Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

heit an sich. Man konnte kaum edlere Formen sehen,
kaum schönere Zähne und Augen, als diese, und die
krankhafte Röthe auf den Wangen log selbst noch
eine Jugend, in deren Besitze die eben sich Zeigende
nicht mehr war. Das Haar war blond und hing in
etwas unordentlichen, wie es schien, feuchten Locken
auf Hals und Nacken hinab. Ein einfaches, schnee-
weißes, blousenförmiges Gewand hüllte diesen völlig
abgemagerten, deshalb aber durchaus nicht ungraziö-
sen Körper bis zum Hals hinauf ein und die Taille
wurde durch einen schwarzen Gürtel bezeichnet.

-- "Wenn es gefällig ist, es ist angerichtet,"
sagte die Neueingetretene mit jener hohlen und etwas
tiefen Stimme, die allemal eine kranke Lunge zu be-
gleiten pflegt.

-- "Wir kommen, Dina," antwortete ihr der
Prophet und die Erscheinung zog sich in das Neben-
zimmer zurück, wohin ihr die Drei folgten.

Arnold konnte sich über Alles, was er in der
Wohnung Joe Smiths sah, nicht von seinem Erstau-
nen erholen. Wenn die seltene, blühende Schönheit
Mariens ihn mit einer nie zuvor gefühlten Bewun-
derung erfüllte, so hatte das arme, kranke, verblühte,
sichtbar dem Grabe zuwankende Wesen, das hier die
Rolle einer Aufwärterin zu spielen schien, wieder et-
was so Magnetisches für ihn, daß er fast eben so oft

heit an ſich. Man konnte kaum edlere Formen ſehen,
kaum ſchönere Zähne und Augen, als dieſe, und die
krankhafte Röthe auf den Wangen log ſelbſt noch
eine Jugend, in deren Beſitze die eben ſich Zeigende
nicht mehr war. Das Haar war blond und hing in
etwas unordentlichen, wie es ſchien, feuchten Locken
auf Hals und Nacken hinab. Ein einfaches, ſchnee-
weißes, blouſenförmiges Gewand hüllte dieſen völlig
abgemagerten, deshalb aber durchaus nicht ungraziö-
ſen Körper bis zum Hals hinauf ein und die Taille
wurde durch einen ſchwarzen Gürtel bezeichnet.

— „Wenn es gefällig iſt, es iſt angerichtet,“
ſagte die Neueingetretene mit jener hohlen und etwas
tiefen Stimme, die allemal eine kranke Lunge zu be-
gleiten pflegt.

— „Wir kommen, Dina,“ antwortete ihr der
Prophet und die Erſcheinung zog ſich in das Neben-
zimmer zurück, wohin ihr die Drei folgten.

Arnold konnte ſich über Alles, was er in der
Wohnung Joe Smiths ſah, nicht von ſeinem Erſtau-
nen erholen. Wenn die ſeltene, blühende Schönheit
Mariens ihn mit einer nie zuvor gefühlten Bewun-
derung erfüllte, ſo hatte das arme, kranke, verblühte,
ſichtbar dem Grabe zuwankende Weſen, das hier die
Rolle einer Aufwärterin zu ſpielen ſchien, wieder et-
was ſo Magnetiſches für ihn, daß er faſt eben ſo oft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="112"/>
heit an &#x017F;ich. Man konnte kaum edlere Formen &#x017F;ehen,<lb/>
kaum &#x017F;chönere Zähne und Augen, als die&#x017F;e, und die<lb/>
krankhafte Röthe auf den Wangen log &#x017F;elb&#x017F;t noch<lb/>
eine Jugend, in deren Be&#x017F;itze die eben &#x017F;ich Zeigende<lb/>
nicht mehr war. Das Haar war blond und hing in<lb/>
etwas unordentlichen, wie es &#x017F;chien, feuchten Locken<lb/>
auf Hals und Nacken hinab. Ein einfaches, &#x017F;chnee-<lb/>
weißes, blou&#x017F;enförmiges Gewand hüllte die&#x017F;en völlig<lb/>
abgemagerten, deshalb aber durchaus nicht ungraziö-<lb/>
&#x017F;en Körper bis zum Hals hinauf ein und die Taille<lb/>
wurde durch einen &#x017F;chwarzen Gürtel bezeichnet.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wenn es gefällig i&#x017F;t, es i&#x017F;t angerichtet,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte die Neueingetretene mit jener hohlen und etwas<lb/>
tiefen Stimme, die allemal eine kranke Lunge zu be-<lb/>
gleiten pflegt.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wir kommen, <hi rendition="#g">Dina,</hi>&#x201C; antwortete ihr der<lb/>
Prophet und die Er&#x017F;cheinung zog &#x017F;ich in das Neben-<lb/>
zimmer zurück, wohin ihr die Drei folgten.</p><lb/>
        <p>Arnold konnte &#x017F;ich über Alles, was er in der<lb/>
Wohnung Joe Smiths &#x017F;ah, nicht von &#x017F;einem Er&#x017F;tau-<lb/>
nen erholen. Wenn die &#x017F;eltene, blühende Schönheit<lb/>
Mariens ihn mit einer nie zuvor gefühlten Bewun-<lb/>
derung erfüllte, &#x017F;o hatte das arme, kranke, verblühte,<lb/>
&#x017F;ichtbar dem Grabe zuwankende We&#x017F;en, das hier die<lb/>
Rolle einer Aufwärterin zu &#x017F;pielen &#x017F;chien, wieder et-<lb/>
was &#x017F;o Magneti&#x017F;ches für ihn, daß er fa&#x017F;t eben &#x017F;o oft<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0120] heit an ſich. Man konnte kaum edlere Formen ſehen, kaum ſchönere Zähne und Augen, als dieſe, und die krankhafte Röthe auf den Wangen log ſelbſt noch eine Jugend, in deren Beſitze die eben ſich Zeigende nicht mehr war. Das Haar war blond und hing in etwas unordentlichen, wie es ſchien, feuchten Locken auf Hals und Nacken hinab. Ein einfaches, ſchnee- weißes, blouſenförmiges Gewand hüllte dieſen völlig abgemagerten, deshalb aber durchaus nicht ungraziö- ſen Körper bis zum Hals hinauf ein und die Taille wurde durch einen ſchwarzen Gürtel bezeichnet. — „Wenn es gefällig iſt, es iſt angerichtet,“ ſagte die Neueingetretene mit jener hohlen und etwas tiefen Stimme, die allemal eine kranke Lunge zu be- gleiten pflegt. — „Wir kommen, Dina,“ antwortete ihr der Prophet und die Erſcheinung zog ſich in das Neben- zimmer zurück, wohin ihr die Drei folgten. Arnold konnte ſich über Alles, was er in der Wohnung Joe Smiths ſah, nicht von ſeinem Erſtau- nen erholen. Wenn die ſeltene, blühende Schönheit Mariens ihn mit einer nie zuvor gefühlten Bewun- derung erfüllte, ſo hatte das arme, kranke, verblühte, ſichtbar dem Grabe zuwankende Weſen, das hier die Rolle einer Aufwärterin zu ſpielen ſchien, wieder et- was ſo Magnetiſches für ihn, daß er faſt eben ſo oft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/120
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/120>, abgerufen am 04.05.2024.