Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.Die drei andere weit größeren Gemälde, ein Die drei andere weit größeren Gemälde, ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0094" n="84"/> <p>Die drei andere weit größeren Gemälde, ein<lb/> Altarblatt mit zwei Seitentafeln, gehören zu den<lb/> herrlichſten Kleinoden dieſer überreichen Sammlung<lb/> altdeutſcher Meiſterwerke. Die Mitteltafel führt<lb/> uns zum Sterbebette der Mutter des Erlöſers;<lb/> nie ſah ich den Tod ſo ganz aller ſeiner Schrecken<lb/> beraubt, und doch ſo heilig, ſo rührend fromm<lb/> dargeſtellt. Mitten in einem heitern, feſtlich ge-<lb/> ſchmückten Zimmer, mit dem Fußende gegen den<lb/> Anſchauer gewendet, ſteht das ſchöne umhangene<lb/> Bette, auf welchem Maria hinüberſchlummernd<lb/> ruht. Die Legende, welcher Schoreel, zu Folge<lb/> ſeiner Religion, vollen Glauben beimeſſen mußte,<lb/> belehrt uns, daß die Zeit machtlos an der Geſtalt<lb/> der Mutter des Heilandes vorüberging. Siebenzig<lb/> Jahre lang wandelte ſie auf Erden, und blühte<lb/> immerfort in unverwelklicher Schönheit, die hold-<lb/> ſeligſte der Frauen. So ruht ſie auch hier, und<lb/> man kann ſich bei ihrem Anblicke nicht des Gedan-<lb/> kens erwehren, daß der Meiſter in ihr die ſchönen<lb/> Züge der jungen Geliebten verewigte, die er mit<lb/> ſo unbelohnter Treue lebenslang im Herzen trug.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0094]
Die drei andere weit größeren Gemälde, ein
Altarblatt mit zwei Seitentafeln, gehören zu den
herrlichſten Kleinoden dieſer überreichen Sammlung
altdeutſcher Meiſterwerke. Die Mitteltafel führt
uns zum Sterbebette der Mutter des Erlöſers;
nie ſah ich den Tod ſo ganz aller ſeiner Schrecken
beraubt, und doch ſo heilig, ſo rührend fromm
dargeſtellt. Mitten in einem heitern, feſtlich ge-
ſchmückten Zimmer, mit dem Fußende gegen den
Anſchauer gewendet, ſteht das ſchöne umhangene
Bette, auf welchem Maria hinüberſchlummernd
ruht. Die Legende, welcher Schoreel, zu Folge
ſeiner Religion, vollen Glauben beimeſſen mußte,
belehrt uns, daß die Zeit machtlos an der Geſtalt
der Mutter des Heilandes vorüberging. Siebenzig
Jahre lang wandelte ſie auf Erden, und blühte
immerfort in unverwelklicher Schönheit, die hold-
ſeligſte der Frauen. So ruht ſie auch hier, und
man kann ſich bei ihrem Anblicke nicht des Gedan-
kens erwehren, daß der Meiſter in ihr die ſchönen
Züge der jungen Geliebten verewigte, die er mit
ſo unbelohnter Treue lebenslang im Herzen trug.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |