Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.Auch Marie war von diesem Schicksale betroffen Die Zeit, das wußte er, war noch nicht gekom- Auch Marie war von dieſem Schickſale betroffen Die Zeit, das wußte er, war noch nicht gekom- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0174" n="166"/> <p>Auch Marie war von dieſem Schickſale betroffen<lb/> worden, aber ohne daß ſie eine Ahnung davon hatte;<lb/> denn im Aeußern bewahrte er noch ganz dieſelbe Zärt-<lb/> lichkeit gegen ſie, wie zu Anfang ihres Verhältniſſes.<lb/> Es würde ihm auch ſchwer gefallen ſeyn, ſich ihrer<lb/> zu entledigen, wenn er ſeinen Nuf als Heiliger nicht<lb/> auf’s Spiel ſetzen wollte, da Marie, wie er wähnte,<lb/> noch immer von gleicher Liebe für ihn erfüllt war<lb/> und er von ihrem unbedachtſamen, leidenſchaftlichen<lb/> Character das Aeußerſte, ja die völlige Enthüllung<lb/> ſeines ſittenloſen Lebens, zu erwarten hatte, wenn er<lb/> ſie, wie andere Opfer ſeiner Lüſte, mit einer Summe<lb/> Geldes heimlich abfinden und fortſchaffen wollte, um<lb/> den vacant gewordenen Poſten einer Geliebten mit ei-<lb/> ner Andern zu beſetzen.</p><lb/> <p>Die Zeit, das wußte er, war noch nicht gekom-<lb/> men, wo er die Maske fallen laſſen und ſich ſo zeigen<lb/> durfte, wie er war; er bedurfte noch des Nymbus der<lb/> Heiligkeit und Sittenreinheit vor den Augen ſeiner<lb/> Gläubigen, wenn ſeine weitreichenden Pläne zur Reife<lb/> gedeihen ſollten, wenn er nicht noch im Hafen Schiff-<lb/> bruch leiden wollte. Aus dieſem Grunde, und allein<lb/> aus ihm, hatte er Marie faſt fünf Jahre geduldet,<lb/> obgleich ſie ihm ſchon längſt nicht nur gleichgültig,<lb/> ſondern ſogar läſtig mit einer Zärtlichkeit geworden<lb/> war, die er nicht mehr erwiedern konnte, und er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0174]
Auch Marie war von dieſem Schickſale betroffen
worden, aber ohne daß ſie eine Ahnung davon hatte;
denn im Aeußern bewahrte er noch ganz dieſelbe Zärt-
lichkeit gegen ſie, wie zu Anfang ihres Verhältniſſes.
Es würde ihm auch ſchwer gefallen ſeyn, ſich ihrer
zu entledigen, wenn er ſeinen Nuf als Heiliger nicht
auf’s Spiel ſetzen wollte, da Marie, wie er wähnte,
noch immer von gleicher Liebe für ihn erfüllt war
und er von ihrem unbedachtſamen, leidenſchaftlichen
Character das Aeußerſte, ja die völlige Enthüllung
ſeines ſittenloſen Lebens, zu erwarten hatte, wenn er
ſie, wie andere Opfer ſeiner Lüſte, mit einer Summe
Geldes heimlich abfinden und fortſchaffen wollte, um
den vacant gewordenen Poſten einer Geliebten mit ei-
ner Andern zu beſetzen.
Die Zeit, das wußte er, war noch nicht gekom-
men, wo er die Maske fallen laſſen und ſich ſo zeigen
durfte, wie er war; er bedurfte noch des Nymbus der
Heiligkeit und Sittenreinheit vor den Augen ſeiner
Gläubigen, wenn ſeine weitreichenden Pläne zur Reife
gedeihen ſollten, wenn er nicht noch im Hafen Schiff-
bruch leiden wollte. Aus dieſem Grunde, und allein
aus ihm, hatte er Marie faſt fünf Jahre geduldet,
obgleich ſie ihm ſchon längſt nicht nur gleichgültig,
ſondern ſogar läſtig mit einer Zärtlichkeit geworden
war, die er nicht mehr erwiedern konnte, und er
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