Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.unter dasselbe geschoben hatte. Es dauerte kein zehn Hieram saß am Feuer und warf von Zeit zu -- "Verdammt!" sagte er dann vor sich hin. unter daſſelbe geſchoben hatte. Es dauerte kein zehn Hieram ſaß am Feuer und warf von Zeit zu — „Verdammt!“ ſagte er dann vor ſich hin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="186"/> unter daſſelbe geſchoben hatte. Es dauerte kein zehn<lb/> Minuten, ſo ſchlief ſie.</p><lb/> <p>Hieram ſaß am Feuer und warf von Zeit zu<lb/> Zeit ſeltſame Blicke auf die Schlafende. Dann zog<lb/> er einen blanken, ſpitz geſchliffenen Dolch aus ſeinem<lb/> Buſen hervor, beſah ihn, prüfte die Spitze mit ſei-<lb/> nem Finger und legte ihn neben ſich nieder. Mit<lb/> geſpannter Aufmerkſamkeit horchte er auf die Athem-<lb/> züge ſeines Opfers; dann, als dieſe ihm ſagten, daß<lb/> ſie tief und feſt ſchliefe, griff er nach dem Dolche,<lb/> erhob ſich und trat dicht an ſie hinan, augenſchein-<lb/> lich in mörderiſcher Abſicht, wenigſtens verriethen ſeine<lb/> Geſichtszüge eine ſolche.</p><lb/> <p>— „Verdammt!“ ſagte er dann vor ſich hin.<lb/> „Dies iſt ſchon das ſechſte Mal, daß ich könnte und<lb/> es doch nicht vermag! Bin ich denn eine Memme ge-<lb/> worden? Daß ſie aber auch eine ſo große Aehnlich-<lb/> keit mit meiner armen Nelly haben muß, beſonders<lb/> wenn Sie ſchläft! Gerade ihr Alter hatte Nelly, und<lb/> eben ſo ſchön wie ſie, als Lord Cambden ſie ver-<lb/> führte und ſie ſich im Waſſer den Tod gab, weil<lb/> ſie ihre Schande und ſeine Treuloſigkeit nicht über-<lb/> leben konnte. Die Hand, mit der ich ihm, dem Ver-<lb/> räther, dem Ehr- und Gewiſſensloſen, den Stahl tief<lb/> in die Bruſt bohrte, zitterte nicht; aber ſie würde<lb/> zittern, wenn ich ihr, die meiner armen Nelly ſo<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0192]
unter daſſelbe geſchoben hatte. Es dauerte kein zehn
Minuten, ſo ſchlief ſie.
Hieram ſaß am Feuer und warf von Zeit zu
Zeit ſeltſame Blicke auf die Schlafende. Dann zog
er einen blanken, ſpitz geſchliffenen Dolch aus ſeinem
Buſen hervor, beſah ihn, prüfte die Spitze mit ſei-
nem Finger und legte ihn neben ſich nieder. Mit
geſpannter Aufmerkſamkeit horchte er auf die Athem-
züge ſeines Opfers; dann, als dieſe ihm ſagten, daß
ſie tief und feſt ſchliefe, griff er nach dem Dolche,
erhob ſich und trat dicht an ſie hinan, augenſchein-
lich in mörderiſcher Abſicht, wenigſtens verriethen ſeine
Geſichtszüge eine ſolche.
— „Verdammt!“ ſagte er dann vor ſich hin.
„Dies iſt ſchon das ſechſte Mal, daß ich könnte und
es doch nicht vermag! Bin ich denn eine Memme ge-
worden? Daß ſie aber auch eine ſo große Aehnlich-
keit mit meiner armen Nelly haben muß, beſonders
wenn Sie ſchläft! Gerade ihr Alter hatte Nelly, und
eben ſo ſchön wie ſie, als Lord Cambden ſie ver-
führte und ſie ſich im Waſſer den Tod gab, weil
ſie ihre Schande und ſeine Treuloſigkeit nicht über-
leben konnte. Die Hand, mit der ich ihm, dem Ver-
räther, dem Ehr- und Gewiſſensloſen, den Stahl tief
in die Bruſt bohrte, zitterte nicht; aber ſie würde
zittern, wenn ich ihr, die meiner armen Nelly ſo
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