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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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so war es ein großes Unglück für sie, daß dieser noch
immer unvergessene frühere Geliebte, ein Officier, mit
seinem Regimente nach dem Wohnorte meiner Eltern
verlegt wurde und sogar in gesellige Berührungen mit
ihnen kam.

Nach dem frühzeitigen Tode meiner Mutter fand
ihr Gatte nicht nur Briefe vor, die aus dem frü-
heren Verhältnisse der beiden Liebenden herrührten,
sondern auch noch andere, die den unumstößlichen Be-
weis lieferten, daß Beide noch eine sehr strafbare
Verbindung nach der Ehe meiner Mutter unterhalten
hatten.

Hätte mein Vater diese Entdeckung bei Lebzeiten
seiner schuldigen Gattin gemacht, so würde, bei sei-
nem heftigen Character, eine Katastrophe unausbleib-
lich gewesen seyn; so aber mußte er seinen an Ra-
serei grenzenden Zorn, seine Rachsucht in sich ver-
schließen, oder vielmehr, er mußte für beide andere
Opfer suchen, und ich und mein Bruder waren es,
auf die das volle Gewicht derselben fiel; doch mehr
fast noch auf letztern, als auf mich, da er den ar-
men Knaben für die Frucht jenes strafbaren Verhält-
nisses und nicht für seinen Sohn hielt, während meine
Geburt vor der Zeit der Rückkehr des Liebhabers sei-
ner Gattin fiel.

Jndeß war ich -- er machte es mir oft zum

ſo war es ein großes Unglück für ſie, daß dieſer noch
immer unvergeſſene frühere Geliebte, ein Officier, mit
ſeinem Regimente nach dem Wohnorte meiner Eltern
verlegt wurde und ſogar in geſellige Berührungen mit
ihnen kam.

Nach dem frühzeitigen Tode meiner Mutter fand
ihr Gatte nicht nur Briefe vor, die aus dem frü-
heren Verhältniſſe der beiden Liebenden herrührten,
ſondern auch noch andere, die den unumſtößlichen Be-
weis lieferten, daß Beide noch eine ſehr ſtrafbare
Verbindung nach der Ehe meiner Mutter unterhalten
hatten.

Hätte mein Vater dieſe Entdeckung bei Lebzeiten
ſeiner ſchuldigen Gattin gemacht, ſo würde, bei ſei-
nem heftigen Character, eine Kataſtrophe unausbleib-
lich geweſen ſeyn; ſo aber mußte er ſeinen an Ra-
ſerei grenzenden Zorn, ſeine Rachſucht in ſich ver-
ſchließen, oder vielmehr, er mußte für beide andere
Opfer ſuchen, und ich und mein Bruder waren es,
auf die das volle Gewicht derſelben fiel; doch mehr
faſt noch auf letztern, als auf mich, da er den ar-
men Knaben für die Frucht jenes ſtrafbaren Verhält-
niſſes und nicht für ſeinen Sohn hielt, während meine
Geburt vor der Zeit der Rückkehr des Liebhabers ſei-
ner Gattin fiel.

Jndeß war ich — er machte es mir oft zum

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[95/0101] ſo war es ein großes Unglück für ſie, daß dieſer noch immer unvergeſſene frühere Geliebte, ein Officier, mit ſeinem Regimente nach dem Wohnorte meiner Eltern verlegt wurde und ſogar in geſellige Berührungen mit ihnen kam. Nach dem frühzeitigen Tode meiner Mutter fand ihr Gatte nicht nur Briefe vor, die aus dem frü- heren Verhältniſſe der beiden Liebenden herrührten, ſondern auch noch andere, die den unumſtößlichen Be- weis lieferten, daß Beide noch eine ſehr ſtrafbare Verbindung nach der Ehe meiner Mutter unterhalten hatten. Hätte mein Vater dieſe Entdeckung bei Lebzeiten ſeiner ſchuldigen Gattin gemacht, ſo würde, bei ſei- nem heftigen Character, eine Kataſtrophe unausbleib- lich geweſen ſeyn; ſo aber mußte er ſeinen an Ra- ſerei grenzenden Zorn, ſeine Rachſucht in ſich ver- ſchließen, oder vielmehr, er mußte für beide andere Opfer ſuchen, und ich und mein Bruder waren es, auf die das volle Gewicht derſelben fiel; doch mehr faſt noch auf letztern, als auf mich, da er den ar- men Knaben für die Frucht jenes ſtrafbaren Verhält- niſſes und nicht für ſeinen Sohn hielt, während meine Geburt vor der Zeit der Rückkehr des Liebhabers ſei- ner Gattin fiel. Jndeß war ich — er machte es mir oft zum

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/101>, abgerufen am 15.05.2024.