verließ. Wie würdest du nicht in früherer Zeit dich meiner Rückkehr gefreut, mit welchem Entzücken die Gaben meiner Liebe aufgenommen haben; beide ließen dich aber diesmal kalt und leer. Bin ich denn ein Neuling in Herzensangelegenheiten," fügte er nach einer Pause mit einem etwas vorwurfsvollen Tone hinzu, "daß du wähnen könntest, mich zu hinter- gehen?"
-- "Jn der That, Joe," antwortete sie ihm, allen ihren Muth zusammennehmend, "wie soll ich mich über diese reichen Geschenke, diese kostbaren Spie- lereien wohl freuen? für wen, ich frage dich, mich damit schmücken, da wir in einer Abgeschiedenheit le- ben, die größer ist, als die in einem Kloster? Du hättest dein Geld sparen können, mein Freund," fügte sie, schon etwas mehr ermuthigt, weit mehr gefaßt, hinzu, "und ich bitte dich ernstlich, in Zukunft keins mehr für solche Dinge auszugeben, da ich in meiner gegenwärtigen Lage nichts damit anzufangen weiß."
-- "Und das fällt dir erst jetzt ein, Marie?" fragte sie Joe, der den Blick nicht von ihr abwandte und sie damit gefesselt hielt, wie, nach einer Sage, die Klapperschlange das auf dem Baume sitzende, von ihr zum Raube auserkorene Vögelchen mit dem ihri- gen bezaubern soll.
-- "Man kommt nur nach und nach zu ver-
verließ. Wie würdeſt du nicht in früherer Zeit dich meiner Rückkehr gefreut, mit welchem Entzücken die Gaben meiner Liebe aufgenommen haben; beide ließen dich aber diesmal kalt und leer. Bin ich denn ein Neuling in Herzensangelegenheiten,“ fügte er nach einer Pauſe mit einem etwas vorwurfsvollen Tone hinzu, „daß du wähnen könnteſt, mich zu hinter- gehen?“
— „Jn der That, Joe,“ antwortete ſie ihm, allen ihren Muth zuſammennehmend, „wie ſoll ich mich über dieſe reichen Geſchenke, dieſe koſtbaren Spie- lereien wohl freuen? für wen, ich frage dich, mich damit ſchmücken, da wir in einer Abgeſchiedenheit le- ben, die größer iſt, als die in einem Kloſter? Du hätteſt dein Geld ſparen können, mein Freund,“ fügte ſie, ſchon etwas mehr ermuthigt, weit mehr gefaßt, hinzu, „und ich bitte dich ernſtlich, in Zukunft keins mehr für ſolche Dinge auszugeben, da ich in meiner gegenwärtigen Lage nichts damit anzufangen weiß.“
— „Und das fällt dir erſt jetzt ein, Marie?“ fragte ſie Joe, der den Blick nicht von ihr abwandte und ſie damit gefeſſelt hielt, wie, nach einer Sage, die Klapperſchlange das auf dem Baume ſitzende, von ihr zum Raube auserkorene Vögelchen mit dem ihri- gen bezaubern ſoll.
— „Man kommt nur nach und nach zu ver-
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verließ. Wie würdeſt du nicht in früherer Zeit dich
meiner Rückkehr gefreut, mit welchem Entzücken die
Gaben meiner Liebe aufgenommen haben; beide ließen
dich aber diesmal kalt und leer. Bin ich denn ein
Neuling in Herzensangelegenheiten,“ fügte er nach
einer Pauſe mit einem etwas vorwurfsvollen Tone
hinzu, „daß du wähnen könnteſt, mich zu hinter-
gehen?“
— „Jn der That, Joe,“ antwortete ſie ihm,
allen ihren Muth zuſammennehmend, „wie ſoll ich
mich über dieſe reichen Geſchenke, dieſe koſtbaren Spie-
lereien wohl freuen? für wen, ich frage dich, mich
damit ſchmücken, da wir in einer Abgeſchiedenheit le-
ben, die größer iſt, als die in einem Kloſter? Du
hätteſt dein Geld ſparen können, mein Freund,“ fügte
ſie, ſchon etwas mehr ermuthigt, weit mehr gefaßt,
hinzu, „und ich bitte dich ernſtlich, in Zukunft keins
mehr für ſolche Dinge auszugeben, da ich in meiner
gegenwärtigen Lage nichts damit anzufangen weiß.“
— „Und das fällt dir erſt jetzt ein, Marie?“
fragte ſie Joe, der den Blick nicht von ihr abwandte
und ſie damit gefeſſelt hielt, wie, nach einer Sage,
die Klapperſchlange das auf dem Baume ſitzende, von
ihr zum Raube auserkorene Vögelchen mit dem ihri-
gen bezaubern ſoll.
— „Man kommt nur nach und nach zu ver-
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/198>, abgerufen am 27.07.2024.
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