Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

haben, wäre nicht das damals allgemein herrschende
Streiten über Religionsmeinungen auch zwischen sie
getreten. Albrecht Dürer hing, wie wir aus seinem
Leben wissen, mit voller klarer Überzeugung an
Luthern und seiner Lehre; was seine Seele erfüllte,
davon wußte er auch zu denen zu sprechen, die er
seines Vertrauens werth hielt, und so kamen oft
zwischen ihm und Schoreel, während sie mit einan-
der arbeiteten, Gespräche auf, in denen Albrecht
seinen jungen Freund über das, was ihm das Wich-
tigste war, erleuchten zu wollen schien, die aber
dieser nicht ohne Schauer und Widerwillen zu er-
tragen vermochte. Unwandelbare Treue war der
Grundton von Schoreels innerstem Wesen; was er
einmal für wahr hielt, woran er glaubte, was er
liebte, das vermochte er nie wieder zu lassen, es schien
ihm sogar frevelhaft nur zu untersuchen, ob er recht
thue so beharrlich zu seyn. Daher trennte er sich
lieber nach einem kürzeren Aufenthalte als er An-
fangs gewünscht hatte, von dem edlen Mann, den
er in jeder andern Hinsicht lieben und ehren mußte,
nur um sich nicht länger der Gefahr auszusetzen, in

haben, wäre nicht das damals allgemein herrſchende
Streiten über Religionsmeinungen auch zwiſchen ſie
getreten. Albrecht Dürer hing, wie wir aus ſeinem
Leben wiſſen, mit voller klarer Überzeugung an
Luthern und ſeiner Lehre; was ſeine Seele erfüllte,
davon wußte er auch zu denen zu ſprechen, die er
ſeines Vertrauens werth hielt, und ſo kamen oft
zwiſchen ihm und Schoreel, während ſie mit einan-
der arbeiteten, Geſpräche auf, in denen Albrecht
ſeinen jungen Freund über das, was ihm das Wich-
tigſte war, erleuchten zu wollen ſchien, die aber
dieſer nicht ohne Schauer und Widerwillen zu er-
tragen vermochte. Unwandelbare Treue war der
Grundton von Schoreels innerſtem Weſen; was er
einmal für wahr hielt, woran er glaubte, was er
liebte, das vermochte er nie wieder zu laſſen, es ſchien
ihm ſogar frevelhaft nur zu unterſuchen, ob er recht
thue ſo beharrlich zu ſeyn. Daher trennte er ſich
lieber nach einem kürzeren Aufenthalte als er An-
fangs gewünſcht hatte, von dem edlen Mann, den
er in jeder andern Hinſicht lieben und ehren mußte,
nur um ſich nicht länger der Gefahr auszuſetzen, in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="54"/>
haben, wäre nicht das damals allgemein herr&#x017F;chende<lb/>
Streiten über Religionsmeinungen auch zwi&#x017F;chen &#x017F;ie<lb/>
getreten. Albrecht Dürer hing, wie wir aus &#x017F;einem<lb/>
Leben wi&#x017F;&#x017F;en, mit voller klarer Überzeugung an<lb/>
Luthern und &#x017F;einer Lehre; was &#x017F;eine Seele erfüllte,<lb/>
davon wußte er auch zu denen zu &#x017F;prechen, die er<lb/>
&#x017F;eines Vertrauens werth hielt, und &#x017F;o kamen oft<lb/>
zwi&#x017F;chen ihm und Schoreel, während &#x017F;ie mit einan-<lb/>
der arbeiteten, Ge&#x017F;präche auf, in denen Albrecht<lb/>
&#x017F;einen jungen Freund über das, was ihm das Wich-<lb/>
tig&#x017F;te war, erleuchten zu wollen &#x017F;chien, die aber<lb/>
die&#x017F;er nicht ohne Schauer und Widerwillen zu er-<lb/>
tragen vermochte. Unwandelbare Treue war der<lb/>
Grundton von Schoreels inner&#x017F;tem We&#x017F;en; was er<lb/>
einmal für wahr hielt, woran er glaubte, was er<lb/>
liebte, das vermochte er nie wieder zu la&#x017F;&#x017F;en, es &#x017F;chien<lb/>
ihm &#x017F;ogar frevelhaft nur zu unter&#x017F;uchen, ob er recht<lb/>
thue &#x017F;o beharrlich zu &#x017F;eyn. Daher trennte er &#x017F;ich<lb/>
lieber nach einem kürzeren Aufenthalte als er An-<lb/>
fangs gewün&#x017F;cht hatte, von dem edlen Mann, den<lb/>
er in jeder andern Hin&#x017F;icht lieben und ehren mußte,<lb/>
nur um &#x017F;ich nicht länger der Gefahr auszu&#x017F;etzen, in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0064] haben, wäre nicht das damals allgemein herrſchende Streiten über Religionsmeinungen auch zwiſchen ſie getreten. Albrecht Dürer hing, wie wir aus ſeinem Leben wiſſen, mit voller klarer Überzeugung an Luthern und ſeiner Lehre; was ſeine Seele erfüllte, davon wußte er auch zu denen zu ſprechen, die er ſeines Vertrauens werth hielt, und ſo kamen oft zwiſchen ihm und Schoreel, während ſie mit einan- der arbeiteten, Geſpräche auf, in denen Albrecht ſeinen jungen Freund über das, was ihm das Wich- tigſte war, erleuchten zu wollen ſchien, die aber dieſer nicht ohne Schauer und Widerwillen zu er- tragen vermochte. Unwandelbare Treue war der Grundton von Schoreels innerſtem Weſen; was er einmal für wahr hielt, woran er glaubte, was er liebte, das vermochte er nie wieder zu laſſen, es ſchien ihm ſogar frevelhaft nur zu unterſuchen, ob er recht thue ſo beharrlich zu ſeyn. Daher trennte er ſich lieber nach einem kürzeren Aufenthalte als er An- fangs gewünſcht hatte, von dem edlen Mann, den er in jeder andern Hinſicht lieben und ehren mußte, nur um ſich nicht länger der Gefahr auszuſetzen, in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/64
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/64>, abgerufen am 08.10.2024.