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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen seyn,
und der Gedanke, selbst einmal alt werden, ihre jetzt
so frischen Reize hinschwinden sehen zu müssen, hatte
für sie fast noch mehr Erschreckendes, als der an
den Tod.

Als daher Arnold zum Frühstück erschien, wurde
er von Marien auf eine Weise empfangen, daß ihm
kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß sie auf seine
Eroberung ausgehe, und da sein Herz völlig kalt war
und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen
strebte, durchschaute, suchte und fand er eine ange-
nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall-
süchtigen, die ihrerseits keine Ahnung davon hatte,
daß sie ihm nur dazu diente, und die an sie gerich-
teten Galanterien des jungen Mannes für baare
Münze nahm.

Die schöne Jahreszeit lockte Beide oft in den
Garten hinab und dies gab dem alten John Adams,
der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, sich über
sie zu ärgern. Er haßte seinen Hausgenossen aus
voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen
konnte, daß er sich nicht zum Mormonismus bekannte,
dann aber auch, weil der junge Deutsche seine Ab-
neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen
Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn
er die vermeinte Tochter des Propheten, das schönste

Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen ſeyn,
und der Gedanke, ſelbſt einmal alt werden, ihre jetzt
ſo friſchen Reize hinſchwinden ſehen zu müſſen, hatte
für ſie faſt noch mehr Erſchreckendes, als der an
den Tod.

Als daher Arnold zum Frühſtück erſchien, wurde
er von Marien auf eine Weiſe empfangen, daß ihm
kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß ſie auf ſeine
Eroberung ausgehe, und da ſein Herz völlig kalt war
und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen
ſtrebte, durchſchaute, ſuchte und fand er eine ange-
nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall-
ſüchtigen, die ihrerſeits keine Ahnung davon hatte,
daß ſie ihm nur dazu diente, und die an ſie gerich-
teten Galanterien des jungen Mannes für baare
Münze nahm.

Die ſchöne Jahreszeit lockte Beide oft in den
Garten hinab und dies gab dem alten John Adams,
der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, ſich über
ſie zu ärgern. Er haßte ſeinen Hausgenoſſen aus
voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen
konnte, daß er ſich nicht zum Mormonismus bekannte,
dann aber auch, weil der junge Deutſche ſeine Ab-
neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen
Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn
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[149/0157] Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen ſeyn, und der Gedanke, ſelbſt einmal alt werden, ihre jetzt ſo friſchen Reize hinſchwinden ſehen zu müſſen, hatte für ſie faſt noch mehr Erſchreckendes, als der an den Tod. Als daher Arnold zum Frühſtück erſchien, wurde er von Marien auf eine Weiſe empfangen, daß ihm kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß ſie auf ſeine Eroberung ausgehe, und da ſein Herz völlig kalt war und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen ſtrebte, durchſchaute, ſuchte und fand er eine ange- nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall- ſüchtigen, die ihrerſeits keine Ahnung davon hatte, daß ſie ihm nur dazu diente, und die an ſie gerich- teten Galanterien des jungen Mannes für baare Münze nahm. Die ſchöne Jahreszeit lockte Beide oft in den Garten hinab und dies gab dem alten John Adams, der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, ſich über ſie zu ärgern. Er haßte ſeinen Hausgenoſſen aus voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen konnte, daß er ſich nicht zum Mormonismus bekannte, dann aber auch, weil der junge Deutſche ſeine Ab- neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn er die vermeinte Tochter des Propheten, das ſchönſte

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/157>, abgerufen am 28.11.2024.