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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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und hätte von ihrer Dankbarkeit und dem ihm gelei-
steten feierlichen Schwure eine gute Aufnahme für
mich und zugleich die strengste Verschwiegenheit zu er-
warten. Ueberdies habe er mich für die heimlich ver-
mählte Gattin eines im Felde stehenden Officiers, sei-
nes Freundes, bei ihr ausgegeben, so daß sie es auch
nicht an der schuldigen Achtung gegen mich fehlen
lassen würde.

-- "Du wirst vollkommen sicher dort seyn,"
schloß er seine Mittheilung, "und um so mehr, da
das Pachtgütchen von allen andern Wohnungen abge-
sondert, auf einem Gebirgskamme liegt."

Wir waren mehre Stunden unterwegs und lang-
ten erst mit Anbruch des Morgens auf dem Plateau
an, auf dem die Pachtwohnung lag. Sie bot, von
den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne beschienen,
einen reizenden Anblick in ihrer Umzäunung von Lin-
den und duftendem Flieder dar. Als ich in den Hof
hineinritt, erblickte ich eine kleine rundliche Frau im
ländlichen, aber reinlichen Anzuge, welche die von
allen Seiten auf ihren Ruf herbeieilenden Hühner
fütterte. Sobald sie unserer gewahr wurde, stellte sie
aber das Gefäß auf die Erde nieder, worin sie das
Futter gehalten hatte, und trat uns mit gewinnen-
der Freundlichkeit entgegen.

-- "Jch erwartete Sie so früh noch nicht, Herr

II. 9

und hätte von ihrer Dankbarkeit und dem ihm gelei-
ſteten feierlichen Schwure eine gute Aufnahme für
mich und zugleich die ſtrengſte Verſchwiegenheit zu er-
warten. Ueberdies habe er mich für die heimlich ver-
mählte Gattin eines im Felde ſtehenden Officiers, ſei-
nes Freundes, bei ihr ausgegeben, ſo daß ſie es auch
nicht an der ſchuldigen Achtung gegen mich fehlen
laſſen würde.

— „Du wirſt vollkommen ſicher dort ſeyn,“
ſchloß er ſeine Mittheilung, „und um ſo mehr, da
das Pachtgütchen von allen andern Wohnungen abge-
ſondert, auf einem Gebirgskamme liegt.“

Wir waren mehre Stunden unterwegs und lang-
ten erſt mit Anbruch des Morgens auf dem Plateau
an, auf dem die Pachtwohnung lag. Sie bot, von
den erſten Strahlen der aufgehenden Sonne beſchienen,
einen reizenden Anblick in ihrer Umzäunung von Lin-
den und duftendem Flieder dar. Als ich in den Hof
hineinritt, erblickte ich eine kleine rundliche Frau im
ländlichen, aber reinlichen Anzuge, welche die von
allen Seiten auf ihren Ruf herbeieilenden Hühner
fütterte. Sobald ſie unſerer gewahr wurde, ſtellte ſie
aber das Gefäß auf die Erde nieder, worin ſie das
Futter gehalten hatte, und trat uns mit gewinnen-
der Freundlichkeit entgegen.

— „Jch erwartete Sie ſo früh noch nicht, Herr

II. 9
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[129/0135] und hätte von ihrer Dankbarkeit und dem ihm gelei- ſteten feierlichen Schwure eine gute Aufnahme für mich und zugleich die ſtrengſte Verſchwiegenheit zu er- warten. Ueberdies habe er mich für die heimlich ver- mählte Gattin eines im Felde ſtehenden Officiers, ſei- nes Freundes, bei ihr ausgegeben, ſo daß ſie es auch nicht an der ſchuldigen Achtung gegen mich fehlen laſſen würde. — „Du wirſt vollkommen ſicher dort ſeyn,“ ſchloß er ſeine Mittheilung, „und um ſo mehr, da das Pachtgütchen von allen andern Wohnungen abge- ſondert, auf einem Gebirgskamme liegt.“ Wir waren mehre Stunden unterwegs und lang- ten erſt mit Anbruch des Morgens auf dem Plateau an, auf dem die Pachtwohnung lag. Sie bot, von den erſten Strahlen der aufgehenden Sonne beſchienen, einen reizenden Anblick in ihrer Umzäunung von Lin- den und duftendem Flieder dar. Als ich in den Hof hineinritt, erblickte ich eine kleine rundliche Frau im ländlichen, aber reinlichen Anzuge, welche die von allen Seiten auf ihren Ruf herbeieilenden Hühner fütterte. Sobald ſie unſerer gewahr wurde, ſtellte ſie aber das Gefäß auf die Erde nieder, worin ſie das Futter gehalten hatte, und trat uns mit gewinnen- der Freundlichkeit entgegen. — „Jch erwartete Sie ſo früh noch nicht, Herr II. 9

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/135>, abgerufen am 29.11.2024.