Auf dem rechten Flügelbilde steht der heilige Jakob der ältere, mit der Keule, als bezeichnendem Emblem seines Märtyrertodes, und ebenfalls mit einem Buche; ein herrlicher geistreicher Kopf voll lebendigen Ausdrucks; neben diesem die heilige Christina; der Mühlstein neben ihr, ihr gewohntes Emblem, ragt wirklich halb zum Bilde heraus. Auf dem linken Flügelbilde steht Johannes der Evange- list und blickt mit der Ruhe des über alles Jrdische erhabnen Heiligen auf die Schlange, die unter seinem Segensspruch aus dem Kelch' emporsteigt, den er hält. Neben Johannes erblickt man die hei- lige Margaretha. Schön, edel, mit entzückender Freude sieht sie in Gestalt eines zornsprühenden Un- geheuers den Urheber alles Bösen sich kraftlos unter ihrem Fuße winden, der, wie die Legende er- zählt, ihr in dieser Gestalt im Kerker erschien, um die heilige Jungfrau zu schrecken. Die heitere Feier- lichkeit, die ernste Pracht dieses Bildes läßt sich durch Worte nicht darstellen, man steht davor, wie vor einem lichterfüllten, heiligen Tempel. Die technische Vollkommenheit desselben, die Schönheit
Auf dem rechten Flügelbilde ſteht der heilige Jakob der ältere, mit der Keule, als bezeichnendem Emblem ſeines Märtyrertodes, und ebenfalls mit einem Buche; ein herrlicher geiſtreicher Kopf voll lebendigen Ausdrucks; neben dieſem die heilige Chriſtina; der Mühlſtein neben ihr, ihr gewohntes Emblem, ragt wirklich halb zum Bilde heraus. Auf dem linken Flügelbilde ſteht Johannes der Evange- liſt und blickt mit der Ruhe des über alles Jrdiſche erhabnen Heiligen auf die Schlange, die unter ſeinem Segensſpruch aus dem Kelch’ emporſteigt, den er hält. Neben Johannes erblickt man die hei- lige Margaretha. Schön, edel, mit entzückender Freude ſieht ſie in Geſtalt eines zornſprühenden Un- geheuers den Urheber alles Böſen ſich kraftlos unter ihrem Fuße winden, der, wie die Legende er- zählt, ihr in dieſer Geſtalt im Kerker erſchien, um die heilige Jungfrau zu ſchrecken. Die heitere Feier- lichkeit, die ernſte Pracht dieſes Bildes läßt ſich durch Worte nicht darſtellen, man ſteht davor, wie vor einem lichterfüllten, heiligen Tempel. Die techniſche Vollkommenheit deſſelben, die Schönheit
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Auf dem rechten Flügelbilde ſteht der heilige
Jakob der ältere, mit der Keule, als bezeichnendem
Emblem ſeines Märtyrertodes, und ebenfalls mit
einem Buche; ein herrlicher geiſtreicher Kopf voll
lebendigen Ausdrucks; neben dieſem die heilige
Chriſtina; der Mühlſtein neben ihr, ihr gewohntes
Emblem, ragt wirklich halb zum Bilde heraus. Auf
dem linken Flügelbilde ſteht Johannes der Evange-
liſt und blickt mit der Ruhe des über alles Jrdiſche
erhabnen Heiligen auf die Schlange, die unter
ſeinem Segensſpruch aus dem Kelch’ emporſteigt,
den er hält. Neben Johannes erblickt man die hei-
lige Margaretha. Schön, edel, mit entzückender
Freude ſieht ſie in Geſtalt eines zornſprühenden Un-
geheuers den Urheber alles Böſen ſich kraftlos unter
ihrem Fuße winden, der, wie die Legende er-
zählt, ihr in dieſer Geſtalt im Kerker erſchien, um
die heilige Jungfrau zu ſchrecken. Die heitere Feier-
lichkeit, die ernſte Pracht dieſes Bildes läßt ſich
durch Worte nicht darſtellen, man ſteht davor, wie
vor einem lichterfüllten, heiligen Tempel. Die
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/32>, abgerufen am 06.07.2024.
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