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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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das Leben des Sohnes Desjenigen zu erkaufen, der
mir das Leben rettete."

-- "Du sprichst gut und weise, Bleichgesicht,"
antwortete ihm Opiska Toaki, "und deine Worte hö-
ren sich gut an; deshalb will ich mit meinen Brü-
dern berathen, ob sie die von dir gebotenen Gaben
für genügend halten, die Blutschuld zu sühnen."

Er nahm mit diesen Worten die Büchse vom
Boden auf und trat mit ihr in die Reihe der Seinen
zurück; die andern ihm von Arnold dargebotenen Ga-
ben würdigte er nicht einmal eines Blicks, so gering-
fügig kamen sie ihm vor. Die Büchse ging von Hand
zu Hand; kunstverständig prüften die Wilden sie und
untersuchten den Lauf, das Schloß, die Kolbe mit
einer Sorgfalt, die dem geübtesten Büchsenschmidt
Ehre gemacht haben würde. Dann gab man sie in
die Hände des Häuptlings zurück, ein Gemurmel flog
durch die Reihen, Opiska Toaki warf noch einen Blick,
wie zum schmerzlichen Abschiede, auf das schöne Waf-
fenstück, das er so gern behalten hätte, trat dann
zu White-hawk und legte die Büchse schweigend ne-
ben demselben nieder.

Damit war das Todesurtheil des armen Jüng-
lings ausgesprochen: man hatte die dargebotene Sühne
nicht für groß genug gehalten und forderte White-
hawks Leben.

das Leben des Sohnes Desjenigen zu erkaufen, der
mir das Leben rettete.“

— „Du ſprichſt gut und weiſe, Bleichgeſicht,“
antwortete ihm Opiska Toaki, „und deine Worte hö-
ren ſich gut an; deshalb will ich mit meinen Brü-
dern berathen, ob ſie die von dir gebotenen Gaben
für genügend halten, die Blutſchuld zu ſühnen.“

Er nahm mit dieſen Worten die Büchſe vom
Boden auf und trat mit ihr in die Reihe der Seinen
zurück; die andern ihm von Arnold dargebotenen Ga-
ben würdigte er nicht einmal eines Blicks, ſo gering-
fügig kamen ſie ihm vor. Die Büchſe ging von Hand
zu Hand; kunſtverſtändig prüften die Wilden ſie und
unterſuchten den Lauf, das Schloß, die Kolbe mit
einer Sorgfalt, die dem geübteſten Büchſenſchmidt
Ehre gemacht haben würde. Dann gab man ſie in
die Hände des Häuptlings zurück, ein Gemurmel flog
durch die Reihen, Opiska Toaki warf noch einen Blick,
wie zum ſchmerzlichen Abſchiede, auf das ſchöne Waf-
fenſtück, das er ſo gern behalten hätte, trat dann
zu White-hawk und legte die Büchſe ſchweigend ne-
ben demſelben nieder.

Damit war das Todesurtheil des armen Jüng-
lings ausgeſprochen: man hatte die dargebotene Sühne
nicht für groß genug gehalten und forderte White-
hawks Leben.

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[43/0051] das Leben des Sohnes Desjenigen zu erkaufen, der mir das Leben rettete.“ — „Du ſprichſt gut und weiſe, Bleichgeſicht,“ antwortete ihm Opiska Toaki, „und deine Worte hö- ren ſich gut an; deshalb will ich mit meinen Brü- dern berathen, ob ſie die von dir gebotenen Gaben für genügend halten, die Blutſchuld zu ſühnen.“ Er nahm mit dieſen Worten die Büchſe vom Boden auf und trat mit ihr in die Reihe der Seinen zurück; die andern ihm von Arnold dargebotenen Ga- ben würdigte er nicht einmal eines Blicks, ſo gering- fügig kamen ſie ihm vor. Die Büchſe ging von Hand zu Hand; kunſtverſtändig prüften die Wilden ſie und unterſuchten den Lauf, das Schloß, die Kolbe mit einer Sorgfalt, die dem geübteſten Büchſenſchmidt Ehre gemacht haben würde. Dann gab man ſie in die Hände des Häuptlings zurück, ein Gemurmel flog durch die Reihen, Opiska Toaki warf noch einen Blick, wie zum ſchmerzlichen Abſchiede, auf das ſchöne Waf- fenſtück, das er ſo gern behalten hätte, trat dann zu White-hawk und legte die Büchſe ſchweigend ne- ben demſelben nieder. Damit war das Todesurtheil des armen Jüng- lings ausgeſprochen: man hatte die dargebotene Sühne nicht für groß genug gehalten und forderte White- hawks Leben.

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/51>, abgerufen am 02.05.2024.