war untergegangen, und so warf er sich mit ver- doppelter Kraft der Kunst in die Arme, die mit seiner Liebe so ganz eins in ihm geworden war, daß er beide nie wieder in seinem Herzen von einander zu trennen vermochte.
Schoreel blieb, nachdem ihn dieser Schlag ge- troffen, wo er war, in Utrecht, im gastfreien Hause eines Freundes, der diese Gunst von ihm erbat. Und warum hätte der Künstler sie ihm nicht gewähren sollen? Die Zeit, wo er Lebenspläne bil- dete, war vorüber.
Was Liebe ihm versagte, schien während seines ganzen Lebens treue Anhänglichkeit würdiger Freun- de ihm so viel möglich ersetzen zu wollen. Die Nähe des Mannes, in dessen Hause er jetzt lebte, war ganz dazu geeignet, seinem wunden Gemüthe wohl zu thun. Er hieß von Lockhorst, war damals Dechant des alten Münsters zu Utrecht, geistreich, unterrichtet, liebte und kannte die Kunst. Diese seine Liebe zu derselben sowohl, als sein Name machen es wahrscheinlich, daß es derselbe Herr von Lockhorst war, der siebzehn Jahre früher das auf-
war untergegangen, und ſo warf er ſich mit ver- doppelter Kraft der Kunſt in die Arme, die mit ſeiner Liebe ſo ganz eins in ihm geworden war, daß er beide nie wieder in ſeinem Herzen von einander zu trennen vermochte.
Schoreel blieb, nachdem ihn dieſer Schlag ge- troffen, wo er war, in Utrecht, im gaſtfreien Hauſe eines Freundes, der dieſe Gunſt von ihm erbat. Und warum hätte der Künſtler ſie ihm nicht gewähren ſollen? Die Zeit, wo er Lebenspläne bil- dete, war vorüber.
Was Liebe ihm verſagte, ſchien während ſeines ganzen Lebens treue Anhänglichkeit würdiger Freun- de ihm ſo viel möglich erſetzen zu wollen. Die Nähe des Mannes, in deſſen Hauſe er jetzt lebte, war ganz dazu geeignet, ſeinem wunden Gemüthe wohl zu thun. Er hieß von Lockhorſt, war damals Dechant des alten Münſters zu Utrecht, geiſtreich, unterrichtet, liebte und kannte die Kunſt. Dieſe ſeine Liebe zu derſelben ſowohl, als ſein Name machen es wahrſcheinlich, daß es derſelbe Herr von Lockhorſt war, der ſiebzehn Jahre früher das auf-
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war untergegangen, und ſo warf er ſich mit ver-
doppelter Kraft der Kunſt in die Arme, die mit
ſeiner Liebe ſo ganz eins in ihm geworden war, daß
er beide nie wieder in ſeinem Herzen von einander
zu trennen vermochte.
Schoreel blieb, nachdem ihn dieſer Schlag ge-
troffen, wo er war, in Utrecht, im gaſtfreien
Hauſe eines Freundes, der dieſe Gunſt von ihm
erbat. Und warum hätte der Künſtler ſie ihm nicht
gewähren ſollen? Die Zeit, wo er Lebenspläne bil-
dete, war vorüber.
Was Liebe ihm verſagte, ſchien während ſeines
ganzen Lebens treue Anhänglichkeit würdiger Freun-
de ihm ſo viel möglich erſetzen zu wollen. Die Nähe
des Mannes, in deſſen Hauſe er jetzt lebte, war
ganz dazu geeignet, ſeinem wunden Gemüthe wohl
zu thun. Er hieß von Lockhorſt, war damals
Dechant des alten Münſters zu Utrecht, geiſtreich,
unterrichtet, liebte und kannte die Kunſt. Dieſe
ſeine Liebe zu derſelben ſowohl, als ſein Name
machen es wahrſcheinlich, daß es derſelbe Herr von
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/78>, abgerufen am 29.07.2024.
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