Boden nieder, zog unter dem Mantel eine Blend- laterne hervor und der volle Schein des Lichts fiel auf mein Gesicht.
-- "Du hast wohl große Angst ausgestanden?" sagte er, mir das feuchte Haar aus der Stirn streichend.
-- "O, nun ist Alles gut!" rief ich, mit mei- nen Armen seinen Nacken umschlingend.
Er machte sich sanft aus meiner Umarmung los, breitete seinen Mantel auf dem Boden aus und bat mich, mich darauf setzen zu wollen. Dann öffnete er das mitgebrachte Paquet, das aus einigen wollenen Decken und Lebensmitteln, letztere in einen Korb ge- packt, bestand. Er legte behutsam Alles aus einander, zerschnitt ein gebratenes Huhn, füllte einen mitge- brachten Becher mit Limonade an und bat mich, mich erquicken zu wollen. Jch griff nicht ohne einige Be- gierde nach dem mir auf so liebevolle Weise Darge- botenen und mein guter Appetit schien ihm einige Freude zu machen. Er hatte ein neues Wachslicht in die Laterne gesteckt und die eben noch so schauerliche Höhle war für mich ein Tempel des Glücks gewor- den, da ich ihn, den über Alles geliebten Mann, neben mir darin erblickte.
-- "Jetzt," fragte ich, nachdem ich mich gesät- tigt hatte, "jetzt verlassen wir diesen Ort, nicht wahr, mein Adalbert? Bevor du mir aber diese Frage be-
Boden nieder, zog unter dem Mantel eine Blend- laterne hervor und der volle Schein des Lichts fiel auf mein Geſicht.
— „Du haſt wohl große Angſt ausgeſtanden?“ ſagte er, mir das feuchte Haar aus der Stirn ſtreichend.
— „O, nun iſt Alles gut!“ rief ich, mit mei- nen Armen ſeinen Nacken umſchlingend.
Er machte ſich ſanft aus meiner Umarmung los, breitete ſeinen Mantel auf dem Boden aus und bat mich, mich darauf ſetzen zu wollen. Dann öffnete er das mitgebrachte Paquet, das aus einigen wollenen Decken und Lebensmitteln, letztere in einen Korb ge- packt, beſtand. Er legte behutſam Alles aus einander, zerſchnitt ein gebratenes Huhn, füllte einen mitge- brachten Becher mit Limonade an und bat mich, mich erquicken zu wollen. Jch griff nicht ohne einige Be- gierde nach dem mir auf ſo liebevolle Weiſe Darge- botenen und mein guter Appetit ſchien ihm einige Freude zu machen. Er hatte ein neues Wachslicht in die Laterne geſteckt und die eben noch ſo ſchauerliche Höhle war für mich ein Tempel des Glücks gewor- den, da ich ihn, den über Alles geliebten Mann, neben mir darin erblickte.
— „Jetzt,“ fragte ich, nachdem ich mich geſät- tigt hatte, „jetzt verlaſſen wir dieſen Ort, nicht wahr, mein Adalbert? Bevor du mir aber dieſe Frage be-
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Boden nieder, zog unter dem Mantel eine Blend-
laterne hervor und der volle Schein des Lichts fiel
auf mein Geſicht.
— „Du haſt wohl große Angſt ausgeſtanden?“
ſagte er, mir das feuchte Haar aus der Stirn ſtreichend.
— „O, nun iſt Alles gut!“ rief ich, mit mei-
nen Armen ſeinen Nacken umſchlingend.
Er machte ſich ſanft aus meiner Umarmung los,
breitete ſeinen Mantel auf dem Boden aus und bat
mich, mich darauf ſetzen zu wollen. Dann öffnete er
das mitgebrachte Paquet, das aus einigen wollenen
Decken und Lebensmitteln, letztere in einen Korb ge-
packt, beſtand. Er legte behutſam Alles aus einander,
zerſchnitt ein gebratenes Huhn, füllte einen mitge-
brachten Becher mit Limonade an und bat mich, mich
erquicken zu wollen. Jch griff nicht ohne einige Be-
gierde nach dem mir auf ſo liebevolle Weiſe Darge-
botenen und mein guter Appetit ſchien ihm einige
Freude zu machen. Er hatte ein neues Wachslicht in
die Laterne geſteckt und die eben noch ſo ſchauerliche
Höhle war für mich ein Tempel des Glücks gewor-
den, da ich ihn, den über Alles geliebten Mann,
neben mir darin erblickte.
— „Jetzt,“ fragte ich, nachdem ich mich geſät-
tigt hatte, „jetzt verlaſſen wir dieſen Ort, nicht wahr,
mein Adalbert? Bevor du mir aber dieſe Frage be-
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/132>, abgerufen am 18.06.2024.
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