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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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würde das sich selbst aufgelegte Joch, in Berücksich-
tigung der obwaltenden Umstände, vielleicht noch läu-
ger ertragen haben, wenn sich nicht seinen Wünschen
ein neuer Gegenstand dargeboten, eine neue Leiden-
schaft sich nicht seiner begehrlichen Seele bemächtigt
hätte, eine Leidenschaft, die so heftiger Natur war,
daß er für den Augenblick dem Besitze der Geliebten
Alles, alle seine großen Pläne, seine weitaussehen-
den Hoffnungen, zum Opfer dargebracht haben würde,
wenn dieser Besitz nicht auf andere Weise zu erreichen
gewesen seyn würde, denn in solchen Augenblicken be-
herrschte die Liebe ihn eben so unumschränkt, wie er
seine Umgebungen beherrschte.

Es galt aber diesmal nicht, wie bei seinen frü-
hern Verhältnissen der Art, eine überdrüssig gewor-
dene Geliebte mit einer neuen zu vertauschen, sondern
vielmehr sein Haus zu reinigen, um den Gegenstand
seiner Anbetung als Gemahlin in dasselbe einführen
zu können, weil dies der einzige Weg war, zum Be-
sitze eines Mädchens zu gelangen, das durch Reich-
thum, Geburt und Schönheit dazu berechtigt war, An-
spruch auf die erste Partie im Lande zu machen.

Der Erreichung dieses Wunsches stand nun Marie
im Wege. Er hätte sie heimlich tödten können, und
seine laxe Moral würde sich diesem Auswege nicht
entgegengestemmt haben; allein er hatte sich fest vor-

würde das ſich ſelbſt aufgelegte Joch, in Berückſich-
tigung der obwaltenden Umſtände, vielleicht noch läu-
ger ertragen haben, wenn ſich nicht ſeinen Wünſchen
ein neuer Gegenſtand dargeboten, eine neue Leiden-
ſchaft ſich nicht ſeiner begehrlichen Seele bemächtigt
hätte, eine Leidenſchaft, die ſo heftiger Natur war,
daß er für den Augenblick dem Beſitze der Geliebten
Alles, alle ſeine großen Pläne, ſeine weitausſehen-
den Hoffnungen, zum Opfer dargebracht haben würde,
wenn dieſer Beſitz nicht auf andere Weiſe zu erreichen
geweſen ſeyn würde, denn in ſolchen Augenblicken be-
herrſchte die Liebe ihn eben ſo unumſchränkt, wie er
ſeine Umgebungen beherrſchte.

Es galt aber diesmal nicht, wie bei ſeinen frü-
hern Verhältniſſen der Art, eine überdrüſſig gewor-
dene Geliebte mit einer neuen zu vertauſchen, ſondern
vielmehr ſein Haus zu reinigen, um den Gegenſtand
ſeiner Anbetung als Gemahlin in daſſelbe einführen
zu können, weil dies der einzige Weg war, zum Be-
ſitze eines Mädchens zu gelangen, das durch Reich-
thum, Geburt und Schönheit dazu berechtigt war, An-
ſpruch auf die erſte Partie im Lande zu machen.

Der Erreichung dieſes Wunſches ſtand nun Marie
im Wege. Er hätte ſie heimlich tödten können, und
ſeine laxe Moral würde ſich dieſem Auswege nicht
entgegengeſtemmt haben; allein er hatte ſich feſt vor-

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[167/0175] würde das ſich ſelbſt aufgelegte Joch, in Berückſich- tigung der obwaltenden Umſtände, vielleicht noch läu- ger ertragen haben, wenn ſich nicht ſeinen Wünſchen ein neuer Gegenſtand dargeboten, eine neue Leiden- ſchaft ſich nicht ſeiner begehrlichen Seele bemächtigt hätte, eine Leidenſchaft, die ſo heftiger Natur war, daß er für den Augenblick dem Beſitze der Geliebten Alles, alle ſeine großen Pläne, ſeine weitausſehen- den Hoffnungen, zum Opfer dargebracht haben würde, wenn dieſer Beſitz nicht auf andere Weiſe zu erreichen geweſen ſeyn würde, denn in ſolchen Augenblicken be- herrſchte die Liebe ihn eben ſo unumſchränkt, wie er ſeine Umgebungen beherrſchte. Es galt aber diesmal nicht, wie bei ſeinen frü- hern Verhältniſſen der Art, eine überdrüſſig gewor- dene Geliebte mit einer neuen zu vertauſchen, ſondern vielmehr ſein Haus zu reinigen, um den Gegenſtand ſeiner Anbetung als Gemahlin in daſſelbe einführen zu können, weil dies der einzige Weg war, zum Be- ſitze eines Mädchens zu gelangen, das durch Reich- thum, Geburt und Schönheit dazu berechtigt war, An- ſpruch auf die erſte Partie im Lande zu machen. Der Erreichung dieſes Wunſches ſtand nun Marie im Wege. Er hätte ſie heimlich tödten können, und ſeine laxe Moral würde ſich dieſem Auswege nicht entgegengeſtemmt haben; allein er hatte ſich feſt vor-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/175>, abgerufen am 30.11.2024.