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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Gegen Westen wurde diese Ebene von einem schö-
nen und mächtigen Flusse begrenzt; es war der Mis-
sisippi; er hatte sich aber sein Bett so tief in den
Boden gegraben und sein Wasser war in dieser Jah-
reszeit so seicht, daß man ihm schon ziemlich nahe
gekommen seyn mußte, um ihn zu erblicken.

Dem Flusse strebten die Schritte eines durch die
Prairie Dahinwandernden zu, der, mit der Büchse im
Arm, mit der Jagdtasche über dem Rücken, in Be-
gleitung eines großen und sehr schönen Hundes, mit
schon matter werdenden Schritten die Stillung seines
brennenden Durstes aus den kühlen und reinen Flu-
then des Missisippi suchte. Er schien in der ihn um-
gebenden Einöde sehr bekannt und mit den sie durch-
furchenden Büffelpfaden durchaus vertraut zu seyn,
indem er, ohne den Fluß noch erblicken zu können,
geradeswegs auf ihn zueilte.

Bald zeigten sich die beschilften, mit hohen
Schwertlilien und einer Menge anderer Blumen be-
kränzten Ufer desselben, und sowohl der Wandernde als
sein vierfüßiger Begleiter beeilten ihre Schritte, um
das ersehnte Ziel zu erreichen.

Hier nahm die Natur plötzlich einen ganz andern
Charakter an. Die in der Prairie herrschende Tod-
tenstille verwandelte sich in reges Leben; buntbefiederte
Vögel wiegten ihren zierlichen Leib auf den braunen

Gegen Weſten wurde dieſe Ebene von einem ſchö-
nen und mächtigen Fluſſe begrenzt; es war der Miſ-
ſiſippi; er hatte ſich aber ſein Bett ſo tief in den
Boden gegraben und ſein Waſſer war in dieſer Jah-
reszeit ſo ſeicht, daß man ihm ſchon ziemlich nahe
gekommen ſeyn mußte, um ihn zu erblicken.

Dem Fluſſe ſtrebten die Schritte eines durch die
Prairie Dahinwandernden zu, der, mit der Büchſe im
Arm, mit der Jagdtaſche über dem Rücken, in Be-
gleitung eines großen und ſehr ſchönen Hundes, mit
ſchon matter werdenden Schritten die Stillung ſeines
brennenden Durſtes aus den kühlen und reinen Flu-
then des Miſſiſippi ſuchte. Er ſchien in der ihn um-
gebenden Einöde ſehr bekannt und mit den ſie durch-
furchenden Büffelpfaden durchaus vertraut zu ſeyn,
indem er, ohne den Fluß noch erblicken zu können,
geradeswegs auf ihn zueilte.

Bald zeigten ſich die beſchilften, mit hohen
Schwertlilien und einer Menge anderer Blumen be-
kränzten Ufer deſſelben, und ſowohl der Wandernde als
ſein vierfüßiger Begleiter beeilten ihre Schritte, um
das erſehnte Ziel zu erreichen.

Hier nahm die Natur plötzlich einen ganz andern
Charakter an. Die in der Prairie herrſchende Tod-
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[2/0010] Gegen Weſten wurde dieſe Ebene von einem ſchö- nen und mächtigen Fluſſe begrenzt; es war der Miſ- ſiſippi; er hatte ſich aber ſein Bett ſo tief in den Boden gegraben und ſein Waſſer war in dieſer Jah- reszeit ſo ſeicht, daß man ihm ſchon ziemlich nahe gekommen ſeyn mußte, um ihn zu erblicken. Dem Fluſſe ſtrebten die Schritte eines durch die Prairie Dahinwandernden zu, der, mit der Büchſe im Arm, mit der Jagdtaſche über dem Rücken, in Be- gleitung eines großen und ſehr ſchönen Hundes, mit ſchon matter werdenden Schritten die Stillung ſeines brennenden Durſtes aus den kühlen und reinen Flu- then des Miſſiſippi ſuchte. Er ſchien in der ihn um- gebenden Einöde ſehr bekannt und mit den ſie durch- furchenden Büffelpfaden durchaus vertraut zu ſeyn, indem er, ohne den Fluß noch erblicken zu können, geradeswegs auf ihn zueilte. Bald zeigten ſich die beſchilften, mit hohen Schwertlilien und einer Menge anderer Blumen be- kränzten Ufer deſſelben, und ſowohl der Wandernde als ſein vierfüßiger Begleiter beeilten ihre Schritte, um das erſehnte Ziel zu erreichen. Hier nahm die Natur plötzlich einen ganz andern Charakter an. Die in der Prairie herrſchende Tod- tenſtille verwandelte ſich in reges Leben; buntbefiederte Vögel wiegten ihren zierlichen Leib auf den braunen

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/10>, abgerufen am 20.04.2024.