Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

kurz, bereitete Alles wie zu einem Feste vor und
White-hawk sah ihm mit der unerschütterlichsten Ruhe
zu, etwa wie eine Tochter der Mutter, die ihr das
Ballkleid bereitet.

Als die Nacht angebrochen war, trat Waupee
noch einmal vor den Wigwam hinaus und betrachtete
mit aufmerksamen Blicken den Mond, der fast voll
war; dann in die Hütte zurückgehend, sagte er kein
anderes Wort, als: "Morgen!"

-- "Morgen!" wiederholte White-hawk und
streckte sich dann neben Arnolden auf dem Büffelfelle
zum Schlafe aus.

Der Europäer konnte nicht schlafen, da so viele
traurige Gedanken seine Seele erfüllten; aber die tie-
fen Athemzüge des neben ihm ruhenden Jünglings ver-
riethen ihm deutlich, daß dieser sich ganz wie sonst
der Erquickung eines gesunden Schlafs erfreute. Diese
Ruhe, diese kühne Todesverachtung des Wilden, die-
ser Schlaf, gleichsam im Angesichte eines schauder-
haften Todes, hatten etwas Großartiges und Erhe-
bendes für Arnold, zugleich aber demüthigten sie ihn,
indem er sich sagen mußte, daß, mit aller ihm an-
geborenen Willenskraft, er nicht im Stande seyn würde,
in ähnlicher Lage es diesem rohen Kinde der Natur
gleich zu thun.

Auch Waupee schlief, wenn gleich nicht lange,

kurz, bereitete Alles wie zu einem Feſte vor und
White-hawk ſah ihm mit der unerſchütterlichſten Ruhe
zu, etwa wie eine Tochter der Mutter, die ihr das
Ballkleid bereitet.

Als die Nacht angebrochen war, trat Waupee
noch einmal vor den Wigwam hinaus und betrachtete
mit aufmerkſamen Blicken den Mond, der faſt voll
war; dann in die Hütte zurückgehend, ſagte er kein
anderes Wort, als: „Morgen!“

— „Morgen!“ wiederholte White-hawk und
ſtreckte ſich dann neben Arnolden auf dem Büffelfelle
zum Schlafe aus.

Der Europäer konnte nicht ſchlafen, da ſo viele
traurige Gedanken ſeine Seele erfüllten; aber die tie-
fen Athemzüge des neben ihm ruhenden Jünglings ver-
riethen ihm deutlich, daß dieſer ſich ganz wie ſonſt
der Erquickung eines geſunden Schlafs erfreute. Dieſe
Ruhe, dieſe kühne Todesverachtung des Wilden, die-
ſer Schlaf, gleichſam im Angeſichte eines ſchauder-
haften Todes, hatten etwas Großartiges und Erhe-
bendes für Arnold, zugleich aber demüthigten ſie ihn,
indem er ſich ſagen mußte, daß, mit aller ihm an-
geborenen Willenskraft, er nicht im Stande ſeyn würde,
in ähnlicher Lage es dieſem rohen Kinde der Natur
gleich zu thun.

Auch Waupee ſchlief, wenn gleich nicht lange,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="27"/>
kurz, bereitete Alles wie zu einem Fe&#x017F;te vor und<lb/>
White-hawk &#x017F;ah ihm mit der uner&#x017F;chütterlich&#x017F;ten Ruhe<lb/>
zu, etwa wie eine Tochter der Mutter, die ihr das<lb/>
Ballkleid bereitet.</p><lb/>
        <p>Als die Nacht angebrochen war, trat Waupee<lb/>
noch einmal vor den Wigwam hinaus und betrachtete<lb/>
mit aufmerk&#x017F;amen Blicken den Mond, der fa&#x017F;t voll<lb/>
war; dann in die Hütte zurückgehend, &#x017F;agte er kein<lb/>
anderes Wort, als: &#x201E;Morgen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Morgen!&#x201C; wiederholte White-hawk und<lb/>
&#x017F;treckte &#x017F;ich dann neben Arnolden auf dem Büffelfelle<lb/>
zum Schlafe aus.</p><lb/>
        <p>Der Europäer konnte nicht &#x017F;chlafen, da &#x017F;o viele<lb/>
traurige Gedanken &#x017F;eine Seele erfüllten; aber die tie-<lb/>
fen Athemzüge des neben ihm ruhenden Jünglings ver-<lb/>
riethen ihm deutlich, daß die&#x017F;er &#x017F;ich ganz wie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
der Erquickung eines ge&#x017F;unden Schlafs erfreute. Die&#x017F;e<lb/>
Ruhe, die&#x017F;e kühne Todesverachtung des Wilden, die-<lb/>
&#x017F;er Schlaf, gleich&#x017F;am im Ange&#x017F;ichte eines &#x017F;chauder-<lb/>
haften Todes, hatten etwas Großartiges und Erhe-<lb/>
bendes für Arnold, zugleich aber demüthigten &#x017F;ie ihn,<lb/>
indem er &#x017F;ich &#x017F;agen mußte, daß, mit aller ihm an-<lb/>
geborenen Willenskraft, er nicht im Stande &#x017F;eyn würde,<lb/>
in ähnlicher Lage es die&#x017F;em rohen Kinde der Natur<lb/>
gleich zu thun.</p><lb/>
        <p>Auch Waupee &#x017F;chlief, wenn gleich nicht lange,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0035] kurz, bereitete Alles wie zu einem Feſte vor und White-hawk ſah ihm mit der unerſchütterlichſten Ruhe zu, etwa wie eine Tochter der Mutter, die ihr das Ballkleid bereitet. Als die Nacht angebrochen war, trat Waupee noch einmal vor den Wigwam hinaus und betrachtete mit aufmerkſamen Blicken den Mond, der faſt voll war; dann in die Hütte zurückgehend, ſagte er kein anderes Wort, als: „Morgen!“ — „Morgen!“ wiederholte White-hawk und ſtreckte ſich dann neben Arnolden auf dem Büffelfelle zum Schlafe aus. Der Europäer konnte nicht ſchlafen, da ſo viele traurige Gedanken ſeine Seele erfüllten; aber die tie- fen Athemzüge des neben ihm ruhenden Jünglings ver- riethen ihm deutlich, daß dieſer ſich ganz wie ſonſt der Erquickung eines geſunden Schlafs erfreute. Dieſe Ruhe, dieſe kühne Todesverachtung des Wilden, die- ſer Schlaf, gleichſam im Angeſichte eines ſchauder- haften Todes, hatten etwas Großartiges und Erhe- bendes für Arnold, zugleich aber demüthigten ſie ihn, indem er ſich ſagen mußte, daß, mit aller ihm an- geborenen Willenskraft, er nicht im Stande ſeyn würde, in ähnlicher Lage es dieſem rohen Kinde der Natur gleich zu thun. Auch Waupee ſchlief, wenn gleich nicht lange,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/35
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/35>, abgerufen am 19.04.2024.