Sie versank dann in Nachdenken, stützte das bleiche Haupt mit der Hand und verharrte eine ganze Weile im tiefsten Schweigen. Darauf richtete sie plötzlich das Haupt wieder empor und fragte sich:
-- "Aber was will Er mit ihm? Daß er ei- nen Plan mit ihm hat, daran darf ich nicht zwei- feln; aber welchen? Jch muß das zu ergründen su- chen," fügte sie hinzu, indem sie sich erhob, wobei das Convolut Papiere, ohne daß sie es zu bemerken schien, von ihrem Schooße auf die Erde fiel; "und ich werde es ergründen!"
Sie schwankte auf die Console zu, ergriff das darauf stehende Licht und entfernte sich damit aus dem Zimmer, wobei sie die Thür, welche bei ihrem Eintritte offen geblieben war, wieder hinter sich zu- machte. Arnold hörte sie den Corridor hinunter ge- hen; dann wurde wieder Alles still und er blieb allein mit seinen Gedanken und Vorstellungen zurück.
Das, was er aus dem Munde der Nachtwandlerin gehört hatte, konnte Arnold nur in dem bestärken, was er über Joe Smith und Marie schon früher selbst ge- dacht, und so erfüllte ihn der Gedanke mit Grauen, durch sein Versprechen gebunden, noch länger -- und wer wußte, wie lange? -- in diesem unheimlichen Hause bleiben zu müssen. Wie ein unglücklicher Ge- fangener aus seinem Kerker, sehnte er sich hinaus in
Sie verſank dann in Nachdenken, ſtützte das bleiche Haupt mit der Hand und verharrte eine ganze Weile im tiefſten Schweigen. Darauf richtete ſie plötzlich das Haupt wieder empor und fragte ſich:
— „Aber was will Er mit ihm? Daß er ei- nen Plan mit ihm hat, daran darf ich nicht zwei- feln; aber welchen? Jch muß das zu ergründen ſu- chen,“ fügte ſie hinzu, indem ſie ſich erhob, wobei das Convolut Papiere, ohne daß ſie es zu bemerken ſchien, von ihrem Schooße auf die Erde fiel; „und ich werde es ergründen!“
Sie ſchwankte auf die Conſole zu, ergriff das darauf ſtehende Licht und entfernte ſich damit aus dem Zimmer, wobei ſie die Thür, welche bei ihrem Eintritte offen geblieben war, wieder hinter ſich zu- machte. Arnold hörte ſie den Corridor hinunter ge- hen; dann wurde wieder Alles ſtill und er blieb allein mit ſeinen Gedanken und Vorſtellungen zurück.
Das, was er aus dem Munde der Nachtwandlerin gehört hatte, konnte Arnold nur in dem beſtärken, was er über Joe Smith und Marie ſchon früher ſelbſt ge- dacht, und ſo erfüllte ihn der Gedanke mit Grauen, durch ſein Verſprechen gebunden, noch länger — und wer wußte, wie lange? — in dieſem unheimlichen Hauſe bleiben zu müſſen. Wie ein unglücklicher Ge- fangener aus ſeinem Kerker, ſehnte er ſich hinaus in
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Sie verſank dann in Nachdenken, ſtützte das
bleiche Haupt mit der Hand und verharrte eine ganze
Weile im tiefſten Schweigen. Darauf richtete ſie
plötzlich das Haupt wieder empor und fragte ſich:
— „Aber was will Er mit ihm? Daß er ei-
nen Plan mit ihm hat, daran darf ich nicht zwei-
feln; aber welchen? Jch muß das zu ergründen ſu-
chen,“ fügte ſie hinzu, indem ſie ſich erhob, wobei
das Convolut Papiere, ohne daß ſie es zu bemerken
ſchien, von ihrem Schooße auf die Erde fiel; „und
ich werde es ergründen!“
Sie ſchwankte auf die Conſole zu, ergriff das
darauf ſtehende Licht und entfernte ſich damit aus
dem Zimmer, wobei ſie die Thür, welche bei ihrem
Eintritte offen geblieben war, wieder hinter ſich zu-
machte. Arnold hörte ſie den Corridor hinunter ge-
hen; dann wurde wieder Alles ſtill und er blieb allein
mit ſeinen Gedanken und Vorſtellungen zurück.
Das, was er aus dem Munde der Nachtwandlerin
gehört hatte, konnte Arnold nur in dem beſtärken, was
er über Joe Smith und Marie ſchon früher ſelbſt ge-
dacht, und ſo erfüllte ihn der Gedanke mit Grauen,
durch ſein Verſprechen gebunden, noch länger — und
wer wußte, wie lange? — in dieſem unheimlichen
Hauſe bleiben zu müſſen. Wie ein unglücklicher Ge-
fangener aus ſeinem Kerker, ſehnte er ſich hinaus in
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/183>, abgerufen am 27.07.2024.
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