte mit sol-
cher Schnelligkeit davon, als fürchtete er sich vor
sich selbst.

Als die Verlassene nach einem langen und er-
quicklichen Schlaf erwachte, war der Tag angebrochen,
das Feuer erloschen und sie allein. Trotz dem begriff
sie eine ziemlich lange Zeit ihre hülflose Lage nicht,
sondern wunderte sich nur, daß Hieram, den sie bei
den Pferden glaubte, sie so lange allein ließ und we-
der für die Unterhaltung des Feuers, noch für einen
Morgenimbiß gesorgt hatte. Sie wartete ziemlich

zu ihm zurückkehren, ihn nicht mehr beläſtigen; was
könnte er denn weiter wollen?“

Er warf ſich mit dieſen Worten in das Gras
nieder und ſchloß die Augen; aber er ſchlief nicht,
theils aus Furcht vor den wilden Thieren, theils weil
der Kampf in ſeinem Jnnern noch nicht beendigt war.
Zwei Stunden lag er etwa ſo; dann richtete er ſich
auf, blickte zum Himmel empor, erhob ſich, als er
den Mond, der indeß aufgegangen war, über ſeinem
Haupte erblickte, warf noch einen letzten Blick auf
die Schlafende, raffte den neben ihm liegenden Dolch,
den Sattel und das übrige Pferdegeſchirr auf, ſattelte
und zäumte ſein Pferd, zäumte das, worauf Marie
bisher geritten und führte beide Thiere hinter ſich her,
den Bergabhang hinunter. Als er in der Ebene an-
gelangt war, beſtieg er ſein Roß und jagte mit ſol-
cher Schnelligkeit davon, als fürchtete er ſich vor
ſich ſelbſt.

Als die Verlaſſene nach einem langen und er-
quicklichen Schlaf erwachte, war der Tag angebrochen,
das Feuer erloſchen und ſie allein. Trotz dem begriff
ſie eine ziemlich lange Zeit ihre hülfloſe Lage nicht,
ſondern wunderte ſich nur, daß Hieram, den ſie bei
den Pferden glaubte, ſie ſo lange allein ließ und we-
der für die Unterhaltung des Feuers, noch für einen
Morgenimbiß geſorgt hatte. Sie wartete ziemlich

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[188/0194] zu ihm zurückkehren, ihn nicht mehr beläſtigen; was könnte er denn weiter wollen?“ Er warf ſich mit dieſen Worten in das Gras nieder und ſchloß die Augen; aber er ſchlief nicht, theils aus Furcht vor den wilden Thieren, theils weil der Kampf in ſeinem Jnnern noch nicht beendigt war. Zwei Stunden lag er etwa ſo; dann richtete er ſich auf, blickte zum Himmel empor, erhob ſich, als er den Mond, der indeß aufgegangen war, über ſeinem Haupte erblickte, warf noch einen letzten Blick auf die Schlafende, raffte den neben ihm liegenden Dolch, den Sattel und das übrige Pferdegeſchirr auf, ſattelte und zäumte ſein Pferd, zäumte das, worauf Marie bisher geritten und führte beide Thiere hinter ſich her, den Bergabhang hinunter. Als er in der Ebene an- gelangt war, beſtieg er ſein Roß und jagte mit ſol- cher Schnelligkeit davon, als fürchtete er ſich vor ſich ſelbſt. Als die Verlaſſene nach einem langen und er- quicklichen Schlaf erwachte, war der Tag angebrochen, das Feuer erloſchen und ſie allein. Trotz dem begriff ſie eine ziemlich lange Zeit ihre hülfloſe Lage nicht, ſondern wunderte ſich nur, daß Hieram, den ſie bei den Pferden glaubte, ſie ſo lange allein ließ und we- der für die Unterhaltung des Feuers, noch für einen Morgenimbiß geſorgt hatte. Sie wartete ziemlich

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/194>, abgerufen am 25.11.2024.