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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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ihn Arnold, der ihm mit gespannter Aufmerksamkeit
zugehört hatte.

-- "Kannst du es dir nicht denken, Bleichge-
sicht?" antwortete ihm der Jndianer, dessen Brust
von einem tiefen Seufzer gehoben wurde. "Einen
Augenblick standen Alle, Sioux und Chippewas, wie
von Erstarrung ergriffen da; dann stießen die letztern
ein Geheul aus, wie eine Horde Wölfe, die die nahe
Beute wittern. Darauf bildeten sie, während wir ent-
setzt und unbeweglich an unsern Plätzen stehen blieben,
einen dichten Kuäuel um den Gefallenen, wobei sie
Drohungen und Wuthgeschrei ausstießen und ihre To-
mahawks gegen uns schwangen. Wir griffen jetzt auch
zu den unsrigen und ein Kampf auf Tod und Leben
wäre wohl zwischen beiden Stämmen entstanden und
mehr Blut geflossen, als der Boden trinken konnte,
wenn nicht White-hawk seine Waffen niedergeworfen
und sich unbewehrt, wie er jetzt war, in die Reihen
der Feinde hinüber begeben hätte."

-- "Jch weiß", sagte er mit fester Stimme,
denn durch den Schrecken war die Trunkenheit von ihm
gewichen, "ich weiß, was ich mir und euch schuldig
bin: nehmt mich hin und thut mit mir, wie es Recht
und Sitte und Gebrauch ist."

-- "Der Mörder liefert sich selbst der Blut-

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ihn Arnold, der ihm mit geſpannter Aufmerkſamkeit
zugehört hatte.

— „Kannſt du es dir nicht denken, Bleichge-
ſicht?“ antwortete ihm der Jndianer, deſſen Bruſt
von einem tiefen Seufzer gehoben wurde. „Einen
Augenblick ſtanden Alle, Sioux und Chippewas, wie
von Erſtarrung ergriffen da; dann ſtießen die letztern
ein Geheul aus, wie eine Horde Wölfe, die die nahe
Beute wittern. Darauf bildeten ſie, während wir ent-
ſetzt und unbeweglich an unſern Plätzen ſtehen blieben,
einen dichten Kuäuel um den Gefallenen, wobei ſie
Drohungen und Wuthgeſchrei ausſtießen und ihre To-
mahawks gegen uns ſchwangen. Wir griffen jetzt auch
zu den unſrigen und ein Kampf auf Tod und Leben
wäre wohl zwiſchen beiden Stämmen entſtanden und
mehr Blut gefloſſen, als der Boden trinken konnte,
wenn nicht White-hawk ſeine Waffen niedergeworfen
und ſich unbewehrt, wie er jetzt war, in die Reihen
der Feinde hinüber begeben hätte.“

— „Jch weiß“, ſagte er mit feſter Stimme,
denn durch den Schrecken war die Trunkenheit von ihm
gewichen, „ich weiß, was ich mir und euch ſchuldig
bin: nehmt mich hin und thut mit mir, wie es Recht
und Sitte und Gebrauch iſt.“

— „Der Mörder liefert ſich ſelbſt der Blut-

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[17/0025] ihn Arnold, der ihm mit geſpannter Aufmerkſamkeit zugehört hatte. — „Kannſt du es dir nicht denken, Bleichge- ſicht?“ antwortete ihm der Jndianer, deſſen Bruſt von einem tiefen Seufzer gehoben wurde. „Einen Augenblick ſtanden Alle, Sioux und Chippewas, wie von Erſtarrung ergriffen da; dann ſtießen die letztern ein Geheul aus, wie eine Horde Wölfe, die die nahe Beute wittern. Darauf bildeten ſie, während wir ent- ſetzt und unbeweglich an unſern Plätzen ſtehen blieben, einen dichten Kuäuel um den Gefallenen, wobei ſie Drohungen und Wuthgeſchrei ausſtießen und ihre To- mahawks gegen uns ſchwangen. Wir griffen jetzt auch zu den unſrigen und ein Kampf auf Tod und Leben wäre wohl zwiſchen beiden Stämmen entſtanden und mehr Blut gefloſſen, als der Boden trinken konnte, wenn nicht White-hawk ſeine Waffen niedergeworfen und ſich unbewehrt, wie er jetzt war, in die Reihen der Feinde hinüber begeben hätte.“ — „Jch weiß“, ſagte er mit feſter Stimme, denn durch den Schrecken war die Trunkenheit von ihm gewichen, „ich weiß, was ich mir und euch ſchuldig bin: nehmt mich hin und thut mit mir, wie es Recht und Sitte und Gebrauch iſt.“ — „Der Mörder liefert ſich ſelbſt der Blut- 2

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/25>, abgerufen am 19.04.2024.