Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.würde, vor fremden Ohren zu singen oder zu spie- Der Gefragte antwortete ihm nicht: das Ent- Wie von einem Zauber gebannt, blieb Arnold Endlich schwieg der Gesang, die Töne des Jn- würde, vor fremden Ohren zu ſingen oder zu ſpie- Der Gefragte antwortete ihm nicht: das Ent- Wie von einem Zauber gebannt, blieb Arnold Endlich ſchwieg der Geſang, die Töne des Jn- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="108"/> würde, vor fremden Ohren zu ſingen oder zu ſpie-<lb/> len. Was ſagen Sie aber zu dieſer Stimme, Sir?“</p><lb/> <p>Der Gefragte antwortete ihm nicht: das Ent-<lb/> zücken oder vielmehr die Bewunderung beraubten ihn<lb/> der Sprache. Er hatte vielleicht ſchöner, kunſtreicher,<lb/> aber noch niemals <hi rendition="#g">ſo</hi> ſingen hören und wenn ein<lb/> geiſtreicher franzöſiſcher Novelliſt erzählt, ein berühm-<lb/> ter Maeſtro auf der Violine habe die Seele ſeiner<lb/> ſterbenden Großmutter in ſein Jnſtrument zu bannen<lb/> gewußt und dadurch den außerordentlichſten Effect —<lb/> einen faſt ſchauerlichen, überirdiſchen — hervorge-<lb/> bracht, ſo hätte man bei den gehörten Tönen etwas<lb/> Aehnliches vermuthen ſollen. Es waren Sphärenme-<lb/> lodien und Sterbeſeufzer, die ſich auf die wunderbarſte,<lb/> erſchütterndſte Weiſe mit einander vermiſchten und bald<lb/> die Seele des Hörers in den Himmel, bald in die<lb/> ſchauerliche Nacht des Grabes hinabzogen.</p><lb/> <p>Wie von einem Zauber gebannt, blieb Arnold<lb/> ſtehen; er wagte kaum zu athmen, um keinen dieſer<lb/> Töne, die oft wie ein Hauch dahinſtarben, zu ver-<lb/> lieren, und nie zuvor gekannte Gefühle hatten ſich<lb/> dermaßen ſeiner bemächtigt, daß er gänzlich vergaß,<lb/> wo er ſich befand.</p><lb/> <p>Endlich ſchwieg der Geſang, die Töne des Jn-<lb/> ſtruments verklangen in leiſen, dahinſterbenden Akkor-<lb/> den und der Flügel wurde geſchloſſen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [108/0116]
würde, vor fremden Ohren zu ſingen oder zu ſpie-
len. Was ſagen Sie aber zu dieſer Stimme, Sir?“
Der Gefragte antwortete ihm nicht: das Ent-
zücken oder vielmehr die Bewunderung beraubten ihn
der Sprache. Er hatte vielleicht ſchöner, kunſtreicher,
aber noch niemals ſo ſingen hören und wenn ein
geiſtreicher franzöſiſcher Novelliſt erzählt, ein berühm-
ter Maeſtro auf der Violine habe die Seele ſeiner
ſterbenden Großmutter in ſein Jnſtrument zu bannen
gewußt und dadurch den außerordentlichſten Effect —
einen faſt ſchauerlichen, überirdiſchen — hervorge-
bracht, ſo hätte man bei den gehörten Tönen etwas
Aehnliches vermuthen ſollen. Es waren Sphärenme-
lodien und Sterbeſeufzer, die ſich auf die wunderbarſte,
erſchütterndſte Weiſe mit einander vermiſchten und bald
die Seele des Hörers in den Himmel, bald in die
ſchauerliche Nacht des Grabes hinabzogen.
Wie von einem Zauber gebannt, blieb Arnold
ſtehen; er wagte kaum zu athmen, um keinen dieſer
Töne, die oft wie ein Hauch dahinſtarben, zu ver-
lieren, und nie zuvor gekannte Gefühle hatten ſich
dermaßen ſeiner bemächtigt, daß er gänzlich vergaß,
wo er ſich befand.
Endlich ſchwieg der Geſang, die Töne des Jn-
ſtruments verklangen in leiſen, dahinſterbenden Akkor-
den und der Flügel wurde geſchloſſen.
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